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THALIA | Jahrestage<br />
7<br />
Tervetuola!<br />
Von Weltentstehung, Zaubermühlen,<br />
Brautfahrten und Schamanen!<br />
Tilman Spreckelsen und die Illustratorin Kat Menschik reisten<br />
im Jahr 2011 auf den Spuren von Elias Lönnrot nach<br />
Finnland in die unwegsamen Regionen von Karelien, das<br />
heute zu Russland gehört. Jetzt erzählt Tilman Spreckelsen das<br />
Kalevala (und Elias Lönnrots Suche nach ihm) in Prosa nach, und<br />
Kat Menschik versieht dieses Feuerwerk fantastischer Geschichten<br />
mit grandiosen Illustrationen.<br />
Der junge Finne Elias Lönnrot zog 1928 in die entlegenen karelischen<br />
Wald-, Sumpf- und Seengebiete aus, um dort die Weisen <strong>der</strong><br />
berühmten Kantele-Sänger (eine Art Mischung aus Dorfweisen,<br />
Schamanen und Musikern) zu sammeln. Insgesamt unternimmt er<br />
elf Reisen in das eigenwillige Land, auf denen er zu Fuß, auf Skiern<br />
o<strong>der</strong> ru<strong>der</strong>nd fast 20 000 Kilometer zurücklegt. Dabei sammelt er<br />
65 000 Verse. Lönnrot war überzeugt, dass all diese Lie<strong>der</strong> einst ein<br />
großes zusammenhängendes Epos waren, und wollte es unbedingt<br />
<strong>wie</strong><strong>der</strong> zusammenfügen. Dem fantastischen Langgedicht,<br />
das dabei entstand und das von <strong>der</strong> Rivalität eines Nordreiches<br />
namens Pohjola gegen den Süden berichtet, von Weltentstehung,<br />
Zauberern, Sängern, Brautfahrten, Zaubermühlen und sagenhaftem<br />
Reichtum, gab er den Namen Kalevala. Damit legte Lönnrot den<br />
Grundstein für die finnische Literatur, seine Figuren sind bis heute<br />
Volksmythen und wurden im ehemals russisch besetzten Finnland<br />
gar zu Leitbil<strong>der</strong>n des Unabhängigkeitskampfes. Fantastik-Literaten<br />
<strong>wie</strong> Tolkien, Komponisten <strong>wie</strong> Sibelius und selbst die Donald-Duck-<br />
Zeichner ließen sich davon inspirieren.<br />
il<br />
Auszug aus dem Kalevala<br />
Tilman Spreckelsen<br />
Kat Menschik<br />
Kalevala –<br />
Eine Sage aus dem Norden<br />
416 Seiten, 24,99 €<br />
ISBN 978-3-86971-099-0<br />
Verlag Galiani Berlin<br />
Nichts wuchs hier zwischen Sand und Steinen,<br />
kein Baum, keine Blume, nicht ein Halm. Väinämöinen<br />
lief kreuz und quer über die Insel,<br />
folgte ihrer Küste, bis er <strong>wie</strong><strong>der</strong> dort ankam,<br />
wo er losgegangen war. Er grübelte jahrelang.<br />
Er ersann Sprüche, mit denen er<br />
den Grund beschwor, Pflanzen wachsen zu lassen,<br />
aber nichts geschah. Er rief Ukko an und erhielt<br />
keine Antwort.<br />
Er bat um Regen für die Insel, aber wenn dann wirklich<br />
ein Wolkenbruch vorübergezogen war, blieb <strong>der</strong> feuchte<br />
Boden danach so kahl <strong>wie</strong> eh und je.<br />
Ich brauche Hilfe,<br />
dachte Väinämöinen.<br />
Einer muss für mich hier<br />
säen, einer, <strong>der</strong> seine Augen dicht am Boden<br />
hat, <strong>der</strong> noch den zartesten Keim entdeckt und ihn behütet.<br />
Der freudig tut, was ich von ihm<br />
verlange, <strong>der</strong> mir Gesellschaft leistet<br />
und <strong>der</strong> mich in Ruhe lässt,<br />
wenn ich nachdenken muss.<br />
Hier bin ich, sagte Sampsa Pellervoinen,<br />
womit fangen wir an?<br />
Väinämöinen schaute zu Boden.<br />
Der winzige Sampsa strahlte nach oben.<br />
Na gut, sagte Väinämöinen, dann versuch mal dein Glück.