1 8. Stunde: Lösung Fall 1 Anspruch des P gegen H auf Zahlung ...
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Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
<strong>8.</strong> <strong>Stunde</strong>:<br />
Lösung <strong>Fall</strong> 1<br />
<strong>Anspruch</strong> <strong>des</strong> P <strong>gegen</strong> H <strong>auf</strong> <strong>Zahlung</strong> <strong>des</strong> K<strong>auf</strong>preises gem. § 433 Abs. 2 BGB 1<br />
P könnte <strong>gegen</strong> H einen <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> K<strong>auf</strong>preiszahlung in Höhe von 500 € (10 Kugelschreiber à 50 €)<br />
aus § 433 Abs. 2 haben.<br />
I. <strong>Anspruch</strong> entstanden<br />
Das Entstehen <strong>des</strong> <strong>Anspruch</strong>s setzt einen wirksamen K<strong>auf</strong>vertrag zwischen P und H über die<br />
Kugelschreiber voraus. Ein Vertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen,<br />
Angebot und Annahme, zustande.<br />
1. Vertragsschluss<br />
Hier hat H selbst keine <strong>auf</strong> den Abschluss eines K<strong>auf</strong>vertrages gerichtete Willenserklärung<br />
abgeben. Er könnte jedoch durch V gem. §§ 164 ff. vertreten worden sein, wenn die<br />
Voraussetzungen der Stellvertretung vorliegen. Die Willenserklärung der V würde dann gem.<br />
§ 164 Abs. 1 Satz 1 für H wirken.<br />
a. Eigene Willenserklärung der V<br />
1<br />
Dies setzt zunächst voraus, dass V eine eigene Willenserklärung abgegeben und nicht<br />
lediglich als Bote eine fremde Willenserklärung übermittelt hat. V gab <strong>auf</strong>grund ihres<br />
Entscheidungsspielraums hinsichtlich <strong>des</strong> Vertragspartners, K<strong>auf</strong><strong>gegen</strong>stands und<br />
K<strong>auf</strong>preises eine eigene Willenserklärung ab.<br />
b. Offenkundigkeit<br />
Sie gab die Willenserklärung auch erkennbar in fremdem Namen ab.<br />
c. Vertretungsmacht?<br />
Fraglich ist, ob V mit Vertretungsmacht handelte.<br />
aa) Vollmachterteilung durch H?<br />
H hat V keine ausdrückliche Vollmacht erteilt. In Betracht kommt eine konkludente<br />
Bevollmächtigung. Eine konkludente Bevollmächtigung liegt vor, wenn dem<br />
Geschäftsherrn das Auftreten <strong>des</strong> nicht ausdrücklich Bevollmächtigten zur Kenntnis<br />
kommt und er dieses mit rechtsgeschäftlichem Willen billigt. Damit ist auch eine<br />
