Download NÄHER dran, Nr. 30 / Dezember 2010 - Leipzig ...
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Buchgestaltung<br />
als akademische Disziplin<br />
Nicht nur die technische Entwicklung,<br />
sondern vor allem die<br />
liberalere Handhabung von<br />
Zensur-Bestimmungen und die<br />
Aktivitäten der Buchhändler erbrachten<br />
Mitte des 18. Jh. für<br />
<strong>Leipzig</strong> die Dominanz der deutschen<br />
Buchmesse. Bedeutende<br />
hier ansässige Verlage und<br />
Druckereien wie Philipp Reich,<br />
Johann Breitkopf und Georg<br />
Göschen schufen die Vor aussetzungen<br />
für den Bedarf einer<br />
entsprechenden Schule. Diese<br />
ließ der sächsische Kurfürst 1764<br />
auch in <strong>Leipzig</strong> einrichten. Hier<br />
gab es die Identität von Zeichnung,<br />
Kupferstich und der Pfle -<br />
ge der Buchkunst. Unter dem<br />
„Druck“ der Branche (Brockhaus,<br />
Teubner, Tauchnitz, Drugulin)<br />
öffnete 1890 das neue Gebäude<br />
für die „Königliche Kunstaka demie<br />
und Kunstgewerbeschule“<br />
in der Wächterstraße für die<br />
Studenten. Mit Werkstätten für<br />
Holzschnitt, Lithografie, Radierung<br />
und ab 1893 auch für<br />
Fotografie. Rektor Max Seliger<br />
orientierte die 1900 umbe -<br />
nannte „Akademie für graphische<br />
Künste und Buchgewerbe“<br />
vor allem auf die Grafik und das<br />
Buch. Nach dem Ersten Weltkrieg<br />
kam es unter der Leitung von<br />
Walter Tiemann zur Blüte der<br />
Bildungsstätte. Aus seiner Zusammenarbeit<br />
mit Carl Poeschel<br />
(Januspresse bis 1925) und<br />
Anton Kippenberg (Insel-Verlag)<br />
erwuchsen die ästhetischen Leitlinien<br />
der Buchkunst. Ein Buch<br />
sollte in einer seinem Inhalt entsprechenden<br />
Satz schrift gesetzt,<br />
typografisch praktisch eingerichtet,<br />
sorgfältig gedruckt, haltbar<br />
gebunden und in einer unaufdringlichen<br />
Art schön sein. Ohne<br />
modische Trends. Lohn dieser<br />
Mühen war die „Inter nationale<br />
Buchkunst ausstellung in <strong>Leipzig</strong>“<br />
1927, deren Ein sendungen den<br />
Grundstock des Buch- und<br />
Schriftmuseums der Deutschen<br />
Nationalbibliothek bildeten. Die<br />
nach dem Krieg 1947 wiedereröffnete<br />
nunmehrige „Hochschule<br />
für Grafik und Buchkunst<br />
<strong>Leipzig</strong>“ widmete sich ab 1951<br />
verstärkt der Buch gestaltung.<br />
Bedeutende Buch künstler wie<br />
Oskar Zech, Albert Kapr, Gert<br />
Wunderlich, Günter Jacobi führten<br />
die Hochschule in den 1960er<br />
Jahren wieder zu einer internationalen<br />
Ausstrahlung. Der Gedanke<br />
einer „Massenbibliophilie“<br />
ließ sich auf Dauer nicht<br />
durchsetzen. Auf Anregung Albert<br />
Kapr´s wurde 1955 das<br />
„Institut für Buch kunst“ gegründet.<br />
Es arbeitet heute unter der<br />
Die Ambition, moderne Technik und handwerkliches Können zu verbinden,<br />
ist ein Spezifikum der Hochschule für Grafik und Buchkunst <strong>Leipzig</strong> (HGB)<br />
Leitung von Professor Günter<br />
Bose an theoretischen Texten zur<br />
Typografie, Illustration oder der<br />
Schrift entwicklung. Der 1959<br />
ge stiftete „Gutenbergpreis der<br />
Stadt Leip zig“ wird alternierend<br />
mit dem „Walter Tiemann-Preis“<br />
aller zwei Jahre verliehen.<br />
Letzteren schreibt der Verein<br />
zur Förderung von Grafik und<br />
Buchkunst seit 1992 für künstlerische<br />
Pressen drucke (in Kleinauflagen)<br />
aus. War der Übergang<br />
vom Blei- zum Fotosatz mittelfristig,<br />
so musste die elektronische<br />
Satz technik quasi über Nacht für<br />
den Lehrbetrieb installiert werden.<br />
Offen für alle An forderungen<br />
zukunftsweisender Technologien<br />
und Medien ist die Ausbildung<br />
gestaltet. Als Spezi fi kum des Studiengangs<br />
Buch kunst/Grafik-Design,<br />
den 14 Lehr kräfte, davon<br />
sechs Pro fes soren, betreuen, gilt<br />
die Verbin dung modernster Technik<br />
mit handwerklichem Können.<br />
Letzteres braucht Zeit. „Wir gestalten<br />
heute mit Kunst büchern<br />
mehr bibliophilen Luxus, weniger<br />
die Massenproduktion von Verlagen“,<br />
stellen Stu dierende in einem<br />
Ge spräch über das Büchermachen<br />
fest.<br />
www.hgb-leipzig.de<br />
Martin Leipnitz (Seiten 18–19)<br />
Die Stadt der Bücher<br />
Eingang der HGB in der<br />
Wächterstraße 11<br />
Buchkünstler Walter Tiemann<br />
(1876 –1951)<br />
<strong>NÄHER</strong>><strong>dran</strong> <strong>Nr</strong>. <strong>30</strong>/<strong>Dezember</strong> <strong>2010</strong> – Februar 2011 19