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BEITRÄGE<br />

170<br />

diese aus eigener Kraft nicht mehr weiter<br />

kommen. Wer aus eigener Kraft<br />

nicht zum Erfolg in <strong>de</strong>r Liebe kommt,<br />

wen<strong>de</strong>t sich an Aphrodite um Hilfe.<br />

Wer aus eigener Kraft nicht die sichere<br />

Überfahrt über das Meer garantieren<br />

kann, bringt <strong>de</strong>m Poseidon ein Opfer.<br />

Wer nicht sicher ist, ob er aus eigener<br />

Kraft <strong>de</strong>n Feind besiegen kann, wen<strong>de</strong>t<br />

sich an Mars. Wer sich um die Fruchtbarkeit<br />

seiner Fel<strong>de</strong>r sorgt, weiß eine<br />

himmlische Adresse. Ja, je<strong>de</strong>s menschliche<br />

Interesse hat eine himmlische<br />

Adresse, an die es sich wen<strong>de</strong>n kann,<br />

wenn übernatürliche Hilfe gebraucht<br />

wird. Alle Gottheiten <strong>de</strong>s Polytheismus<br />

sind funktional, sie repräsentieren die<br />

kollektive I<strong>de</strong>ntität <strong>de</strong>r Stadt <strong>als</strong> Stadtgottheiten,<br />

sie repräsentieren die Kraft<br />

<strong>de</strong>s Wassers <strong>als</strong> Flussgötter, sie wohnen<br />

an <strong>de</strong>n markanten Punkten <strong>de</strong>r Erdoberfläche,<br />

auf Bergspitzen, und sie<br />

sind eng verwandt mit <strong>de</strong>m, was sich<br />

die menschliche Fantasie an Partnerschaften<br />

in <strong>de</strong>r Natur fingiert. Aber! –<br />

Nun kommt`s: Wer die Funktionen dieser<br />

Götter beschreibt, hat sie schon entzaubert;<br />

<strong>de</strong>nn ihre Funktionalität ist<br />

<strong>de</strong>r erste und vielleicht entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Schritt, <strong>de</strong>n geistigen Mechanismus zu<br />

erkennen, <strong>de</strong>r hier in unserem Bewusstsein<br />

wirkt. Offenbar neigt <strong>de</strong>r Mensch<br />

dazu, sich solche Partnerschaften zu erfin<strong>de</strong>n<br />

und selbst zu machen.<br />

Der menschliche Geist, seine Fähigkeit<br />

zu reflektieren und sich auf<br />

sich selbst zu beziehen, ist aber auch<br />

in <strong>de</strong>r Lage, seine eigenen Mechanismen<br />

zu durchschauen und zu entlarven.<br />

Und genau das geschieht tatsächlich<br />

in <strong>de</strong>r monotheistischen Revolution,<br />

die natürlich nicht mit einem<br />

Oberseminar verwechselt wer<strong>de</strong>n<br />

kann, das Mose <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Israels<br />

am Fuße <strong>de</strong>s Berges Sinai gehalten<br />

hat. Die Geschichten <strong>de</strong>r hebräischen<br />

Bibel erzählen, wie sich nun ein vollkommen<br />

an<strong>de</strong>rer Gott offenbart, und<br />

sie etablieren das Gegenmo<strong>de</strong>ll. Wenn<br />

durchschaut ist, dass die Götter Produkte<br />

<strong>de</strong>r menschlichen Projektion<br />

und ihrer Bedürfnisse und Wünsche<br />

sind, dann sind sie eben nichts an<strong>de</strong>res<br />

<strong>als</strong> das, o<strong>de</strong>r wie die Bibel sagt, sie<br />

sind „Nichtse“. Ein selbst gemachter<br />

Gott kann keine wirkliche Realität<br />

sein. Wenn es Gott gibt, dann muss er<br />

es sein, <strong>de</strong>r sich offenbart.<br />

Alle Offenbarungsgeschichten <strong>de</strong>r<br />

Bibel laufen auf diese Gegenbesetzung<br />

hinaus. Sie etablieren das Gegenmo<strong>de</strong>ll<br />

zu <strong>de</strong>n selbst gemachten Göttern <strong>de</strong>s<br />

Polytheismus. Nun ist Gott jemand, <strong>de</strong>r<br />

nicht auf eine Funktion reduziert wer<strong>de</strong>n<br />

kann, weil er entschei<strong>de</strong>t, was er<br />

geben und garantieren will, was er bezeugen<br />

und begrün<strong>de</strong>n will - und nicht<br />

wir. Aber er ist auch ein Jemand. Er ist<br />

eine Person; <strong>de</strong>nn wenn er dies nicht<br />

wäre, dann wäre er weniger <strong>als</strong> wir<br />

Menschen, die wir Personen sind. Er ist<br />

aber größer <strong>als</strong> menschliche Personen.<br />

Er ist kein Ding in <strong>de</strong>r Welt, er ist <strong>de</strong>r<br />

Grund <strong>de</strong>r Welt, <strong>de</strong>r Hintergrund <strong>de</strong>s<br />

Seins, <strong>de</strong>r Schöpfer. So wie die Welt<br />

nur eine ist, einschließlich <strong>de</strong>s gesamten<br />

Kosmos, <strong>de</strong>n wir uns heute natürlich<br />

nicht mehr in antiker Kosmologie<br />

vorstellen müssen, so hat sie auch nur<br />

einen einzigen Grund, <strong>de</strong>n wir mit <strong>de</strong>m<br />

alten Israel Gott nennen. Dies ist <strong>de</strong>r<br />

immer größere Gott, wie Erich Przywara<br />

immer wie<strong>de</strong>r sagte, <strong>de</strong>r gol<strong>de</strong>ne<br />

