Jahresgutachten 1990/91 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
Jahresgutachten 1990/91 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
Jahresgutachten 1990/91 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Drucksache 11/8472 Deutscher Bundestag - 11, Wahlperiode<br />
schiedlicher Qualitäten nahezu aussagelos, die Preise<br />
für die heute verfügbaren westlichen Automobile mit<br />
denen der Pkw aus ostdeutscher Produktionvor einem<br />
Jahr zu vergleichen. auf die der Konsument in der<br />
DDR zudem jahrelang warten mußte.<br />
13*. Die Öllnung der Grenzen und die Einführung<br />
der D-Mark in Ostdeutschland haben es schlagartig<br />
<strong>zur</strong> Gewißheit werden lassen: Der größte Teil des<br />
Güterangebots ostdeutscher Betriebe ist in einem<br />
nach außen offenen Markt nicht wettbewerbsfähig.<br />
Produktion und Beschäftigung sind auf breiter Front<br />
gesunken. Besonders stark waren die Einbußen in der<br />
Industrie, dem überdimensionierten Kembereich der<br />
Wirtschaft. Aber auch im Bau, im Handel und in der<br />
Landwirtschaft waren die Unternehmen nicht imstande,<br />
drastische Umsatzeinbußen und Produktionseinbrüche<br />
zu verhindern (Tabelle B ).<br />
Die Leistungsschwäche der ostdeutschen Betriebe<br />
wurzelt in den Systemfehlem der jahrzehntelangen<br />
Planwirtschaft (SG 90 Zijfern 11 11,), Über Produktionsprogramme<br />
und Inv'estitionen haben nicht die<br />
Betriebe, sondern Planbehörden entschieden. Vor allem<br />
fehlte der Druck des internationafen Wettbewerbs,<br />
der die Unternehmen <strong>zur</strong> Kostensenkung und<br />
<strong>zur</strong> Marktorientierung ihrer Produktion zwingt und<br />
ihnen fortwährende Innovationsanstrengungen abverlangt.<br />
Als Folge der jahrzehntelangen Abschottung<br />
vom Wettbewerb fehlen den Betrieben aber<br />
nicht allein das erforderliche technologische vVissen,<br />
sondern auch die notwendige Marktkenntnis und Managementerfahrung,<br />
um sich rasch auf die Erfordernisse<br />
freier Märkte einzustellen. Erschwertwird ihnen<br />
die Umstellung durch ein weiteres Erbe der früheren<br />
Kommandowirtschaft: den veralteten, teilweise bereits<br />
verschlissenen und vielfach schon aufgrund immenser<br />
Umweltbelastungen nahezu wertlosen Kapitalstock,<br />
14*. Die Entwicklung der vergangenen Monate hat<br />
immer deutlicher werden lassen, daß eine größere<br />
Anzahl von Betrieben wohl stillgelegt werden muß,<br />
und die meisten anderen nur durch Kooperation mit<br />
westlichen Unternehmen überlebensfähig sein werden.<br />
Für das Ingangkommen der wirtschaftlichen Erneuerung<br />
in Ostdeutschland kommt den Direktinvestitionen<br />
westlicher Unternehmen mithin eine Führungsrolle<br />
zu. Diese sind zwar nach alIWJ vorliegenden<br />
Informationen an Kooperationen mit ostdeutschen<br />
Partnern stark interessiert. Auch sind bereits<br />
zahlreiche Kooperationsverträge abgeschlossen worden,<br />
Aber das Engagement westlicher Unternehmen<br />
richtet sich noch überwiegend auf den Aufbau von<br />
Vertriebsstrukturen oder Servicenetzen, weniger auf<br />
Investitionen in Produktionsstätten. Offenbar stehen<br />
den Vorteilen, die Ostdeutschland als Produktionsstandort<br />
grundsätzlich zu bieten hat - das Fachkräftepotential,<br />
vorhandene Gewerbeflächen und Gewerberäume<br />
- noch gravierende Nachteile gegenüber.<br />
Die Arbeitskräfte müssen vielfach neue Qualifikationen<br />
erlernen und sich mit den Anforderungen der<br />
Marktwirtschaft erst vertraut machen. Vorhandene<br />
Gewerbeflächen sind häufig mit Umweltschäden belastet,<br />
neue werden - vor allem wegen unklarer Eigentumsverhältnisse<br />
