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SPRACHROHR 5/2012

Zeitung des ver.di-Landesfachbereichs Medien, Kunst und Industrie Berlin-Brandenburg.

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sprachrohr Berichte<br />

7<br />

Kulturmittler mit Stehvermögen<br />

ver.di will mit dem traditionsreichen Freien Volksbühne Berlin e.V. kooperieren<br />

Ob sie etwas mit Frank Castorf und dem Haus am Rosa-Luxemburg-Platz oder etwas mit der Bühne an<br />

der Schaperstraße zu tun habe, wird Alice Ströver, früher Kultur-Frontfrau der Grünen in Berlin, inzwischen<br />

gern gefragt. Sie ist seit fünf Monaten Geschäftsführerin der Freien Volksbühne Berlin e.V. – und<br />

offenbar gehört Kenntnis über diese traditionsreiche Institution nicht mehr zum Allgemeingut. Das will<br />

Ströver wieder ändern. Wir trafen sie im Gespräch mit Sabine Schöneburg, im ver.di-Landesbezirk zuständig<br />

für Theater und Bühnen.<br />

Frau Ströver, die Freie Volksbühne<br />

Berlin (FVB) wurde 1890 als<br />

erste kulturpolitische Massenorganisation<br />

der deutschen Arbeiterbewegung<br />

mit dem Ziel gegründet,<br />

sozial schwächer gestellten<br />

Bevölkerungsgruppen einen<br />

Zugang zu Bildung und kulturellem<br />

Leben zu ermöglichen. Dass<br />

es die FVB heute noch gibt, zeugt<br />

von Sinnhaftigkeit und Stehvermögen.<br />

Wir wollen nicht die gesamte<br />

wechselvolle Geschichte beleuchten,<br />

sondern an die 1990er<br />

Jahre anknüpfen. Das eigene Theater,<br />

das Haus an der Schaperstraße,<br />

musste verkauft werden. Ein<br />

tiefsitzender Schock...<br />

A. Ströver: In ihrer Hochzeit in den<br />

1920er Jahren hatte die Volksbühnenbewegung<br />

in Berlin an die 160.000<br />

Mitglieder und ein eigenes Theater<br />

am Bülowplatz, wo Max Reinhardt<br />

ab 1915 Direktor gewesen war. Man<br />

hat sich immer auch als Kulturmittler<br />

gesehen. Nach dem Krieg teilten sich<br />

die Wege. Die Volksbühne am heutigen<br />

Rosa-Luxemburg-Platz wurde<br />

zu DDR-Zeiten als staatliche Sprechbühne<br />

weitergeführt ...<br />

S. Schöneburg: Die Volksbühnenbewegung<br />

wurde im Ostteil quasi von<br />

der gewerkschaftlichen Kulturarbeit<br />

aufgefangen. Auch im FDBG gab es<br />

Boni und Vergünstigungen, Abonementsreihen,<br />

um Bil dungs arbeit und<br />

Kultur zu fördern ...<br />

A. Ströver: Im Westen folgte 1947<br />

die Neugründung der Freien Volksbühnen<br />

und später, ab 1963, gab es erneut<br />

ein eigenes Theater. Der Verein<br />

hatte in den 1980er Jahren an die<br />

40.000 Mitglieder, war eine feste<br />

Größe im Kulturleben, auch als Besucherorganisation<br />

stellte er einen<br />

wichtigen Faktor dar. Dass das erfolgreiche<br />

Haus an der Schaperstraße, zuletzt<br />

unter Kurt Hübner ein Publikumsmagnet,<br />

nach Intendantenwechseln<br />

und Wegfall der Senatsförderung geschlossen<br />

werden musste und nach<br />

Gastspielbetrieb und Vermietungsversuchen<br />

Ende der 90er Jahre gänzlich<br />

verloren ging, bedeutete ein Trauma.<br />

Auch die Politik war mit einem<br />

so traditionsreichen Verein unwürdig<br />

Sabine<br />

Schöne burg<br />

(rechts), ver.di-<br />

Landesbezirk<br />

Theater und<br />

Bühnen.<br />

Alice Ströver,<br />

Geschäftsführerin<br />

der Freien<br />

Volksbühne<br />

Berlin e.V.<br />

(links) und<br />

umgegangen. Der Verkauf an einen<br />

»Investor« schließlich kam einem<br />

kulturpolitischen Skandal gleich, obwohl<br />

kaum noch jemand aufschrie.<br />

S. Schöneburg: Die IG Medien<br />

war lange Jahre im Verein der Freien<br />

Volksbühne fest verankert. Das änderte<br />

sich erst in der Umbruch- und<br />

Neuorientierungszeit Anfang der<br />

90er Jahre. Ich hatte dann als IG-<br />

Medien-Sekretärin 1994 den Sozialplan<br />

für die Beschäftigten des geschlossenen<br />

Theaters an der Schaperstraße<br />

mit zu verhandeln ...<br />

Vom historischen Tief<br />

zum kulturellen Service<br />

A. Ströver: Auch für die Freie<br />

Volksbühne als Besucherorganisation<br />

war die Schließung eine Katastrophe.<br />

Die Mitglieder schwanden scharenweise.<br />

Bald war ein historischer Tiefpunkt<br />

erreicht. Entlassungen waren<br />

unvermeidlich. Übrig blieb das schöne<br />

Verwaltungsgebäude in der Ruhrstraße,<br />

wo wir heute noch sitzen.<br />

Man entschied dann notgedrungen,<br />

