Februar 2012 - Der Neusser
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<strong>Neusser</strong> Leben <strong>Der</strong> <strong>Neusser</strong> 02.<strong>2012</strong><br />
Karneval und Kirche im<br />
Rheinland – Ein jeckes Paar?<br />
Die „fünfte“ Jahreszeit hat schon längst am „11.11. um<br />
11 Uhr 11“ begonnen, aber der Höhepunkt steht noch bevor:<br />
vom Altweiber-Donnerstag am 16. <strong>Februar</strong> bis zum<br />
Aschermittwoch am 22. <strong>Februar</strong> wird im Rheinland und<br />
hier in Neuss hemmungslos gefeiert, gesungen, geschunkelt,<br />
getanzt und gelacht. Doch was hat dieses jecke Treiben mit<br />
der Kirche zu tun? Jedenfalls mehr als den meisten Karnevalsbegeisterten<br />
heute noch bewusst ist.<br />
Annelie Höhn-Verfürth<br />
den christlichen Glauben gäbe es den Karneval in<br />
der uns hier bekannten Form nicht“, davon ist Monsi-<br />
„Ohne<br />
gnore Guido Assmann, Oberpfarrer am St. Quirinus-<br />
Münster überzeugt. Und damit liegt er absolut richtig. „Fastnacht,<br />
Fasching oder Karneval sind seit dem 12. Jahrhundert auf die Zeit<br />
zwischen Dreikönige und Aschermittwoch eingegrenzt. Warum?<br />
Weil Fastnacht – also die Nacht vor dem Fastenbeginn – (…) am<br />
Vorabend des Fastenauftakts am Aschermittwoch entstand und<br />
sich dann ausweitete“, erklärt der Brauchtumsexperte Professor<br />
Manfred Becker-Huberti. Das Karnevalsfest auch in seiner heutigen<br />
Form hängt also unmittelbar mit der vorösterlichen Fastenzeit<br />
der Katholiken zusammen. Diese Fastenzeit war gerade im<br />
Mittelalter noch eine strenge Angelegenheit. Verboten waren 40<br />
Tage lang „Fleisch, Fett, Alkohol und alle Laktizinien (Milch, Butter,<br />
Käse ...) und Eier“, so der Theologe aus dem Rhein-Kreis Neuss.<br />
Für die Menschen damals ergab sich daraus laut Becker-Huberti<br />
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folgendes: „In<br />
den Zeiten,<br />
in denen man<br />
nichts von den<br />
verbotenen Lebensmitteln<br />
über<br />
die Fastenzeitaufbewahren<br />
konnte,<br />
(…) blieb<br />
nur eins<br />
übrig: Die Lebensmittel mussten gegessen und getrunken werden.<br />
Das geht am besten, wenn man zusammen feiert, singt,<br />
tanzt, isst und trinkt“.<br />
Kumm, loss mer fiere<br />
Natürlich gab es auch schon viel früher karnevalsähnliche Feste,<br />
etwa die römischen Saturnalien, bei denen scherzhaft die Rollen<br />
von Sklaven und Herren vertauscht wurden oder germanische<br />
Vorfrühlings- und Fruchtbarkeitsfeste, an denen symbolisch der<br />
Winter vertrieben werden sollte. Aber „ab dem 12. Jahrhundert<br />
entsteht die Fastnacht als ein quasi religiöses Brauchtum“, sagt<br />
Becker-Huberti. Es ist ja auch kein Zufall, dass das Datum der<br />
Karnevalstage variiert. Es richtet sich nämlich immer nach dem<br />
Ostertermin und der vorhergehenden Fastenzeit. Während die<br />
Fastenzeit als „Zeit des Geistes“ die Menschen auf das Leiden,<br />
den Tod und die Auferstehung Christi vorbereiten sollte, wurde<br />
die Fastnacht entsprechend „zu einer Zeit des Fleisches, in der alles<br />
– natürlich nur in gespielter Form! – erlaubt war, was sonst<br />
nicht toleriert wurde. Man schlüpfte in die Rolle der Feinde der<br />
Christenheit und wurde Teufel, Hexe oder Dämon“, so der Professor.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Neusser</strong> Oberpfarrer Assmann ergänzt dazu: „<strong>Der</strong> Christ<br />
weiß, beides gehört zum Leben: Zeit des Feierns und Zeit der Besinnung.<br />
Daher wird besonders im katholisch geprägten Rheinland<br />
Karneval gefeiert“. Auch er selbst feiert gerne mit, etwa im<br />
Pfarrkarneval oder beim „Nüsser Ovend“: „Ich freue mich, wenn<br />
Kirche und Karneval die Verbindung eingehen, die ihr vom Ursprung<br />
auch gut zu Gesichte steht.“ So gibt es schon seit drei<br />
Jahren zu Jahresbeginn eine eigene Messe in St. Quirinus für die<br />
<strong>Neusser</strong> Karnevalisten: „Das ist eine farbenfrohe Feier, mit Freude<br />
und allem notwendigen Ernst.“<br />
Übrigens: Sogar im Wort „Karneval“ selbst steckt der Bezug zur<br />
Fastenzeit. Das lateinische „Carne vale“ bedeutet nämlich so viel<br />
wie „Fleisch, lebe wohl“. Doch zuerst sagen wir: „Ons Nüss helau!“<br />
Foto: stpe / photocase.com