Hintergrund aller meschlichen Bil<strong>de</strong>r<br />

und Einbildungen, unser einziges, geheimnisvolles<br />

Woher und Wohin. 3<br />

Jan Assmann hat nun zunächst behauptet,<br />

dass <strong>de</strong>r exklusive Wahrheitsanspruch,<br />

<strong>de</strong>r in dieser an<strong>de</strong>rsartigen<br />

und neuartigen Gottesvorstellung enthalten<br />

ist, so etwas wie ein Startschuss<br />

für das Zeitalter von Religionskriegen<br />

gewesen sei. In England (Richard<br />

Dawkins) und in <strong>de</strong>n USA (Christopher<br />

Hitchens) gibt es einige Naturwissenschaftler<br />

und an<strong>de</strong>re, die auch<br />

für die Gegenwart die Religion <strong>als</strong> <strong>de</strong>n<br />

Urquell aller Konflikte, insbeson<strong>de</strong>re<br />

aller kriegerischen Konflikte ausmachen<br />

wollen. Inzwischen ist die Monotheismus<strong>de</strong>batte<br />

weiter gegangen.<br />

Religionswissenschaftler und Alttestamentler<br />

haben Einwän<strong>de</strong> vorgetragen,<br />

die sich mit dieser zunächst<br />

durchaus plausiblen These auseinan<strong>de</strong>rsetzten.<br />

Ein Gedanke scheint mir<br />

dabei beson<strong>de</strong>rs wichtig zu sein: Es<br />

gibt kein Zurück!<br />

Auch Assmann plädiert nämlich<br />

nicht dafür, wie<strong>de</strong>r zu einem fröhlichen<br />

und friedlichen Polytheismus zurückzukehren,<br />

<strong>de</strong>nn die Entlarvung <strong>de</strong>r Götter<br />

hat sie entzaubert. Und zwar ein für<br />

allemal. So wie eine Pille, die nur aus<br />

Krei<strong>de</strong> und Aromastoffen besteht, nicht<br />

mehr wirkt, sobald ich weiß, dass es<br />

sich um ein Placebo han<strong>de</strong>lt, so wenig<br />

helfen Götter, von <strong>de</strong>nen ich weiß, dass<br />

sie ihre Existenz nur meinem Wunsch<strong>de</strong>nken<br />

verdanken. Daran än<strong>de</strong>rt nichts,<br />

dass wir aus vielen empirischen Untersuchungen<br />

wissen, dass Placebos im<br />

Allgemeinen wirken. So wie die Fähigkeit,<br />

sich durch Placebos täuschen<br />

zu lassen, dauerhaft zur menschlichen<br />

Natur gehört, so ist auch die Neigung,<br />

sich Projektionen zu machen, tote Dinge<br />

zu fetischisieren und in <strong>de</strong>n Gestalten<br />

und Figurationen <strong>de</strong>r Natur Analogien<br />

zu suchen, die sie am En<strong>de</strong> zu Personen<br />

machen, nicht aus <strong>de</strong>r menschlichen<br />

Natur verschwun<strong>de</strong>n. Wo kämen<br />

unsere Dichter hin, wenn die Bäume<br />

und die Wolken und die Berge nicht<br />

mehr mit ihnen sprächen? Der ganz an<strong>de</strong>rsartige<br />

Gott, <strong>de</strong>r uns zum ersten<br />

Mal in <strong>de</strong>r hebräischen Bibel <strong>de</strong>s alten<br />

Israel begegnet, ist – so hatten wir gesagt<br />

– kein Ding in <strong>de</strong>r Welt, er ist <strong>de</strong>r<br />

Hintergrund <strong>de</strong>s Seins, <strong>de</strong>r Schöpfer<br />

<strong>de</strong>r Welt und daher ist er ein „ganz An<strong>de</strong>rer“,<br />

so hat es <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsche Religionswissenschaftler<br />

Rudolf Otto schon<br />

1909 genannt. 4<br />

<strong>Diese</strong> An<strong>de</strong>rsartigkeit und Einzigartigkeit<br />

Gottes ist im Neuen Testament<br />

konkret gewor<strong>de</strong>n. Die Geschichte,<br />

die zuerst nur unsere Geschichte zu<br />

sein schien, wird durch die Entscheidung<br />

Gottes <strong>als</strong> eine Geschichte geoffenbart,<br />

die seinen Willen zum Vorschein<br />

bringt, selbst geschichtlich zu<br />

wer<strong>de</strong>n, das heißt: in die Geschichte<br />

einzutreten. Die große Frage, die in <strong>de</strong>r<br />

Entstehungsgeschichte von <strong>de</strong>r Erschaffung<br />

Adams schon beantwortet<br />

schien, in<strong>de</strong>m Gott <strong>de</strong>m Adam seinen<br />

Hauch, d.h. seinen Geist einblies, wird<br />

durch <strong>de</strong>n „neuen Adam“, <strong>als</strong> <strong>de</strong>n wir<br />

Christen Jesus bezeichnen, gleichsam<br />

präzisiert. Wir sind, wie Adam, sterblich,<br />

und wie er wissen wir um unsere<br />

INFO 36 · 4/2007

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