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DIGITALE TRANSFORMATIONEN

DIGITALE TRANSFORMATIONEN (2004) Monika Fleischmann, Ulrike Reinhard Medienkunst als Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigt sich mit den Transformationen, welche Kunst und Alltag durch digitale Vernetzung erfahren. Das umfangreiche Kompendium zu aktuellen Positionen der Medienkunst beleuchtet das Zusammenspiel von Technologien, Wirtschaft, Kunst, Politik und Medien. Mit oftmals kontroversen Positionen wird der Leser per Buch und Audio CD mit der alltäglichen Vernetzung konfrontiert. Reden wir von Kunst, Wissenschaft oder Technologien? Wie sehen sich Medienkünstler, Vermittler und Förderer? Sind Suchmaschinen mehr als programmierte Systeme? 50 herausragende Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz stellen sich diesen Fragen. Partner des Projektes sind unter anderem 3deluxe, art+com, Ars Electronica, Hewlett Packard, Universität der Künste, ZKM – Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Migros Kulturprozent, SAP AG, Sony, VolkswagenStiftung. Die Herausgeberinnen: Medienkunstpionierin trifft Wirtschafts- und Medienjournalistin. Monika Fleischmann, Leiterin der Abteilung Media Arts Research Society beim Fraunhofer Institut für Medienkommunikation in Sankt Augustin und Ulrike Reinhard, Inhaberin der whois verlags- & vertriebsgesellschaft Heidelberg/Berlin. Erstveröffentlichung online: Netzspannung.org Plattform für Medienkunst http://netzspannung.org/media-art/publications/digital-transformations/

DIGITALE TRANSFORMATIONEN (2004) Monika Fleischmann, Ulrike Reinhard
Medienkunst als Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigt sich mit den Transformationen, welche Kunst und Alltag durch digitale Vernetzung erfahren. Das umfangreiche Kompendium zu aktuellen Positionen der Medienkunst beleuchtet das Zusammenspiel von Technologien, Wirtschaft, Kunst, Politik und Medien. Mit oftmals kontroversen Positionen wird der Leser per Buch und Audio CD mit der alltäglichen Vernetzung konfrontiert. Reden wir von Kunst, Wissenschaft oder Technologien? Wie sehen sich Medienkünstler, Vermittler und Förderer? Sind Suchmaschinen mehr als programmierte Systeme?
50 herausragende Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz stellen sich diesen Fragen. Partner des Projektes sind unter anderem 3deluxe, art+com, Ars Electronica, Hewlett Packard, Universität der Künste, ZKM – Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Migros Kulturprozent, SAP AG, Sony, VolkswagenStiftung.
Die Herausgeberinnen: Medienkunstpionierin trifft Wirtschafts- und Medienjournalistin.
Monika Fleischmann, Leiterin der Abteilung Media Arts Research Society beim Fraunhofer Institut für Medienkommunikation in Sankt Augustin und Ulrike Reinhard, Inhaberin der whois verlags- & vertriebsgesellschaft Heidelberg/Berlin.
Erstveröffentlichung online: Netzspannung.org Plattform für Medienkunst
http://netzspannung.org/media-art/publications/digital-transformations/

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2 . 6 DER PERFORMATIVE TURN: WISSEN ALS SCHAUSPIEL<br />

PETER MATUSSEK<br />

9 3<br />

02<br />

d urc h B ilderrepr ä s ent ierten W i ssens o b jekt e a u fdem sieb enstufigen Hal b -<br />

rund der Ränge a ngeor dnet w a r en. D ie I n szenierung des G edäch t nissc h a u -<br />

s piels w a r in der Tat ein W e r kde r T hea t e r b e suc her , denn die B ilder a u fden<br />

Rängen zeigt en ihr en G eha l t in einer hoc h ve rsc hlüsselt en F o r m :Es w a r en<br />

E m b lema t a des k ürzlic herst v on Marsilio F i c ino ins Lat einis c he üb e rse tzt<br />

en » C o r p us H e r met i c u m«, einer neu pla t onis c hen M i xtur v on M o t i v en der<br />

ä g y p t i s c hen und g r iec his c hen M ythologie und A strologie so w ie der j ü dis<br />

c hen Kabbal a . A l s s olc he b edurft en sie einer deutenden A k t i v i t ä t d urc h<br />

den B e trach t e r . A u ßer dem m ussten sie un t e r eina nder kom b iniert we r den.<br />

D enn die sieb enstufigen Ränge wa r en zu meinen in sieb en S egment e un t e r -<br />

t eilt , die den d a m a l s b eka nnt en P l a net en ( M ond, Me r k ur, Venus, Sonne,<br />