1 Alle folgenden Paragraphen ohne Bezeichnung sind solche <strong>des</strong> BGB.
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
konkludente Bevollmächtigung eine Willenserklärung. Aus der Tatsache, dass H frühere<br />
Bestellungen der V nicht beanstandet hat, ist allerdings noch nicht <strong>auf</strong> eine<br />
Bevollmächtigung zu schließen. Schließlich missbilligte H das eigenmächtige Handeln von<br />
V und V ging davon auch aus. Eine konkludente Bevollmächtigung scheidet damit aus.<br />
Eine konkludente Bevollmächtigung liegt vor, wenn dem Geschäftsherrn das Auftreten<br />
<strong>des</strong> nicht ausdrücklich Bevollmächtigten zur Kenntnis kommt und er dieses mit<br />
rechtsgeschäftlichen Willen billigt.<br />
bb) Duldungsvollmacht<br />
Neben der vertraglichen und der gesetzlichen Vertretungsmacht gibt es daneben aber<br />
noch die Vertretungsmacht aus Rechtsscheingesichtspunkten. In Betracht kommt hier<br />
ein <strong>Fall</strong> der Duldungsvollmacht.<br />
Die Duldungsvollmacht ist nach der herrschenden Meinung eine Rechtsscheinvollmacht,<br />
gestützt <strong>auf</strong> den Gedanken <strong>des</strong> Vertrauensschutzes <strong>des</strong> Geschäftspartners sowie einer<br />
Analogie zu den gesetzlichen geregelten Rechtsscheintatbeständen der §§ 170‐173. 2<br />
Voraussetzung für eine Duldungsvollmacht ist, dass (1.) eine Person wiederholt und<br />
während einer gewissen Dauer als Vertreter <strong>auf</strong>tritt, (2.) der Vertretene das Verhalten<br />
<strong>des</strong> nicht von ihm bevollmächtigten Vertreter kannte und nicht da<strong>gegen</strong> eingeschritten<br />
ist, obgleich ihm dies möglich gewesen wäre und (3.) der Geschäftspartner dieses Dulden<br />
und das Handeln <strong>des</strong> Vertreters dahingehend versteht und nach Treu und Glauben auch<br />
verstehen darf, dass der als Vertreter Handelnde bevollmächtigt ist und (4.) <strong>auf</strong> Grund<br />
<strong>des</strong>sen den Vertrag abschließt.<br />
2<br />
V ist hier wiederholt als Vertreterin <strong>des</strong> H <strong>auf</strong>getreten. H wusste vom Auftreten der V,<br />
blieb jedoch untätig. Letztlich ging P <strong>auf</strong> Grund <strong>des</strong> Auftretens der V von einer<br />
Bevollmächtigung der V durch H aus, durfte dies auch tun und schloss <strong>des</strong>halb den<br />
Vertrag ab.<br />
Damit lag eine Duldungsvollmacht vor.<br />
Die Voraussetzungen der Duldungsvollmacht in Kurzform:<br />
(1.) Dauerhaftes Auftreten einer Person als Vertreter<br />
(2.) Wissen und Untätigkeit <strong>des</strong> Geschäftsherrn<br />
(3.) Vertrauen <strong>des</strong> Geschäftspartners <strong>auf</strong> Bevollmächtigung <strong>des</strong> Vertreters<br />
(4.) Kausalität zwischen Vertrauen und Abschluss <strong>des</strong> Vertrags<br />
2 Nach einer anderen Ansicht liegt bei einer Duldungsvollmacht keine Rechtsschein‐, sondern eine<br />
konkludent erteilte Vollmacht vor.
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
2. Zwischenergebnis<br />
V hat H wirksam beim K<strong>auf</strong> der Kugelschreiber vertreten. Ein Vertragsschluss zwischen H und<br />
P lag damit vor.<br />
3. Anfechtung der Duldungsvollmacht mit Folge der Nichtigkeit <strong>des</strong> Rechtsgeschäfts nach §<br />
142 Abs. 1?<br />
Fraglich ist, ob H die Duldungsvollmacht anfechten kann. Unabhängig von dem Vorliegen<br />
