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HEFT 16: Juni 2006 THEMA: Nachhaltigkeit bedeutet ... HEFT 16 ...

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<strong>Nachhaltigkeit</strong> heißt …<br />

Überwindung von Armut – Gleichstellung von Mann und Frau – Medizinische Grundversorgung für alle – Umweltschutz – Ländliche Entwicklung<br />

Bildung für Nachhaltige Entwicklung:<br />

Chancen und Herausforderungen<br />

Ich möchte in diesem Beitrag einige Schlaglichter<br />

auf den aktuellen Diskurs zur Bildung<br />

für Nachhaltige Entwicklung werfen.<br />

Nachhaltige Entwicklung ist ein offener<br />

und kontroversiell diskutierter Begriff. Auf<br />

der anderen Seite ist die aktuelle gesellschaftliche<br />

Verfasstheit durch Pluralität<br />

und Widersprüche charakterisiert. Offene<br />

Begriffe haben die Chance, in offenen<br />

Gesellschaften Resonanz zu finden. Dies<br />

ist zurzeit in der Diskussion um Nachhaltige<br />

Entwicklung und der damit verbundenen<br />

Bildungsdiskussion fest zu stellen.<br />

Nachhaltige Entwicklung bietet meines<br />

Erachtens eine fruchtbare Hintergrundfolie<br />

für die Herausforderung, auf komplexe<br />

widersprüchliche Fragen aktueller Gesellschaftsentwicklung<br />

angemessen, aber auch<br />

bewältigbar komplex zu reagieren und diese<br />

gerade nicht beispielsweise auf eine<br />

einseitige Perspektive zu verengen. Die<br />

Bildungsdebatte unterstützt diese Abwehr<br />

von Engführungen.<br />

Eine grundlegende Frage lautet: Geht es<br />

um eine Bildung für Nachhaltige Entwicklung<br />

als ergänzendes Segment der bestehenden<br />

Bildungslandschaft, oder geht es<br />

um eine umfassende zukunftsfähige<br />

Bildung, die ein friedliches, solidarisches<br />

gesellschaftliches Zusammenleben in Freiheit<br />

und damit eine Zukunft in einer Welt<br />

nachhaltiger Entwicklung möglich macht?<br />

Im Rahmen der UNO-Dekade Bildung für<br />

Nachhaltige Entwicklung (2005–2014) wird<br />

letztere Auffassung vertreten (vgl. UNESCO<br />

2004). Es geht also um eine Bildung, welche<br />

die individuelle Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit<br />

der Menschen im Sinne einer<br />

ökonomisch, ökologisch und sozial zukunftsfähigen<br />

Lebensperspektive zu ihrem zentralen<br />

Anliegen macht. Eine solche Bildung<br />

braucht zeitgemäße Didaktiken, also Formen<br />

der Vermittlung und Gestaltung von<br />

Lernprozessen, die Eigentätigkeit, Selbstständigkeit,<br />

Mitbestimmung und Solidarität<br />

mit einschließen (vgl. Heinrich et al. <strong>2006</strong>).<br />

In einigen reformorientierten Projekten<br />

– wie beispielsweise den UNESCO Schulen<br />

– wurden und werden Erfahrungen dazu<br />

gesammelt.<br />

Lernen <strong>bedeutet</strong> im Hinblick auf nachhaltige<br />

Entwicklung, in konkreten Handlungsfeldern<br />

Fragen zu bearbeiten, wie<br />

sich die Zukunft nachhaltig gestalten lässt.<br />

Solches Lernen schließt genaues Beobachten,<br />

Analyse, Bewertung und Gestaltung<br />

einer konkreten Situation im Sinne von<br />

kreativen und kooperativen Prozessen mit<br />

ein. „Reflektierte Gestaltungskompetenz“<br />

– und gerade nicht „blinde Aktion“ oder<br />

nicht hinterfragte Handlungsmuster – ist<br />

ein Hauptziel des Lernens. Ausgangspunkte<br />

können ökologische, soziale, ökonomische<br />

und politische Dimensionen sein. Gemeinsam<br />

erarbeiten „Communities of Learners“<br />

(LehrerInnen, SchülerInnen, StudentInnen,<br />

WissenschafterInnen) Zusammenhänge<br />

und Handlungsoptionen, intervenieren und<br />

reflektieren die Handlungen. Es werden vor<br />

allem der kritisch prüfende Umgang mit<br />