sich auf Kartenvermittlung zu konzentrieren<br />

und als klassischer Besucherservice<br />

zu profilieren. Dieser Prozess<br />

war mit technischen Modernisierungen<br />

und der Gewinnung neuer<br />

Mitglieder verbunden, er setzt sich<br />

kontinuierlich bis heute fort.<br />

Orientierung gibt es über das Mitgliedermagazin.<br />

Wie würden Sie den jetzigen<br />

Stand beschreiben?<br />

A. Ströver: Unsere Mitglieder<br />

können heute die gesamte Breite des<br />

Berliner Kulturangebotes nutzen, jährlich<br />

10.000 Kulturveranstaltungen in<br />

der Hauptstadt und in Brandenburg.<br />

Wir sind ständig dabei, weitere Häuser<br />

und Veranstalter in unser Angebot<br />

einzubeziehen – sowohl aus der<br />

Hochkultur als auch dem reinen Unterhaltungsgenre.<br />

Als »Großabnehmer«<br />

handeln wir Vorteile – das sind<br />

Preisermäßigungen bis zu 40 Prozent<br />

-– für unsere Mitglieder aus, egal ob<br />

bei »Stars in Concert« oder bei den<br />

Berliner Philharmonikern. Natürlich<br />

zum gegenseitigen Vorteil, denn wir<br />

füllen so auch die Häuser. Wir bieten<br />

nach wie vor klassische Abos an, unsere<br />

sogenannten Kulturpakete. Daneben<br />

gibt es die Kulturkarte PUR,<br />

mit der Mitglieder per Telefon oder<br />

Internet beliebig einzelne Veranstaltungen<br />

aus unserem monatlichen<br />

Angebot wählen und dafür günstig<br />

Karten buchen können. Wir fungieren<br />

als »Full-Service-Betrieb« und wollen<br />

nach wie vor in die Breite der Gesellschaft<br />

hinein wirken. Das gelingt<br />

auch. Jedes unserer Mitglieder geht<br />

im Schnitt jährlich zehnmal ins Theater.<br />

Doch wir vermitteln nicht ausschließ<br />

lich Karten. Wir sehen uns jede<br />

Vorstellung an, haben eine eigene Datenbank<br />

mit entsprechenden Hauskritiken,<br />

beantworten Anfragen,<br />

bera ten. Wir organisieren in unserem<br />

Haus jeden Montag eine eigene Veranstaltung<br />

mit Bühnengesprächen<br />

und Debatten vor und nach Premieren,<br />

zu künstlerischen und kulturpolitischen<br />

Themen ...<br />

Und wohin soll die weitere Entwicklung<br />

gehen?<br />

A. Ströver: Wir suchen neue Wege<br />

auch über die Darstellende Kunst<br />

hinaus. Gerade haben wir mit etlichen<br />

Filmkunsttheatern gute Angebote<br />

für unsere Mitglieder ausgehandelt.<br />

Ganz frisch sind Absprachen mit Berliner<br />

Museen, das Angebot für unsere<br />

Mitglieder auch auf Museumsbesuche<br />

auszuweiten.<br />

S. Schöneburg: Es gibt bei ver.di<br />

Berlin-Brandenburg seit längerem Pläne<br />

– sogar einen Beschluss der letzten<br />

Landesfachbereichskonferenz – mit<br />

der Freien Volksbühne Berlin wieder<br />

enger zu kooperieren und Möglichkeiten<br />

der Zusammenarbeit auszuloten.<br />

In der Tradition aus der Arbeiterbewegung<br />

ohnehin, aber auch in ihrer<br />

aktuellen Funktion als Kulturmittlerin<br />

ist die Freie Volksbühne Berlin für<br />

ver.di Partnerin und Mitstreiterin.<br />

A. Ströver: Ich begrüße das sehr.<br />

Alle, die sich in Berlin und dem Umland<br />

für Kultur stark machen, sollten<br />

an einem Strang ziehen ... Den ver.di-<br />

Mitgliedern in Berlin und Brandenburg<br />

darf ich schon jetzt ein spezielles<br />

Angebot unseres Vereins unterbreiten,<br />

das hoffentlich Interesse findet.<br />

(Siehe Kasten unten)<br />

Interview: H. Nehrlich<br />

Lust auf Kultur?<br />

Jedes interessierte ver.di-Mitglied<br />

erhält ein Jahr Mitgliedschaft in der<br />

Freien Volksbühne Berlin geschenkt.<br />

Der jährliche Mitgliedsbeitrag von<br />

36,- Euro entfällt, es müssen nur die<br />

gebuchten Karten für Theater, Oper,<br />

Konzert oder Varieté bezahlt werden.<br />

Das kostenlose Angebot endet automatisch<br />

nach zwölf Monaten, kann<br />

aber als normale Mitgliedschaft individuell<br />

verlängert werden. Es gibt<br />

die Kulturkarte PUR und das monatlich<br />

erscheinende Mitgliedermagazin<br />

»Kulturfoyer« frei Haus (Termine<br />

und Preise auf der Webseite). Gebuchte<br />

Karten werden mit der Post frei<br />

Haus zugesandt. Interessenten können<br />

sich kostenfrei anmelden:<br />

Freie Volksbühne Berlin e.V., Ruhrstraße<br />

6, 10709 Berlin, Tel. 030/ 86<br />

00 93-51 oder -52, E-Mail: service@<br />

lustaufkultur.de (Stichwort »ver.di«),<br />

www.lustaufkultur.de

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