eines Anfechtungsgrunds verneint die h.M. eine Anfechtbarkeit. Sie stellt allein <strong>auf</strong> den<br />
Rechtsscheincharakter der Vollmacht ab. Der Rechtsschein lässt sich im Wege der<br />
Anfechtung aber nicht rückwirkend beseitigen. Nach einer anderen Ansicht soll die Duldungsvollmacht<br />
anfechtbar sein. Argumentiert wird zum einen mit der Nähe der Duldungsvollmacht<br />
zur konkludenten Vollmacht, zum anderen sei nicht einzusehen, warum ein<br />
Rechtsschein stärker binden solle als eine entsprechende Willenserklärung. Diese Ansicht ist<br />
jedoch bedenklich. Es ist zwischen der Rechtsscheinvollmacht und der konkludenten<br />
Vollmacht, die eine Willenserklärung darstellt, zu unterscheiden. Zudem sind die<br />
Anforderungen an die Annahme einer Duldungsvollmacht einigermaßen hoch. Auch wird von<br />
dieser Ansicht für die anderen Formen der Rechtsscheinvollmacht (z.B. Anscheinsvollmacht)<br />
die Anfechtung weitgehend verneint.<br />
II. Ergebnis<br />
P kann von H Bezahlung der 500 € aus § 433 Abs. 2 verlangen.<br />
3
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
Lösung Abwandlung<br />
<strong>Anspruch</strong> <strong>des</strong> P <strong>gegen</strong> H <strong>auf</strong> <strong>Zahlung</strong> <strong>des</strong> K<strong>auf</strong>preises gem. § 433 Abs. 2<br />
P könnte <strong>gegen</strong> H einen <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> K<strong>auf</strong>preiszahlung in Höhe von 500 € (10 Kugelschreiber à 50 €)<br />
aus § 433 Abs. 2 haben.<br />
I. <strong>Anspruch</strong> entstanden<br />
Das Entstehen <strong>des</strong> <strong>Anspruch</strong>s setzt einen wirksamen K<strong>auf</strong>vertrag zwischen P und H über die<br />
Kugelschreiber voraus. Ein Vertrag kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen,<br />
Angebot und Annahme, zustande.<br />
1. Vertragsschluss<br />
Hier hat H selbst keine <strong>auf</strong> den Abschluss eines K<strong>auf</strong>vertrages gerichtete Willenserklärung<br />
abgeben. Er könnte jedoch durch V gem. §§ 164 ff. vertreten worden sein, wenn die<br />
Voraussetzungen der Stellvertretung vorliegen. Die Willenserklärung der V würde dann gem.<br />
§ 164 Abs. 1 Satz 1 für H wirken.<br />
a. Eigene Willenserklärung der V<br />
Dies setzt zunächst voraus, dass V eine eigene Willenserklärung abgegeben und nicht<br />
lediglich als Bote eine fremde Willenserklärung übermittelt hat. V gab <strong>auf</strong>grund ihres<br />
Entscheidungsspielraums hinsichtlich <strong>des</strong> Vertragspartners, K<strong>auf</strong><strong>gegen</strong>stands und<br />
K<strong>auf</strong>preises eine eigene Willenserklärung ab.<br />
4<br />
b. Offenkundigkeit<br />
Sie gab die Willenserklärung auch erkennbar in fremdem Namen ab.<br />
c. Vertretungsmacht?<br />
Fraglich ist, ob V mit Vertretungsmacht handelte.<br />
aa) Vollmachterteilung durch H?<br />
H hat V keine ausdrückliche Vollmacht erteilt. In Betracht kommt eine konkludente<br />
Bevollmächtigung. Eine konkludente Bevollmächtigung liegt vor, wenn dem<br />
Geschäftsherrn das Auftreten <strong>des</strong> nicht ausdrücklich Bevollmächtigten zur Kenntnis<br />
kommt und er dieses mit rechtsgeschäftlichem Willen billigt. Damit ist auch eine<br />
konkludente Bevollmächtigung eine Willenserklärung. H hat hier keine Kenntnis vom<br />
Tätigwerden der V. Eine konkludente Bevollmächtigung scheidet aus diesem Grund aus.
