Jahresgutachten 1990/91 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...
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Drucksache 11/8472 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />
rung der D-Mark hat sich der Nachfragesog aus<br />
Ostdeutschland dann nochmals verstärkt; die statistisch<br />
erfaBten Warenlieferungen beliefen sich allein<br />
im Juli und August auf einen Wert von 3,8 Mrd<br />
DM.<br />
Zur Verstärkung der wirtschaftlichen Dynamik<br />
trug auch bei, daß seit der Öffnung der Grenzen<br />
schätzungsweise eine halbe tvfillion Menschen aus<br />
Ostdeutschland zugewandert sind. Ein großer Teil<br />
von ihnen ist im erwerbsfähigen Alter und allem<br />
Anschein nach haben sie gerade in solchen industriellen<br />
oder handwerklichen Bereichen Engpässe<br />
mildern können, in denen die Unternehmen<br />
in den letzten Jahren Arbeitskräftemangel beklagt<br />
hatten. Gleichwohl sind nicht alle Übersiedler reibungslos<br />
in das Arbeitsleben integriert worden,<br />
vor allem in den Dienstleistungsberufen schmälern<br />
noch vorhandene Qualifikationsdefizite ihre Beschäftigungschancen.<br />
Schließlich war die Erweiterung des Wirtschaftsgebiets<br />
einer der Faktoren, die die Unternehmen in<br />
diesem Jahr zu höheren Investitionen veranlaßten.<br />
Die Öffnung eines zusätzlichen Marktes hat die<br />
Absatzerwartungen, vor allem der Konsumgüterhersteller,<br />
weiter verbessert.' Sicherlich sind die<br />
Konsummöglichkeiten der Bevölkerung in Ostdeutschland<br />
<strong>zur</strong> Zeit noch durch niedrige Realeinkommen<br />
stark begrenzt, aber mit dem zu erwartenden<br />
Anstieg der verfügbaren Einkommen werden<br />
sich dann auch die Absatzchancen in den östlichen<br />
Bundesländern weiter erhöhen.<br />
18*. Die hohe Investitionsbereitschaftwestdeutscher<br />
Unternehmen - die realen Anlageinvestitionen lagen<br />
um 8 vH über dem Vorjahresniveau - spiegelt nicht<br />
allein ihre positiven Absatzerwartungen, sondern sie<br />
beruht auch auf einer schon seit Jahren guten Ertragsund<br />
Finanzierungslage. Da die Produktionskapazitäten<br />
als Folge der wirtschaftlichen Expansionsdynamik<br />
der vergangenen drei Jahre inzwischen hoch ausgelastet<br />
sind, haben die Unternehmen ihre Investitionsausgaben<br />
mehr auf die Erweiterung des Sachkapitalbestandes<br />
gerichtet. Vielfach spielt bei den Investitionsentscheidungen<br />
eine Rolle, daß eine Modemisierung<br />
und Erweiterung des Kapitalbestandes <strong>zur</strong> Vorbereitung<br />
auf den immer näher rückenden EG-Binnenmarkt<br />
notwendig sind. ...<br />
19*. Im Gefolge der kräftigen Investitionskonjunktur<br />
der letzten drei Jahre hat.sich das Wachstum des Produktionspotentials<br />
von 2 vH im Jahre 1987 auf inzwischen<br />
knapp 3 vH erhöht. Damit stieg esimJahre <strong>1990</strong><br />
aber noch immer langsamer als die gesamtwirtschaftliche<br />
Produktion, die um 4 vH expandierte. Die Kapazitätsauslastung<br />
ist infolgedessen nochmals gestiegen,<br />
sie liegt deutlich über dem langjährigen Durchschnitt,<br />
den wir als Normalauslastung ansehen. In der<br />
Bauwirtschaft, einem Bereich, der überwiegend für<br />
den heimischen Markt produziert Wld der internationalen<br />
Konkurrenz nicht in so starkem Maße ausgesetzt<br />
ist wie andere Wirtschaftsbereiche, haben die<br />
Unternehmen aufgrund der hohen Nachfragedynamik,<br />
die zu einer starken Kapazitätsanspannung<br />
führte, und aufgrund eines steigenden Lohnkostendrucks<br />
beträchtliche Preisanhebungen vorgenom-<br />
