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Jahresgutachten 1990/91 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 11/8472 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

bewertet. Entscheidend ist allein, was nach der Jahresmitte<br />

geschehen ist - und darüber weiß man bis·<br />

lang nicht sehr viel. Zwar gibt es tür einige Wirtschaftsbereiche<br />

Informationen darüber, wie tief die<br />

Produktion - der Menge nach - eingebrochen ist,<br />

aber es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, wie dieser<br />

Einbruch in Mark und Pfennig zu bewerten ist.<br />

247. Bei dieser Sachlage sind wir in einem Dilemma:<br />

Eine quantitative Prognose tür die deutsche Wirtschaftim<br />

Ganzen halten wir derzeit nicht für machbar.<br />

Dazu reicht die Datenbasis nicht aus. Eine solche<br />

Prognose wäre nicht einmal infonnativ. Im Ergebnis<br />

käme nur ein Durchschnitt aus ganz unterschiedlichen<br />

Entwicklungen in Westdeutschland<br />

und in Ostdeutschland heraus.<br />

Eine quantitative Prognose läßt sich nur für die<br />

westdeutsche Wirtschaft ableiten, obgleich auch<br />

dafür von der Datenlage her sich die Voraussetzungen<br />

inzwischen verschlechtert haben. Für die<br />

ostdeutsche Wirtschaft erscheintuns so etwas nicht<br />

vertretbar; die Fehlermargen wären einfach zu<br />

groß.<br />

Wir haben uns deshalb zu einem Kompromiß entschlossen.<br />

Unsere Vorausschau hat die deutsche Wirtschaft<br />

als Ganzes im Blick. Wir beschreiben die wirtschaftliche<br />

Entwicklung in Westdeutschland und in<br />

Ostdeutschland. Eine quantitative Prognose präsentieren<br />

wir jedoch, wie bisher, nur für das Gebiet der<br />

alten Bundesländer. Für das Gebiet der neuen Bundesländer<br />

untermauern wir unsere Argumentation<br />

dort mit Zahlen, wo uns das vertretbar erscheint, sonst<br />

beschränken wir uns auf Tendenzangaben.<br />

248. Auch eine quantitative Vorausschau für die<br />

westdeutsche Wirtschalt bedarf spätestens seit Schalfung<br />

einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion<br />

mit der ehemaligen DDR in mehrerer Hinsicht der<br />

Interpretation. In den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen<br />