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
bb) Anscheinsvollmacht<br />
Neben der vertraglichen und der gesetzlichen Vertretungsmacht gibt es daneben noch<br />
die Vertretungsmacht aus Rechtsscheingesichtspunkten. In Betracht kommt hier ein <strong>Fall</strong><br />
der Anscheinsvollmacht, deren Existenz allerdings umstritten ist.<br />
(1.) H.M.<br />
Die h.M. setzt für eine Anscheinsvollmacht voraus, dass (1.) eine Person wiederholt und<br />
während einer gewissen Dauer als Vertreter <strong>auf</strong>tritt, (2.) der Vertretene das Verhalten<br />
<strong>des</strong> angeblichen Vertreters zwar nicht kannte, es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt ‐ etwa<br />
bei gehöriger Überwachung seiner Angestellten ‐ hätte bemerken und verhindern<br />
können, und (3.) wenn der Geschäftsgegner daher annahm und nach Treu und Glauben<br />
auch annehmen durfte, der Vertretene billige und dulde das Handeln <strong>des</strong> Vertreters und<br />
(4.) das Vertrauen <strong>auf</strong> diesen Rechtsschein für das Handeln <strong>des</strong> Geschäftsgegners auch<br />
ursächlich war.<br />
V ist hier wiederholt als Vertreterin <strong>des</strong> H <strong>auf</strong>getreten. H wusste zwar nicht, dass V als<br />
seine Vertreterin <strong>auf</strong>tritt. Er hätte aber bei Anwendung der ordnungsgemäßen Sorgfalt,<br />
insbesondere einer ordentlichen Büroorganisation, erkennen müssen, dass V als seine<br />
Vertreterin <strong>auf</strong>tritt und dies verhindern müssen. Letztlich ging P <strong>auf</strong> Grund <strong>des</strong><br />
Auftretens der V von einer Bevollmächtigung der V durch H aus und durfte dies auch tun.<br />
Damit lag nach h.M. eine Anscheinsvollmacht vor.<br />
5<br />
(2.) Andere Ansicht<br />
Eine andere Ansicht lehnt die Existenz der Anscheinsvollmacht ab, da es, insbesondere<br />
unter Berücksichtigung der Privatautonomie, keine fahrlässigen Willenserklärungen gäbe<br />
und Verschulden keine Willenserklärung darstelle. An die Verletzung von<br />
Sorgfaltspflichten sollten nicht die Folgen eines Rechtsgeschäfts geknüpft werden<br />
können, sondern allenfalls Schadensersatzansprüche <strong>gegen</strong> den „Vertretenen“ aus einer<br />
vorvertraglichen Pflichtverletzung nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB oder<br />
Ansprüche <strong>gegen</strong> den vermeintlichen Vertreter aus § 179 BGB. Nach dieser Ansicht<br />
handelte K ohne die erforderliche Vertretungsmacht.<br />
(3.) Streitentscheidung<br />
Da die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist eine Streitentscheidung<br />
erforderlich. Für die erste Ansicht spricht, dass auch §§ 170 ff. eine<br />
Rechtsscheinvollmacht begründen, weil der Vollmachtgeber es <strong>auf</strong>grund mangelnder<br />
Sorgfalt unterlassen hat, durch die Rückforderung der Vollmachturkunde oder Anzeige<br />
<strong>des</strong> Erlöschens der Vollmacht <strong>gegen</strong> den Schein der Bevollmächtigung einzuschreiten. Im<br />
vorliegenden <strong>Fall</strong> ist eine vergleichbare Sorgfaltspflichtverletzung gegeben. Der ersten<br />
Ansicht ist daher zu folgen. Folglich bestand eine Rechtsscheinvollmacht in Form der<br />
Anscheinsvollmacht.
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
Die Voraussetzungen der Anscheinsvollmacht in Kurzform:<br />
(1.) Dauerhaftes Auftreten einer Person als Vertreter<br />
(2.) Unkenntnis <strong>des</strong> Geschäftsherrn, aber Sorgfaltspflichtverstoß<br />
(3.) Vertrauen <strong>des</strong> Geschäftspartners <strong>auf</strong> Bevollmächtigung <strong>des</strong> Vertreters<br />
(4.) Kausalität zwischen Vertrauen und Abschluss <strong>des</strong> Vertrags<br />
2. Zwischenergebnis<br />
V hat H wirksam beim K<strong>auf</strong> der Kugelschreiber vertreten. Ein Vertragsschluss zwischen H und<br />
P lag damit vor.<br />
II. Ergebnis<br />
P kann von H Bezahlung der 500 € aus § 433 Abs. 2 verlangen.<br />
Lösung <strong>Fall</strong> 2<br />
D <strong>gegen</strong> E <strong>auf</strong> Übergabe und Übereignung <strong>des</strong> Autos aus § 433 Abs. 1 S. 1<br />