men. Über das ganze Jahr gesehen dürften die Preise<br />
der Bauproduktion um 6 V2 vH über Vorjahresstand<br />
liegen.<br />
Im Verarbeitenden Gewerbe dagegen sind die Erzeugerpreise<br />
im Verlauf dieses Jahres nur um knapp 2 vH<br />
gestiegen, obwohl auch hier die Produktionskapaziläten<br />
stark beansprucht sind, hohe Auftragsbestände<br />
vorliegen und die Lohnstückkosten beschleunigt steigen.<br />
Stärkeren Preisanhebungen stand hier aber ein<br />
unvermindert intensiver Preiswettbewerb mit Auslandsanbietem<br />
entgegen. So lagen die Einfuhrpreise<br />
für industrielle Fertigwaren im September um 1,8 vH<br />
unter Vorjahresstand.<br />
20*. Die außenwirtschaftliche Entwicklung dieses<br />
Jahres hat einer stärkeren konjunkturellen Überhitzung<br />
aber auch auf andere Weise entgegengewirkt.<br />
Die Auslandsnachfrage ist zwar nochmals gestiegen.<br />
Die Zuwachsrate hat sich aber von 11,5 vH im Jahre<br />
1989 auf 3 vH im Jahre <strong>1990</strong> drastisch verringert,<br />
wenn man die lieferungen nach Ostdeutschland von<br />
den realen Exporten beider Jahre einmal abzieht. Die<br />
Exportabschwächungwar teils Folge einer nicht mehr<br />
ganz so kräftigen Auslandskonjunktur, teils auf die<br />
seit Herbst 1989 sich vollziehende Höherbewertung<br />
der D-Mark <strong>zur</strong>ückzuführen, die deutsche Ausfuhrgüter<br />
verteuerte. Die Einfuhren - wiederum ohne<br />
lieferungen aus Ostdeutschland - sind im Gegensatz<br />
zu den Exporten mit 9 vH nochmals stärker angestiegen<br />
als im Vorjahr. Was an Waren und Diensten aus<br />
dem Ausland importiert wurde, trug entscheidend<br />
dazu bei, die Mehrnachfrage aus den neuen Bundesländern<br />
zu decken. Als Folge dieser Entwicklung ist<br />
der Ausfuhrüberschuß der alten Bundesländer gegenüber<br />
dem Ausland (ohne innerdeutsche lieferungen),<br />
gerechnet in Preisen von 1980, von 71 Mrd DM im<br />
Jahre 1989 auf rund 43 Mrd DM im Jahre <strong>1990</strong> kräftig<br />
<strong>zur</strong>iickgegangen.<br />
21*. Anders als im Vorjahr gingen im Jahre <strong>1990</strong> von<br />
den öffentlichen Haushalten starke expansive Impulse<br />
aus. Als Folge der Steuerrefonn, deren dritte<br />
Stufe zu Beginn des Jahres in Kraft trat, lagen die<br />
Staatseinnahmen nur wenig über ihrem Vorjahresniveau.<br />
Auf der anderen Seite stiegen die Ausgaben des<br />
Bundes durch unentgeltliche Übertragungen an die<br />
DDR, später an die neuen Bundesländer, gewaltig an.<br />
Diese Mehrausgaben wurden nur zu einem kleinen<br />
Teil durch AusgabenkÜfZungen an anderer Stelle finanziert.<br />
Die bedeutendste Finanzierungsquelle war<br />
die Kreditaufnahme am Kapitalmarkt. Das Finanzierungsdefizit<br />
der Gebietskörperschaften belief sich,<br />
einschließlich des neugegIÜ.ndeten Sondervennögens<br />
Fonds Deutsche Einbeit, auf 73 Mrd DM. Wenngleich<br />
eine hohe Nettokreditaufnahrne im Zusammenhang<br />
mit der deutschen Vereinigung unvenneidbar war,<br />
weil Ausgabenkürzungen oder Steueranhebungen<br />
schon aus technischen und rechtlichen Gründen vielfach<br />
nicht kurzfristig durchzuführen sind, so hat es die<br />
Finanzpolitik doch versäumt, die Weichen für kräftige<br />
Einsparungen in den nächsten Jahren zu stellen. Die<br />
hohen Staatsdefizite bergen das Risiko gesamtwirtschaftlieher<br />
Fehlentwicklungen, vor allem dann,<br />
wenn die aufgenommenen Mittel überwiegend konsumtiv<br />
verwendet werden. Zusammen mit der Unsicherheit<br />
über die mittelfristige Entwicklung hat die<br />
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