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Jahresgutachten 1990/91 - Sachverständigenrat zur Begutachtung ...

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Drucksache 11/8472 Deutscher Bundestag - 11. Wahlperiode<br />

lionen im Verlauf des nächsten Jahres in die Prognose<br />

eingestellt. Ende 19<strong>91</strong> wären dann nur noch<br />

6 :tvfillionen Menschen in Arbeit und Brot, rund 31J2<br />

Millionen weniger als Ende 1989.<br />

44*. Der Abbau von dreieinhalb tv1illionen Arbeitsplätzen<br />

bringt für die Menschen in den neuen Bundesländern<br />

große Härten. Aber es fuhrt kein Weg daran<br />

vorbei.<br />

Nach unserer Einschätzung dürfte die Freisetzung<br />

von Arbeitskräften bis Ende 19<strong>91</strong> weitgehend beendet<br />

sein. Schon ab dem Frühjahr 19<strong>91</strong> dürfte es in<br />

einer ganzen Reihe von Bereichen wie im Baugewerbe,<br />

im Handwerk, im Verkehrsgewerbe und im<br />

Dienstleistungsgewerbe verstärkt zu Neueinstellungen<br />

kommen. Spätestens ab dem Frühjahr 1992 dürfte<br />

der Saldo aus Einstellungen und Entlassungen auch<br />

insgesamt wieder positiv sein.<br />

45*. Für die Entwicklung der Löhne haben wir in der<br />

Prognose folgende Setzung vorgenommen. In Westdeutschland<br />

steigen die TilrifIöhne und -gehälter, je<br />

Stunde gerechnet, etwas stärker als in diesem Jahr. In<br />

Ostdeutschland steigen sie etwas schwächer als in<br />

diesem Jahr, der Anstieg in Ostdeutschland wird<br />

gleichwohl etwa zwei- bis dreimal so hoch ausfallen<br />

wie in Westdeutschland. Die Konsequenz wird sein:<br />

Dawie dort wird sich der Lohnkostendruckweiter verstärken.<br />

46*. Die Kombination von zunehmender Kapazitätsauslastung<br />

und zunehmendem Kostendruck verheißt<br />

nichts Gutes für die Preisentwicklung. Auf der Produzentenstufe<br />

sind die Preise in letzter Zeit kräftig angehoben<br />

worden, und aus Konjunkturumfragen läßt sich<br />

herauslesen, daß der Höhepunkt der Preiswelle möglicherweise<br />

noch nicht erreicht ist, sondern erst noch<br />

kommt.<br />

47*, Beim Preisindex für die Lebenshaltung wird<br />

man sich auf höhere Steigerungsraten einstellen müssen.<br />

In den alten Bundesländern veranschlagen wir die<br />

Steigerungsrate beim Preisindex für die Lebenshaltung<br />

im Verlauf und im Durchschnitt des Jahres<br />

auf 3 1 ;' vH.<br />

In den neuen Bundesländern wird die Steigerungsrate<br />

wohl deutlich höher sein, w.eil die Mieten,<br />

die Preise für Energie und die Verkehrstarife<br />

kräftig angehoben werden. Hinzu kommt, daß eine<br />

Reihe öffentlicher Dienstleistungen, die bisher<br />

ohne Entgelt in Ansptuch genommen wurden,<br />

kimftig gebührenpflichtig sind.<br />

Wirtschaftspolitik für 19<strong>91</strong> und danach<br />

Auf dem Wege <strong>zur</strong> wirtschaftlichen Einheit<br />

Deutschlands<br />

(Ziffern 294fl)<br />

48*. Was in den kommenden Jahren, eingebettet in<br />

den fortschreitenden europäischen Einigungsprozeß,<br />

in Deutschland zu einer neuen wirtschaftlichen Einheit<br />

zusammenwachsen soll, ist heute noch höchst<br />

ungleich: der eine Teil- die westdeutsche Volkswirt-<br />

schaft, die nach der Wirtschafts- und Währungsreform<br />

von 1948 ihre eigene marktwirlschaftliche Ordnung<br />

gestaltete, sich zum Weltmarkt hin öffnete und seit<br />

langem einen Spitzenplatz unter den hochentwickelten<br />

Volkswirtschaften einnimmt; der andere Teil ~<br />