D könnte <strong>gegen</strong> E einen <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Übergabe und Übereignung <strong>des</strong> Autos gemäß § 433 Abs. 1 S. 1<br />
haben.<br />
6<br />
I. <strong>Anspruch</strong> entstanden<br />
Hierfür müsste ein wirksamer K<strong>auf</strong>vertrag zwischen D und E zustande gekommen sein.<br />
E selbst hat keine <strong>auf</strong> einen K<strong>auf</strong>vertragsschluss gerichtete Willenserklärung <strong>gegen</strong>über D<br />
abgegeben. Er könnte bei dem Vertragsschluss jedoch von V gemäß § 164 Abs. 1 vertreten worden<br />
sein. V und D haben jeweils eine korrespondierende <strong>auf</strong> den Verk<strong>auf</strong> <strong>des</strong> Autos zum Preis von 50 €<br />
gerichtete Willenserklärung abgegeben. Die von V abgegebene Willenserklärung wirkt für und <strong>gegen</strong><br />
E, wenn die Voraussetzungen der Stellvertretung gemäß § 164 Abs. 1 gegeben sind.<br />
1) Eigene Willenserklärung <strong>des</strong> V<br />
V müsste eine eigene Willenserklärung abgegeben haben, also nicht nur als Bote <strong>des</strong> E<br />
<strong>auf</strong>getreten sein. V gab <strong>auf</strong>grund seines Verhandlungsspielraums hinsichtlich <strong>des</strong><br />
Vertragspartners und <strong>des</strong> K<strong>auf</strong>preises eine eigene Willenserklärung ab.<br />
2) Offenkundigkeit<br />
Er handelte auch erkennbar in fremden Namen gemäß § 164 Abs. 1.
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
3) Vertretungsmacht<br />
Weiterhin müsste V mit Vertretungsmacht gehandelt haben. E hat V gem. § 167 Abs. 1<br />
ausdrücklich zum Verk<strong>auf</strong> seines Autos bevollmächtigt, ohne die Vollmacht in Hinblick<br />
<strong>auf</strong> den K<strong>auf</strong>preis einzuschränken.<br />
Fraglich ist, wie es sich <strong>auf</strong> die Vertretungsmacht auswirkt, dass V das Auto im Wert von<br />
10.000 € zu einem sehr geringen Preis an D verk<strong>auf</strong>te.<br />
a. Einschränkung der Vollmacht wegen Verstoßes im Innenverhältnis?<br />
V war aus dem seiner Tätigkeit für E zugrunde liegenden Auftragsverhältnis (§ 662) zu<br />
größtmöglicher Interessenwahrung verpflichtet. Gegen diese Treuepflicht verstieß V, als<br />
er den Vertrag zu dem geringen Preis schloss, da davon auszugehen ist, dass er ohne<br />
weiteres einen höheren Preis hätte erzielen können. Die Treuepflicht führt jedoch, da es<br />
sich bei dem Grundverhältnis und der Vollmacht um eigenständige Rechtsgeschäfte<br />
handelt und die Vollmacht von dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis abstrakt ist,<br />
hier nicht zur Begrenzung der Vollmacht.<br />
Das Risiko <strong>des</strong> Missbrauchs der Vertretungsmacht hat zum Schutz <strong>des</strong> Geschäftspartners<br />
grundsätzlich der Vertretene zu tragen. Dem Geschäftspartner obliegt – da er regelmäßig<br />
keine Kenntnis von den internen Weisungen <strong>des</strong> Geschäftsherren hat – im Allgemeinen<br />
auch keine besonderen Prüfungspflicht, ob und wieweit der Vertreter im Innenverhältnis<br />
gebunden ist. Somit handelte V innerhalb seiner Vollmacht.<br />
7<br />
Merke: Das der Erteilung der Vollmacht zu Grunde liegende Rechtsgeschäft – oftmals ein<br />
Auftrag (§§ 662 ff.), ein Arbeitsverhältnis (§§ 611 ff.) oder ein<br />
Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 675 ff.) – ist unabhängig von dem Rechtsgeschäft, dass<br />
der Vertreter für den Geschäftsherrn mit dem Geschäftspartner abschließt, zu<br />
betrachten. Denn der Geschäftspartner hat regelmäßig keine Kenntnis vom Inhalt <strong>des</strong><br />
Vertrages zwischen Vertreter und Geschäftsherrn/ Vertretenen.<br />
b. Einschränkung der Vollmacht wegen fehlender Schutzbedürftigkeit <strong>des</strong> D?<br />
Allerdings könnte die Bindungswirkung der Willenserklärung oder deren Zurechnung<br />
(§ 164 Abs. 1) <strong>auf</strong>grund fehlender Schutzwürdigkeit <strong>des</strong> D entfallen sein, da er<br />
wusste, dass V ihm das Auto nur so günstig verk<strong>auf</strong>en will, um E „eins<br />
auszuwischen“.