- nur zögerlich freigegeben, die<br />
Privatisierung ehemals volkseigener Betriebe stockt,<br />
und allerorten sind Mängel in der produktionsnahen<br />
Infrastruktur zu beklagen. Schließlich haben kurzlaufende<br />
Tarifverträge, in denen weitreichende Rationalisierungsschutzabkommen<br />
und hohe Lohnabschlüsse<br />
vereinbart wurden, in diesem Jahr dazu beigetragen,<br />
die Attraktivität der östlichen Bundesländer<br />
als Investitionsstandort zu vermindern.<br />
15*. Die Erkenntnis, daß sich der Abbau unrentabler<br />
Produktionen im Wettbewerb sehr schnell vollzieht,<br />
der Aufbau einer Marktwirtschaft mit rentablen Arbeitsplätzen<br />
aber Zeit braucht, hat bei den Menschen<br />
in Ostdeutschland vielfach noch nicht die erhollte<br />
Aufbruchstirnmung, sondern Besorgnis um die eigene<br />
wirtschaftliche Zukunft geweckt. Bereits im Oktober<br />
waren rund 540 000 Personen arbeitslos, und nicht nur<br />
die inzwischen 1,8 Millionen Kurzarbeiter müssen um<br />
die gewohnten alten, aber unwirtschaftlichen Arbeitsplätze<br />
bangen. Was den privaten Haushalten an Arbeitseinkommen<br />
und an Transfers zufließt, hat ihnen<br />
zwar schon jetzt einen höheren realen Konsum ermöglicht,<br />
es ist aber weit mehr, als mit dem veralteten<br />
Kapitafstock und der eigenen Arbeitsleistung erwirtschaftet<br />
werden kann. Einkommen und Konsumtion<br />
haben sich von der Produktionsentwicklung abgekoppelt.<br />
Das war vor allem dadurch möglich geworden,<br />
daß Zahlungen von knapp 50 Mrd DM aus dem Bundeshaushalt<br />
und dem Fonds Deutsche Einheit in die<br />
östlichen Bundesländer geflossen sind.<br />
16*. Die westdeutsche Wirtschaft, die sich schon seit<br />
Ende 1982 in einer Aulwärtsentwicklung befindet, hat<br />
ihr Expansionstempo in den letzten drei Jahren noch<br />
einmaf beträchtlich gesteigert (Tabelle q, Während<br />
das in den heiden vorangegangenen Jahren auch einer<br />
kräftig ansteigenden Auslandsnachfrage zu verdanken<br />
war, haben in diesem Jahr binnenwirtschaftliche<br />
Kräfte die Führungsrolle übernommen, Der Aufschwung<br />
hat deswegen nicht an Breite verloren. Alle<br />
großen Wirtschaftsbereiche haben ihre Produktion erhöht<br />
und zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt. Die<br />
Auftragslage ist allenthalben gut, teilweise sogar sehr<br />
gut, und es herrscht Zuversicht, daß sich die Aufwärtsentwicklung<br />
fortsetzen wird. Deutliches Zeichen hierfür<br />
ist, daß die Unternehmen ihre Investitionen in<br />
Sachanlagen und Gebäude nochmafs kräftig aufgestockt<br />
und - in Anbetracht der hohen Kapazitätsauslastung<br />
- stärker auf die Erweiterung der Produktionsmöglichkeiten<br />
ausgerichtet haben.<br />
Der starke Anstieg der Lohnstückkosten und der Ölpreissprung<br />
auf zeitweise über 40 Dollar je Barrel haben<br />
dieses helle Bild bislang nur wenig eingetrübt,<br />
Dabei spielte eine Rolle, daß der Anstieg des Verbraucherpreisniveaus<br />
bis in das zweite Halbjahr hinein<br />
moderat blieb, weil der zusätzlichen Belastung von<br />
der Lohnkostenseite eine Entlastung durch rückläufige<br />
Importpreise gegenüberstand. Nach der Jahresmitte,<br />
als sich der Preis rur Rohöl binnen acht Wochen<br />
verdoppelte, setzte allerdings ein Umschwung in der<br />
Preisentwicklung ein. ZULQ binnenwirtschaftlichen<br />
Preisauftrieb kamen steigende Importpreise hinzu.<br />
Die Verbraucherpreise reagierten schnell und der<br />
Preisauftrieb beschleunigte sich im zweiten Halbjahr<br />
auf eine laufende Jahresrate von schätzungsweise<br />
6vH,<br />
17*. Der Wechsel der Auftriebskräfte war noch viel<br />
ausgeprägter, als wir es im vergangenen Jahr erwar-<br />
4