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Leipziger Verlagsszene – Tradition und Gegenwart
Im Rückblick scheint das Glück
immer größer gewesen zu sein
als in der Gegenwart, doch das
verdeckt nicht selten den Blick
auf das Glück im Hier und Jetzt.
Das Glück der Vergangenheit:
Leipzig war einst die Verlags-
und Druckereistadt Nummer eins
in Deutschland. 1912 firmierten
in Leipzig 982 Verlage und
Sortimentsbuchhandlungen sowie
300 Druckereien und
Setzereien. Fast jedes fünfte
Buch kam damals aus Leipzig.
Doch das Graphische Viertel und
mit ihm die Verlegerszene wurde
durch den 2. Weltkrieg nahezu
zerstört und so sind heute von
dieser einzigartigen Tradition geschrumpfte,
wenn auch vitale
Strukturen übrig geblieben: die
Niederlassung des Ernst Klett
Schulbuchverlags in Leipzig, der
1858 gegründete Bildbandverlag
Seemann-Henschel, die Fachbuchabteilung
des Münchner
Hanser Verlags oder traditionsreiche
Musikverlage wie Breitkopf
& Härtel. Nahtlos gliedern
sich Traditionen der DDR in die
Leipziger Verlagslandschaft ein,
etwa mit dem Buchverlag für die
Frau oder der 1946 gegründeten
Evangelischen Verlagsanstalt.
Doch auch nach der Wende blieb
der Nimbus der Verlagsstadt erhalten
und es wurden erfolgrei-
che Klein- und Special-Interest-
Verlage gegründet, etwa der
Festa-Verlag (eine starke Marke
im Horror- und Vampirbereich)
sowie die höchst erfolgreichen
Kinderbuchverlage Bleilaus,
Buch kinder und Klett Kinderbuch.
In Leipzig finden Kleinverlage die
Nische, die sie für ihre Kreativität
brauchen: Räume sind günstig zu
haben, das bietet – im wahren
wie im übertragenden Sinne –
Platz für Ideen; die Wege sind
kurz, die Stadt mit 520.000
Einwohnern gerade groß genug,
dass eine kreative Verdichtung
entsteht, und nicht zu groß, so
dass sich Synergien schnell nutzen
lassen. Über verschiedene
Vereine und Netzwerke kennt
immer jemand jemanden. Ein
günstiges Studio für Hörbuchproduktionen?
Grafiker? Freie
Lektoren oder Übersetzer? In
Leipziger Netzwerken kein Problem.
Hinzu kommt die Vernetzung
auf der Mikroebene. In
diversen Bürogemeinschaften
entstehen mit den kreativen
Netz werken auch die Arbeitsformen
der Zukunft. Hier wäscht
auch mal eine Hand die andere,
man erteilt sich gegenseitig
Aufträge oder kann in Stoßzeiten
Auftragsspitzen abfedern.
Eingebunden in dieses Netzwerk
sind junge Verlage, die mittlerweile
deutschlandweit etabliert
sind. Seit 2005 ist zum Beispiel
der Poetenladen am Netz, zunächst
als reine Online-Plattform,
mittlerweile als Verlag mit
echten und prämierten Büchern.
Für sein „beispielhaftes Konzept
zur Förderung der jungen
Literatur“ wurde das Magazin
„poet“ 2010 mit dem Calwer
Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet.
Nicht minder innovativ
geht der Verlag Voland und
Quist mit seinen Publikationen
vor. Neue Medien stehen auch
hier im Zentrum, denn dieser
Verlag hat „Bücher mit CDs“
zum Markenzeichen gemacht.
Einen völlig neuartigen Ansatz
des Publizierens literarischer
Texte verfolgt die Snippy GmbH.
Sie hat sich auf das Veröffentlichen
von Kurz ge schichten
auf Smartphones wie dem
iPhone spezialisiert – die neue
Art des Verlegens.
Leipziger Kleinverlage sind ganz
vorn dabei wenn es darum geht,
neue Autoren zu entdecken und
Trends zu setzen. Eine Tradition
zu haben, ist schön und gut,
aber, wie heißt es schon bei
Buddha: „Beschäftige dich nicht
mit dem Vergangenen, denn es
liegt hinter dir. Richte deine
Hoffnungen nicht auf das Zukünftige,
denn es ist noch nicht
da. Lenke stattdessen deine
Achtsamkeit auf die Gegenwart,
betrachte das, was gerade entsteht.“
André Hille (Seiten 20–21)
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