Arbeitsgemeinschaft im Zivilrecht Grundkurs I<br />
Die Schutzwürdigkeit <strong>des</strong> Geschäftspartners fehlt in zwei Fällen:<br />
(1.) Evidenter Missbrauch<br />
Die Schutzwürdigkeit ist nicht gegeben, wenn von der Vollmacht<br />
objektiv, also in einer für den Geschäftspartner erkennbaren<br />
Weise, missbräuchlich Gebrauch gemacht wird. Für den<br />
evidenten Missbrauch ist es nicht erforderlich, dass der<br />
Geschäftspartner tatsächlich Kenntnis von dem Missbrauch hat.<br />
Es genügt vielmehr, wenn der Vertreter in ersichtlich<br />
verdächtiger Weise von der Vollmacht Gebrauch macht, so dass<br />
sich der Missbrauch der Vollmacht jedem Vernünftigen geradezu<br />
<strong>auf</strong>drängen muss.<br />
Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht führt der<br />
evidente Missbrauch zum Nichtvorliegen der Vertretungsmacht<br />
und der Vertrag ist nur wirksam, wenn er analog § 177 Abs. 1<br />
von dem Vertretenen genehmigt wird. Nach Ansicht der<br />
Rechtsprechung ist die Vertretungsmacht zwar gegeben, der<br />
Vertretene kann dem Geschäftspartner aber den Einwand der<br />
unzulässigen Rechtsausübung gemäß § 242 ent<strong>gegen</strong>halten. Der<br />
Geschäftspartner kann sich dann nach Treu und Glauben nicht<br />
<strong>auf</strong> die Vertretungsmacht berufen.<br />
(2.) Kollusion<br />
8<br />
II. Ergebnis<br />
Die Schutzwürdigkeit <strong>des</strong> Geschäftspartners ist auch nicht<br />
gegeben, wenn Vertreter und Geschäftspartner gemeinsam<br />
bewusst zum Nachteil <strong>des</strong> Vertretenen zusammenwirken; dies<br />
wird als Kollusion bezeichnet wird. In diesem <strong>Fall</strong> ist das<br />
Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 <strong>auf</strong>grund eines Verstoßes<br />
<strong>gegen</strong> die guten Sitten nichtig.<br />
Hier könnte ein <strong>Fall</strong> der Kollusion gegebenen sein. Diese liegt vor, wenn Vertreter und<br />
Geschäftspartner gemeinsam bewusst zum Nachteil <strong>des</strong> Vertretenen<br />
zusammenwirken. V und D schlossen den Vertrag in dem Bewusstsein und mit dem<br />
Willen ab, E dadurch einen erheblichen Vermögensnachteil zuzufügen. Somit liegt ein<br />
<strong>Fall</strong> der Kollusion vor.<br />
4) Zwischenergebnis<br />
Rechtsfolge einer Kollusion ist die Nichtigkeit <strong>des</strong> Vertrages nach § 138 Abs. 1. Ein<br />
wirksamer K<strong>auf</strong>vertrag liegt nicht vor.<br />
D hat <strong>gegen</strong> E keinen <strong>Anspruch</strong> <strong>auf</strong> Übergabe und Übereignung <strong>des</strong> Autos gemäß § 433 Abs. 1 S. 1.