Wissen angesichts einer enormen Informationsfülle,<br />

die Entwicklung von Selbstwertgefühl,<br />

Selbstbestimmung sowie Eigeninitiative<br />

und zugleich soziale Kompetenzen<br />

– wie beispielsweise Partizipationsfähigkeit<br />

– angesprochen und herausgefordert (vgl.<br />

Rauch 2004, 2004 a).<br />

Kann Bildung für Nachhaltige Entwicklung<br />

einen Impuls für Innovationen und<br />

Lernen in der Schule bewirken? Eine Verknüpfung<br />

von Ausprägungen der regulativen<br />

Idee einer nachhaltigen Entwicklung<br />

und damit verbundenen Bildungsprozessen<br />

(vgl. Minsch 2000) mit dem Reformkonzept<br />

von Schulentwicklung scheint sinnvoll,<br />

da Parallelitäten in den charakteristischen<br />

Merkmalen gezogen werden können. Für<br />

aktuelle pädagogische Reformkonzepte<br />

können folgende Basistheoreme gelten (vgl.<br />

De Haan & Harenberg 1999, S. 78):<br />

• Ein reflexives Verständnis von Bildung,<br />

bei dem Selbstständigkeit, Selbstbestimmung,<br />

Kommunikation, Kooperation<br />

und Reflexion im Zentrum stehen.<br />

• Gestaltungsautonomie für Schulen als<br />

Konzept der Demokratisierung und<br />

Ausdifferenzierung.<br />

• Schulprogramme als dynamische<br />

Instrumente der Unterrichts- und<br />

Schulentwicklung.<br />

• Öffnung der Schule zur Gestaltung des<br />

Verhältnisses von Schule und Umfeld.<br />

Blickt man auf der anderen Seite auf das<br />

<strong>Nachhaltigkeit</strong>skonzept, so wird versucht<br />

durch Kriterien die Dimensionen Ökologie,<br />

Gesellschaft, Ökonomie und Institutionen<br />

zu konkretisieren. Für die institutionellpolitische<br />

Dimension lauten einige dieser<br />

Kriterien (vgl. Minsch 2000, S. 42):<br />

• Resonanzfähigkeit: Institutionen tragen<br />

dazu bei, die Resonanzfähigkeit der<br />

Gesellschaft gegenüber ökologischen,<br />

ökonomischen und sozialen Problemlagen<br />

zu stärken.<br />

• Reflexivität: Institutionen tragen dazu<br />

bei, eine über die Grenzen partikularer<br />

gesellschaftlicher Bereiche hinausgehende<br />

Reflexion gesellschaftlichen<br />

Handelns zu ermöglichen.<br />

• Selbstorganisation: Die Steuerungsfähigkeit<br />

der Gesellschaft beruht auf den<br />

Selbstorganisationspotentialen sozialer<br />

Systeme.<br />

• Machtausgleich: Institutionen tragen<br />

dazu bei, die unterschiedlichen Artikulations-<br />

und Einflussmöglichkeiten<br />

verschiedener AkteurInnen bzw. Akteursgruppen<br />

auszugleichen.<br />

Parallelitäten und Überschneidungen zwischen<br />

den beiden Merkmalslisten machen<br />

deutlich, dass eine Schule, die sich im Kontext<br />

der oben genannten Schulentwicklungstheoreme<br />

mit nachhaltiger Entwicklung<br />

befasst, sich auch dort entwickeln<br />

kann und einen Beitrag zur nachhaltigeren<br />

Gestaltung der Gesellschaft leisten kann.<br />

Betont werden soll auch, dass abgehobene<br />

Leitbilder systematisch Ohnmacht<br />

erzeugen – dies vor allem deshalb, weil sie<br />

in ihrem allumfassenden Anspruch das<br />

Individuum überfordern. Zum einen wird<br />

das Individuum mit einer Vielzahl unverbindlicher<br />

Konkretisierungsmöglichkeiten<br />

konfrontiert und zum anderen fehlen die<br />

Voraussetzungen, die je unterschiedlichen<br />

Konkretisierungsvorstellungen und -interessen<br />

zwischen den Menschen zu koordinieren.<br />

Diese Ohnmacht kann willkommener<br />

Vorwand sein, mangelnde Phantasie und<br />

mangelnden Willen zu verschleiern, mit der<br />

Folge, entweder nichts zu tun, oder aber<br />

jedwede beliebige Initiative oder Maßnahme<br />

unter das Label einer Bildung für Nachhaltige<br />

Entwicklung zu fassen.

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