Mars, Ju pit e r ,Sa turn) zugeor dnet w a r en und je n ach P l a net enzuo r dnu ng<br />

mit dessen C h a r a k t e r i stiken die B edeutung der B ildz eic hen a u fden einz<br />

elnen Rängen va r iierte. Z u m a nder en repr ä s ent ierten die sieb en Ränge<br />

den S tufenbau der W elt v on den spir i tuellen G rundla gen der Schöpfu ng<br />

a u f w ä rts zum M ikr oko s mos , der mens c hlic hen S phä r emi t ihr en S eelenk<br />

r ä f t en, ihr e r K ö r per lic hkeit , ihr en Tät igkeit en der S elb ste r h a l tung und<br />

s c hließlic hih r en p r odu k t i v en Tät igkeit en, s oda ss jede S tufe eines P l a net ens<br />

egment en a nder e B edeutungen a nna hm, die wiederum durc hmehr e r e<br />

B ilder a usgedrüc k t wur den. S o wurde zu m B eis piel der Schnittp u nkt des<br />

3 . Rangs u nd des P l a net en Saturn –de r f ür die mens c hlic he Natur u n t e r<br />

dem mela n c holis c hen G e s i c h tsp u nkt der V e r g ä nglic hkeit steht – un t e r<br />

a nder em d urc h T i z i a n s A llegor ie der Z eit a usgedrüc k t – eines derwenigen<br />

e r h a l t enen B ilder a us Camillos T hea t e r dem wi r ent nehmen können, w ie<br />

r ä tselha f t u nd deutungs b edürft ig die B ilderwa r en. Was a l s oist die F u nkt<br />

ionsweis e von Camillos T hea t e r ? D ies e–für die B e urt eilu ng einer Übe r -<br />

tra g bar kei t a u fhe utige V e r h ä l t nisse we s ent lic he – F r a ge wi r dinde r F o r -<br />

s c h u ng sehr un t e rsc hiedlic h b e a n two rte t . F r a n c e s Yat e s gla u b t , d a ss f ür<br />

Camillo m a gis c he W i r k u ngen we s ent lic h wa r en: » Das G eheimnis … de s<br />

T hea t e rs i st meines E r ach t ens , d a ss m a ndie g rundlegenden P l a net enb ilder<br />

a l s Talis m a ne a n s a hoder doc hgl a u b t e , s ie h ä tten der en W u nder k r a f t<br />

u nd der en E ner gie würde a us ihnen in die H ilfs b ilder fließen«. 1 2 A nder e<br />

F o rsc herwidersp r e c hen dies e r D e utung ener gis c h und b e t onen d a s enzyklopä<br />

dis c he I n t e r e sse Camillos , d a s v o rra ngig d a r a u fge r i c h t e t gew e s en<br />

s ei, d a s W eltwi ssen in üb e rsi c h t lic her F o r m zur Darstellu ng zu b r ingen –<br />

a l s O r dnu ngssystem, Bi b liot hek oder M use u m. 1 3 D o c h wenn e s w i r klic h<br />

Camillos A nliegen gew e s en sein sollt e , ein univ e rsa l w i ssens c h a f t lic hes<br />

Abl a gesystem b e z iehu ngsweis eeine A rt » S u c hma s c hine« ( w ie Hartm ut<br />

W inkler n a he legt ) 14 zu entwe r fen, d a nn b leib t u n v e rstä ndlic h , w a rum er<br />

e s s o st a r k v e rrä tselt e. E rst ellt e si c hda mit dem A nliegen eines geda nkenlos<br />

-mec h a nis c hen I nfor m a t ions abrufes ent gegen und ve r l a ngt edem B e suc<br />

her seines T hea t e rs eine deutende, s c höpfer i s c him a ginier ende E igena k-<br />

t i v i t ä t ab. D ies e Abs i c h t geht s c hon a us s einer F o r m u lierung hervo r , d a ss<br />

e r eine O r dnu ng finden wolle, die d a s G edäch t nis e rsc h ütte rt. A u c h sonst<br />

k r eist die » I dea del T hea tro« immer wieder umdie W ö rte r » c r e a z ione«,<br />

»gener a t ione« und »pr oduzione«. I nde r T e r minologie der rhet o r i s c hen<br />

T r a dit ion heißt d a s :Es k a m Camillo nic h t a llein a u fdie » D i s pos i t io«, die<br />

A nor dnu ng von W i ssen a n , s onder neb en so sehr a u fdie » I n v ent io«, die<br />

E r findu ng von W i ssen. 15 Das V e r h ä l t nis v on ä u ßer e rund inner e r B e w egu ng<br />

i st ä hnlic h b ei dem zw eit en b edeutenden G edäch t nisthea t e r der f rühen N e u -<br />

z eit , d a s im D i s k urs u nd D e s ign der C ompute r moder ne ein C omeback<br />

e r f ä h rt: Da s » T hea tru m O r b i« a us R o b e rt F l u dds » A rs M emor i a e« von<br />