werden die meisten Transaktionen nach<br />

dem Inlandskonzept erlaßt. Die wirtschaltliche Entwicklung<br />

bemißt sich also danach, was jeweils im bisherigen<br />

Gebiet der Bundesrepublik produziert, investiert<br />

sowie über die .. Grenzen" exportiert und importiert<br />

wird. Eine Ausnahme macht lediglich der Private<br />

Verbrauch, der nach dem Inländerkoll4'ept erfaßt<br />

wird. Diese Praxis hat eine Reihe von Konsequenzen.<br />

Auf sie muß nachdrücklich hingewiesen werden, damit<br />

es nicht zu Fehlinterpretationen kommt. Folgende<br />

Besonderheiten in der Tabelle für die westdeutsche<br />

Wirtschaft gilt es zu beachten:<br />

Der Private Verbrauch umfaßt nur die Käufe der<br />

Bevölkerung mit Wohnsitz in den alten Bundesländem.<br />

Ausgaben von Bewohnern aus den neuen<br />

Bundesländern im Westen zählen als Export, Ausgaben<br />

durch Bewohner der alten Länder im Osten<br />

zählen als Import.<br />

Die Anlageinvestitionen westdeutscher Unternehmen<br />

werden nur insoweit nachgewiesen, als SLe im<br />

Gebiet der alten Bundesländer erfolgen. Stallet ein<br />

westdeutsches Unternehmen seine Niederlassung<br />

im Gebiet der früheren DDR mit Computern aus<br />

westdeutscher Produktion aus, investiert es nicht,<br />

sondern betreibt .. Export...<br />

Die Exporte und Importe sind somit durch ueferungen<br />

in die neuen Bundesländer und aus diesen<br />

Ländern aufgebläht. Da die westdeutsche Wirtschaft<br />

weitaus mehr nach Ostdeutschland "exportiert"<br />

als sie von dort "importiert", weist sie einen<br />

hohen Überschuß beim Außenbeitrag aus.<br />

Die Erwerbstätigen umfassen alle "im Inland" Beschäftigten.<br />

Wenn Arbeitnehmer aus den neuen<br />

Bundesländern eine Arbeit im Westen aufnehmen<br />

und ihren Wohnsitz beibehalten (Pendler), berührt<br />

das auch die Entstehungsseite der gesamtwirtschaftlichen<br />

Produktion. Bei einem steigenden<br />

Einpendlerüberschuß in den alten Bundesländern,<br />

wie er für das kommende Jahr zu erwarten ist,<br />

fließt auch ein breiter werdender Einkommensstrom<br />

in die neuen Länder. Das aber heißt: Das<br />

Bruttosozialprodukt (als die Summe der Einkommen<br />

der Inländer) steigt in Westdeutschland langsamer<br />

als das BrulloinJandsprodukt (als die<br />

Summe der im Inland entstandenen Einkommen);<br />

in Ostdeutschland ist es umgekehrt.<br />

111. Die Annahmen der Prognose<br />

249. Die wirtschaltliche Entwicklung im kommenden<br />

Jahr ist in keiner Weise schon festgelegt. Sie gestaltet<br />

sich als das Ergebnis des wirtschaftlichen Handelns<br />

der Marktteilnehmer - der Unternehmen, der<br />

privaten Haushalte und der staatlichen Stellen, im<br />

Inland und im Ausland. Dies alles ist Gegenstand der<br />

Prognose.<br />

Zur Prognose gehören auch eine Reihe von Annahmen<br />

<strong>zur</strong> Wirtschaftspolitik. Zum Zeitpunkt, an dem<br />

wir die Prognosearbeiten abschließen, haben die politischen<br />

Instanzen die Grundlinien ihrer Politik für das<br />

kommende Jahr meistens noch nicht festgelegt oder<br />

diese sind uns noch nicht bekannt. So hat die Bundesregierung<br />

bis dato noch keinen Haushaltsplanentwurf<br />

für 19<strong>91</strong> verabschledet, und die Bundesbank hat noch<br />

kein Geldmengenziel beschlossen. In solchen Fällen<br />

müssen wir Annahmen treffen, die sich an dem orientieren,<br />

was wir für plausibel halten können. Im einzelnen<br />

haben wir für den Kurs der Wirtschaftspolitik im<br />

Ausland und im Inland folgendes zugrunde gelegt:<br />

In der Finanzpolitik setzen die Regierungen der<br />

meisten Staaten ihre auf die Rückführung der Dehzite<br />

gerichteten Konsolidierungsbemühungen fort.<br />

Die Erfolge werden allerdings bescheiden sein, zumal<br />

fast überall - konjunkturbedingt - die Steuereinnahmen<br />

langsamer zunehmen werden als<br />

bisher. In der Bundesrepublik wird das Defizit in<br />

die Höhe schnellen, nicht zuletzt wegen der fiskalischen<br />

Folgen der deutschen Vereinigung. Davon<br />

geht ein kräftiger konjunktureller Impuls aus (Ziffer<br />

356).<br />

Die Geldpolitik wird überall auf Reslriktionskurs<br />

bleiben, um einer weiteren Beschleunigung des<br />

Preisanstiegs entgegenzuwirken. Die Notenbanken<br />

werden indes ihren Kurs mit Rücksicht auf die<br />

langsamere wirtschaftliche Expansion nicht weiter<br />

verschärfen. In den Vereinigten Staaten wird das<br />

Federal Reserve Board die geldpolitischen Zügel<br />

etwas lockern, um die Konjunktur zu stützen; das<br />

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