die vom Weltmarkt abgeschottete Volkswirtschaft der<br />

ehemaligen DDR mit deren sozialistischer Gesellschaftsordnung<br />

und staatlicher Wirtschaftslenkung.<br />

Nachdem die staatliche Vereinigung vollzogen ist,<br />

stellt sich nun die Aufgabe, die Wirtschaft in den<br />

neuen Bundesländern von Grund auf zu erneuern, um<br />

den Menschen dort die Aussicht auf Lebensbedingungen<br />

zu eröffnen, die gleichwertig mit denen in den<br />

alten Bundesländern sind. Der Rahmen für die Reform<br />

der Wirtschaft im Osten Deutschlands ist mit dem Einigungsvertrag<br />

fest abgesteckt: Es ist der Ordnungsrahmen<br />

der sozialen Marktwirtschaft, so wie ihn die<br />

Bundesrepublik in den gut vier Jahrzehnten ihres Bestehens<br />

gestaltet hat. Nun gilt es, die neue Ordnung<br />

mit Leben zu füllen, um die Neugestaltung der Wirtschaft<br />

und damit die Verbesserung der Lebensverhältnisse<br />

voranzubringen.<br />

49*. Unvorbereitet durch realwirtschaftliche Reformen<br />

steckt die Wirtschaft in den neuen Bundesländern<br />

Ende <strong>1990</strong> in großen Schwierigkeiten, sich im<br />

Wettbewerb zu behaupten. Angesichts der beträchtlichen<br />

Diskrepanz zwischen Marktanforderungen und<br />

Leistungsvennögen kommt das nicht überraschend;<br />

daß sich nach dem 1. Juli <strong>1990</strong> viele Unternehmen als<br />

nicht wettbewerbsfähig erweisen würden, war zu erwarten.<br />

Es bestand jedoch die weit verbreitete Hoffnung,<br />

daß es nach dem Inkrafttreten der Währungs-,<br />

Wirtschafts- und Sozialunion zu einem raschen Anstieg<br />

der Investitionen und damit <strong>zur</strong> Schaffung einer<br />

zunehmenden Zahl neuer Arbeitsplätze als Ausgleich<br />

für den Wegfall unrentabler alter Arbeitsplätze kommen<br />

werde. Diese Hoffnung hat sich bisher nicht erfüllt.<br />

Wie bei allen anderen zukunftsgerichteten Aktivitäten<br />

~ Umschulung, Qualifizierung, Umstellung<br />

der Produktion ~ ist der mitreißende Schwung einer<br />

Aufbruchstimmung ausgeblieben. Eigeninitiative<br />

entfalten, Risiken eingehen und Verantwortung übernehmen,<br />

will nach über vierzigjähriger Gewöhnung<br />

an sozialistisches Wirtschaften erst wieder gelernt<br />

sein. Eine neue Währung und neue Gesetze können<br />

über Nacht eingeführt werden, die marktwirtschaftliche<br />

Erneuerung der Betriebe und Verwaltungen hingegen<br />

braucht ebenso ihre Zeit wie das Umdenken<br />

der Menschen. Abwartend haben sich bislang auch<br />

westliche Investoren verhalten. Die Grunde dafür sind<br />

zahlreich. In vielen Fällen sind Eigentumsverhältnisse<br />

an Grund und Boden nach wie vor nicht geklärt,<br />

ebenso mögliche Altrechte an Betrieben, beides Investitionshemmnisse<br />

ersten Ranges; zu wenig war vorbereitet,<br />

zu wenig hat sich geregt, um den Abbau der<br />

gravierenden Infrastrukturmängel in Gang zu bringen;<br />

zu lange haben initiativlose und teilweise auch<br />

unwillige Verwaltungen das Aufkommen des Neuen<br />

erschwert. Zu stark blieb bis heute der Einfluß der<br />

alten"Seilschaften" in Betrieben und Ämtern. Hinzu<br />

kommt, daß kräftige Lobnsteigerungen und rasch<br />

noch vor der Einführung der Währungs-, Wirtschaftsund<br />

Sozialunion vereinbarte Kündigungsschutzregelungen<br />

den ostdeutschen Standort auch von der Kostenseite<br />

her nicht attraktiver gemacht haben.<br />

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