1 6 19. A u c hhier st eht der ima gina t i v e Z w e c kim V o r der g rund. Das eigent -<br />

lic he G edäch t nisthea t e r findet nic h t v o r den A u gen des Z usc h a u e rs sta tt,<br />

s onder ninde ssen K opf, dem S i tz des »oc u l us ima gina t ionis «. F l u dd h a t<br />

s ein T hea t e r nic h t gebaut, s onder n a l s K u pfersti c hpr ä s ent iert –in A nlehn<br />

u ng a nda s z eit genössi s c he G lob e T hea tre S h a kes pea r e s . D ie W i ssens o b -<br />

jekt e sollt en » w ie in einem öffent lic hen T hea t e r , in dem K omödien und<br />

T r a gödien a u fgefü h rt we r den« 1 6 in dies e B ü hnena r c hit ektur hineinpha n-<br />

t a s iert we r den. A u c hhier a l s oist der R e z ipient der R egisse ur s einer eigenen<br />

G edäch t nis inszenierungen und W i ssenssc h a uspiele. D ie U mgeb u ng liefert<br />

d a f ür lediglic hdie A nlä sse.<br />

V o r dem H int e r g rund der histo r i s c hen B efu nde l a ssen si c hpe r for m a -<br />

t i v e I nfor m a t ions d a r b ietungen un s e r e r Z eit b e sse r b e urt eilen. V iele der<br />

gegenw ä rtigen » M emory T hea t e rs« ve r dienen den Namen nic h t , d a sie<br />

lediglic hein k rudes I nfor m a t ion R e triev a lmi t dem N imb us p s e u do-ma gis<br />

c her A l t e rtü melei ve r b inden, u mes int e r e ssa n t e rzu m achen. Camillo und<br />

F l u dd wa r en E r neu e r e r der W i ssens d a rstellu ng. I h r em I nnov a t ions pot enz<br />

i a l wi r dni c h t ger e c h t , w e r die K o s mologien re sti tuiert, au fdie sie si c h zu<br />

ihr e r Z eit stützten. D ie entsc heidende F r a ge f ür d a s A nknü pfen einer postmet<br />

a physi s c hen, dez entra lis ierten G egenw a rt a ndie G edäch t nisthea t e r -T r a -<br />

dit ion i st v ielmehr – wie R o b e rt E dga r e s for m u lierte : » W h a t ,I wonder ed,<br />

w o u ld a n a rt of memory b elike toda y , w hen no c o s mology can su mma r i-<br />

z eev en a single te xt?« 1 7 E dga rs » M emory T hea t e r O ne« b e a n two rte t dies e<br />

F r a ge, indem e s den inv ent i v en C h a r a k t e r der histo r i s c hen V o r b ilder a u f-<br />

g r eift . Das P r ogr a mm wurde f ür einen A pple II in G r aFo rth ge s c h r ieb en.<br />

Z ur S t e u e rung dient ein sogena nnt e s K o a l a - Pad oder Paddle –ein V o r -<br />

l ä u fer des J o ysti c k s . D e r U s e r b efindet s i c h zu n äch st in einem a ndie K u p-<br />

fersti c he a us F l u dds » A rs M emor i a e« a ngelehnt en A tri u m , v on dem links<br />

eine B i b liot hek u nd re c h ts ein » A ddit iona l M emory R oom« mit einem<br />

a str ologis c hen T ier k r eis abgehen. D ie b eiden N e b enr ä u me entsp r e c hen<br />

d a mit dem enzyklopä dis c hen und dem m a gis c hen A s pekt des G edäch t nis -<br />

03<br />

0 4<br />

1 2 Yat e s , a .a .O .,S.14 3 .<br />

1 3 V gl. T homa s L einka u f : Scient i a univ e rsa lis , memor i a und st a tus c o rru p t ionis . I n : J ö r g J o c hen B e r n s / W olfga ng N e u b e r ( H g.): A rs memor a t i v a . Z ur k u l turges c hic h t lic hen B edeutung<br />

der G edäch t nis k u n st 1400-17 5 0; T ü b ingen 199 3 ,S.1– 3 4 , hier ins b e s . S .5.<br />

14 Hartm ut W inkler : S u c hma s c hinen. I n : Nav iga t ionen. S iegener B eiträ ge zur M edien- und K u l turw i ssens c h a f t 2, H . 2 ( O k t o b e r2002) ,S. 33 –42 , hier S .40 .<br />

15 V gl. hierzu Bar bar aKeller - Dall’A sta: H eils pla n und G edäch t nis . Z ur M nemologie des 1 6 . Jah r h u nders in I t a lien; H eidelb e r g 2001.<br />

1 6 Yat e s , a .a .O .,S. 30 1.<br />

1 7 A us der » L i b r a ry« in dem n achfolgend b e s c h r ieb enen M emory T hea t e r O ne.

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