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BEITRÄGE<br />
182<br />
Stammesreligionen auf (Initiationsriten).<br />
Brasilien bietet einige afroamerikanische<br />
Geheimkulte und für Tante<br />
Marthe ein Liebesabenteur; in Nordamerika<br />
wird <strong>de</strong>r Protestantismus angeschaut.<br />
Bei Theos Großmutter<br />
Theano in Athen laufen die Fä<strong>de</strong>n<br />
schließlich zusammen: Der mittlerweile<br />
geheilte Theo zieht mit Hilfe<br />
<strong>de</strong>s Bil<strong>de</strong>s vom Baum Bilanz über die<br />
Religionen.<br />
Der Roman erschien 1998 erstmalig<br />
in <strong>de</strong>utscher Sprache und hat <strong>als</strong><br />
Taschenbuch nun bereits die 6. Auflage<br />
hinter sich. Aus verschie<strong>de</strong>nen<br />
Grün<strong>de</strong>n (Länge, Handlung, Enzyklopädismus<br />
und <strong>de</strong>rgleichen mehr) hat<br />
er nicht immer geneigte Rezensoren<br />
gefun<strong>de</strong>n. Auch aus religionspädagogischer<br />
Sicht lässt er an einigen Stellen<br />
hellhörig und aufmerksam wer<strong>de</strong>n:<br />
Sollte am En<strong>de</strong> eines Bildungsprozesses<br />
nichts weiter <strong>als</strong> die zwar<br />
sehr reflektierte (und äußerliche) Einsicht<br />
stehen, dass Religionen irgendwie<br />
auf das Heil bezogen, sie „ganz<br />
schön ähnlich“ sind, Jesus und Joseph<br />
Smith es verdient haben, in einem<br />
Atemzug genannt zu wer<strong>de</strong>n?<br />
Das im Bild <strong>de</strong>s Baumes veranschaulichte<br />
Fazit entspricht im wesentlichen<br />
<strong>de</strong>n vor allem aus <strong>de</strong>m angelsächsischen<br />
Raum stammen<strong>de</strong>n Positionen<br />
<strong>de</strong>s sogenannten religionstheologischen<br />
Pluralismus. Von seinen Vor<strong>de</strong>nkern<br />
J. Hick o<strong>de</strong>r W.C. Smith wird<br />
darin in erster Linie positiv auf die Pluralität<br />
<strong>de</strong>r Religionen reagiert, in<strong>de</strong>m<br />
<strong>de</strong>r religionstheologische Pluralismus<br />
in <strong>de</strong>n Weltreligionen die unterschiedlichen<br />
Arten und Weisen ausgebil<strong>de</strong>t<br />
sieht, wie sich die Menschen auf das<br />
Gesamte <strong>de</strong>r Wirklichkeit und die<br />
Transzen<strong>de</strong>nz beziehen bzw. diesen<br />
Bezug symbolisch ausgestalten. Prägnant<br />
heißt es in John Hicks Philosophie<br />
<strong>de</strong>s religiösen Pluralismus (309):<br />
„Es gibt eine Vielfalt von göttlichen<br />
Offenbarungen, die eine Vielfalt von<br />
Formen heilshafter menschlicher Antwort<br />
ermöglicht.“ Vor allem mit Hinweis<br />
auf <strong>de</strong>n weltweit zu führen<strong>de</strong>n<br />
interreligiösen Dialog gelten die pluralistischen<br />
Positionen heute <strong>als</strong> eine<br />
Art Allheilmittel im Sinne einer Dialogbasis,<br />
auf die sich alle Religionen<br />
einlassen könnten.<br />
Catherine Cléments Roman leistet<br />
zwar einer freundlichen und unentschie<strong>de</strong>nen<br />
Sichtweise <strong>de</strong>r Religion<br />
gute Dienste, ist jedoch mit einer religionspädagogischen<br />
Position aus guten<br />
Grün<strong>de</strong>n nicht überein zu bringen<br />
– dies nicht nur <strong>de</strong>swegen nicht, weil<br />
Jugendliche <strong>de</strong>r eigenen und <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />
Religionen ohnehin tolerant<br />
und/o<strong>de</strong>r indifferent begegnen: Geht<br />
man davon aus, dass Religion eine<br />
wichtige Rolle bei <strong>de</strong>r Ausbildung <strong>de</strong>r<br />
eigenen I<strong>de</strong>ntität spielt und <strong>de</strong>r Religionsunterricht<br />
dabei einen wichtigen<br />
Beitrag zu leisten hat, so kann sich <strong>de</strong>r<br />
Religionsunterricht nicht auf eine Position<br />
zurückziehen, die einen bloß<br />
metatheoretischen Blick auf die Welt<br />
<strong>de</strong>r Religionen wirft. I<strong>de</strong>ntitäten entwickeln<br />
sich in Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen,<br />
Dialogen, Begegnungen und Wi<strong>de</strong>rfahrnissen,<br />
für die alle gleichermaßen<br />
das zur Entwicklung stehen<strong>de</strong><br />
Haben einer eigenen Positionen wenigstens<br />
vorauszusetzen ist. Hierin<br />
zeigt sich gewissermaßen die natürliche<br />
Differenz zwischen einer bloßen<br />
Religionskun<strong>de</strong> und einem Religionsunterricht<br />
konfessioneller Prägung:<br />
<strong>Diese</strong>r nämlich will junge Menschen<br />
dazu befähigen, eine eigene I<strong>de</strong>ntität<br />
innerhalb einer religiösen Tradition<br />
aufzubauen, um sie darin auch religionsmündig<br />
wer<strong>de</strong>n zu lassen.<br />
<strong>Diese</strong>r wichtige Aspekt ist bei Clément<br />
keineswegs ausgeblen<strong>de</strong>t, er begegnet<br />
in <strong>de</strong>m enzyklopädischen Bildungsroman<br />
jedoch auf einer an<strong>de</strong>ren<br />
Ebene: Theo selbst trifft während seiner<br />
Reise eben gera<strong>de</strong> nicht auf religiös<br />
indifferente Menschen. In all ihren Vertretern<br />
artikulieren sich die Religionen<br />
engagiert und selbstbewusst. Und genau<br />
unter <strong>de</strong>r Voraussetzung erweisen<br />
sie sich <strong>als</strong> dialogfähig und tolerant,<br />
dass sie aus ihrer Tradition heraus etwas<br />
zu sagen haben. Durch die schließlich<br />
erfolgte Einebnung läuft <strong>de</strong>r Roman<br />
Gefahr, sein Grundmotiv, die Reise,<br />
ad absurdum zu führen. Auch wenn<br />
diese selbst natürlich <strong>de</strong>r Literalität geschul<strong>de</strong>t<br />
ist und <strong>als</strong> solche im Religionsunterricht<br />
kaum einzulösen sein wird,<br />
gibt sie möglicherweise ungewollt eine<br />
wichtige Zielgröße vor, nämlich Religionsunterricht<br />
auf das Lernen in Begegnung<br />
und Dialogizität mit an<strong>de</strong>ren Religionen<br />
hin auszurichten.<br />
Matthias Werner ist Studienrat an <strong>de</strong>r<br />
Marienschule, Limburg. Bis 2005 war<br />
er wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />
Lehrstuhl für Systematische Theologie<br />
an <strong>de</strong>r Justus-Liebig-Universität,<br />
Gießen.<br />
Clément, Catherine: Theos Reise. Roman über die Religionen<br />
<strong>de</strong>r Welt (dtv 12887) – München: Deutscher Taschenbuch<br />
Verlag 6 2006 (Original bei Hanser 1997)<br />
INFO 36 · 4/2007