LEUCHTTURM
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<strong>LEUCHTTURM</strong><br />
Inklusion - eine Schule für alle<br />
Schülerinnen und Schüler<br />
Was kommt auf die Schulen, die Eltern und die Schulträger zu?<br />
Herbert Czekir<br />
Zu diesem Thema hatten die<br />
Grundschulen im Brookmerland<br />
zu einer öffentlichen<br />
Veranstaltung in die Aula der<br />
IGS Marienhafe geladen. Als<br />
Referent konnte Prof. Dr. phil.<br />
Rolf Werning von der Universität<br />
Hannover, bereits seit dreißig<br />
Jahren mit dem Thema Inklusion<br />
befasst, gewonnen werden.<br />
Hier einige Aussagen aus<br />
seinem Vortrag (kursiv Gedrucktes<br />
stammt als Ergänzung vom Autor):<br />
In Deutschland ist die UN-<br />
Behindertenkonvention, die ein<br />
inklusives, allgemeines Bildungssystem<br />
für alle Kinder<br />
vorsieht, seit März 2009 in Kraft.<br />
Seither wird in den einzelnen<br />
Bundesländern unterschiedlich<br />
intensiv an Umsetzungsmodellen<br />
gearbeitet. Niedersachsen ist<br />
Schlusslicht bei der Umsetzung<br />
von Inklusion.<br />
Inklusion hat verschiedene<br />
Aufgaben:<br />
• Inklusion als Konzept zur<br />
gemeinsamen Beschulung<br />
von Kindern und Jugendlichen<br />
mit und ohne Behinderungen<br />
• Inklusion als Konzept zur<br />
Überwindung von Diskriminierung<br />
aller Risikogruppen<br />
in Schule (Ausgrenzungen<br />
bzw. Benachteiligungen z.B.<br />
auf Grund von Geschlecht,<br />
sozialer Herkunft - nach der<br />
Grundschule besuchen lediglich<br />
12% der Arbeiterkinder<br />
aber 70% der Beamtenkinder<br />
das Gymnasium - , spezifischen<br />
Lebensbedingungen<br />
und/oder Kultur, Migrationshintergrund.<br />
• Entwicklung einer Schule für<br />
alle<br />
• Inklusion als Werteorientierung<br />
Wie sieht das Schulsystem<br />
in Deutschland aus?<br />
Das deutsche Schulsystem ist<br />
durch die Fiktion der homogenen<br />
Lerngruppe geprägt. Dies ist<br />
aber mit starken Nebenwirkungen<br />
verbunden :<br />
Bestimmte Gruppen von<br />
Schülerinnen und Schülern<br />
werden in diesem System<br />
zurückgelassen.<br />
Hierzulande werden Kinder<br />
vom Schulbesuch zurückgestellt,<br />
wenn man sie als nicht<br />
schulfähig einschätzt. Leistungsschwache<br />
Schüler/innen bleiben<br />
sitzen, werden von einer<br />
höheren auf eine niedrigere<br />
Schulform umgeschult oder der<br />
Förderschule zugewiesen. Insgesamt<br />
sind 40% aller Heranwachsenden<br />
im Laufe ihrer Schulzeit<br />
mit der einen oder anderen<br />
Form von Schulversagen konfrontiert.<br />
In fast allen anderen europäischen<br />
Staaten liegt die Gesamtquote<br />
der separativ (also in Förderschulen)<br />
geförderten Kinder und Jugendlichen<br />
bei unter 2%, in Deutschland<br />
ist sie mehr als doppelt so hoch.<br />
Es gilt: Heterogene Lerngruppen<br />
und soziale Durchmischung<br />
10<br />
der Lerngruppen fördern die<br />
Schwächeren. Hier kommt der<br />
peer-effect zum Tragen („Von den<br />
besten lernen heißt siegen lernen“.)<br />
Heterogene Lerngruppen sind<br />
aber auch positiv für die<br />
lernstarken Schüler. Untersuchungen<br />
zeigen, dass sie in der<br />
Leistung nicht abfallen, jedoch<br />
ihre sozialen Kompetenzen<br />
stärken. Die Grundbedingung:<br />
Um Heterogenität für alle<br />
positiv zu nutzen, sind stabile<br />
Lerngruppen mit einer ausreichend<br />
großen Zahl leistungsstarker<br />
Schülerinnen und Schüler<br />
notwendig. Das Fehlen eines<br />
Gesamtschulsystems wirkt sich<br />
hier negativ auf Inklusion aus.<br />
Kontraproduktiv ist auch die<br />
allseits praktizierte input-output-<br />
Steuerung.<br />
Bildung wird nur auf Testergebnisse<br />
reduziert. Bildungsstandards,<br />
Vergleichsarbeiten und<br />
zunehmende Testungen führen<br />
zu einer Schulkultur, die den<br />
inklusiven Werten widersprechen.<br />
Prof. Werning forderte in<br />
diesem Zusammenhang eine<br />
neue Diskussion um den<br />
Bildungsbegriff.<br />
Als Voraussetzung für Inklusion<br />
nannte Prof. Werning:<br />
• die Abkehr von schulformspezifischer<br />
Lehrerausbildung<br />
• die gemeinsame Entwicklung<br />
eines Leitbildes durch betroffene<br />
Lehrkräfte und Sonderpädagogen<br />
• die kollegiale Kooperation der<br />
KollegInnen (Teams), auch<br />
multidisziplinär<br />
• kooperativen Gruppenunterricht<br />
in Lernlandschaften<br />
• das Primat der inneren<br />
Differenzierung und Individualisierung<br />
Wenige Publikumsfragen schlossen<br />
den Vortrag ab, den Prof.<br />
Werning im Stile eines Motivati-