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die geheime sprache der bäume - Revue Technique ...

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Es gab aber noch mehr denkwürdige Begegnungen und Erfahrungen,<br />

<strong>die</strong> ich vorerst mit dem stu<strong>die</strong>rten Ingenieurswissen nicht<br />

erklären konnte.<br />

Da waren <strong>die</strong> Geigenbauer aus Mittenwald. Zwei junge Männer<br />

klopften eines Tages an mein Forsthaus. Im Karwendel, in den<br />

hoch gelegenen Tälern, müssten einzelne <strong>die</strong>ser sagenumwobenen<br />

Geigenstämme wachsen. Oft eignet sich nur ein einziger Baum<br />

unter einer Million Artgenossen. Haselfichten werden <strong>die</strong>se seltenen<br />

Exemplare genannt, weil ihre Faser nicht gerade wie bei<br />

normalen Fichten verläuft, son<strong>der</strong>n gewellt ist. Man sagt dazu<br />

auch gehaselt, geriegelt o<strong>der</strong> gewimmert. Auch Boden und Klima<br />

des Standortes, an dem <strong>die</strong>se Bäume wachsen, müssen noch ganz<br />

beson<strong>der</strong>e Voraussetzungen bieten. So ein Traumstamm muss<br />

unter an<strong>der</strong>em an einem völlig windgeschützten Ort aufwachsen.<br />

Jede Unregelmäßigkeit, jedes Druckholz im Inneren zerstört <strong>die</strong><br />

begehrten Klangeigenschaften.<br />

Kurzum, wir stiegen tagelang durch <strong>die</strong> Bergwäl<strong>der</strong>, klopften<br />

und hörten in das Innere hinein. Anfangs staunte ich nicht<br />

schlecht, als <strong>die</strong> beiden behaupteten, schon beim Klopfen mit<br />

<strong>der</strong> Rückseite <strong>der</strong> Axt viel von den späteren Klangeigenschaften<br />

zu hören. Tatsächlich tönten <strong>die</strong> allermeisten <strong>der</strong> borkig dicken<br />

Fichtenstämme ähnlich dumpf, während dann und wann<br />

ein deutlich hellerer, längerer und dicht klingen<strong>der</strong> Gong antwortete.<br />

Dieser Klang löste jedes Mal Hoffnung und freudiges<br />

Erwarten aus. Jetzt musste <strong>die</strong> Faser untersucht werden. Gab es<br />

hier Haselfichten, bei denen sich ein Span nicht schnurgerade,<br />

son<strong>der</strong>n fein gewellt aus <strong>der</strong> Stammoberfläche löst? Ich wusste,<br />

welche <strong>die</strong>ser ausgewachsenen Bäume in den nächsten Jahren<br />

zur Ernte kamen. So konnten wir bei <strong>die</strong>sen ein Stück Rinde<br />

entfernen und mit dem Spantest den Wuchs <strong>der</strong> Faser untersuchen.<br />

War es Glück, ein Zufall? Wir konnten wirklich eine<br />

uralte Fichte, fein klingend mit gehaseltem Wuchs finden. Die<br />

beiden waren außer sich vor Freude. Sie hatten ihren ersten<br />

Geigenbaum hoch oben im einsamen Karwendeltal vor sich.<br />

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