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INTERVIEW<br />

GOTT WILL ICH VERBRENNEN<br />

Das Landestheater Niederbayern zeigt „Hiob“ nach dem Roman von Joseph Roth<br />

„Gott will ich verbrennen.“<br />

herrscht Mendel<br />

Singer seine Nachbarn an.<br />

Da ist der alte jüdische<br />

Lehrer kurz davor, seine<br />

Gebetsutensilien ins Feuer<br />

zu werfen. So berichtet es<br />

Joseph Roth (1894-1939)<br />

in „Hiob“, 1930 bei Erscheinen<br />

im Untertitel „Roman<br />

eines einfachen Mannes“<br />

genannt. Singer, kurz vor<br />

dem Ersten Weltkrieg aus<br />

dem russischen Teil Galiziens<br />

nach Amerika emigriert,<br />

hat alles verloren: die<br />

Tochter geisteskrank, zwei<br />

Söhne Opfer des Krieges,<br />

seine Frau stirbt. Den behinderten<br />

jüngsten Sohn<br />

ließ er im Shtetl Zuchnow<br />

zurück (ein wohl nach<br />

Roths Geburtsstadt Brody<br />

in der heutigen Westukraine<br />

erdachter Ort). Nun ist<br />

Mendel Singer auch sein<br />

Gott kein Halt mehr. Sein<br />

„Gott will ich verbrennen.“<br />

scheint auf die alte Frage<br />

der Theodizee, der Rechtfertigung<br />

Gottes angesichts<br />

des Leids, antworten zu<br />

wollen. Stefan Tilch, Intendant<br />

des Landestheaters<br />

Niederbayern, sieht das<br />

anders. Obschon auch er in<br />

seiner Bühnenadaption des<br />

„Hiob“ fragt: „Wieviel Leid<br />

kann ein Mensch tragen?“. Ab<br />

26. April wir sie im Passauer<br />

Stadttheater gespielt.<br />

MP: Leiden als Menschheitsthema<br />

und damit eine<br />

zeitlose Angelegenheit. Wie<br />

macht man daraus eine<br />

Erzählung fürs Hier und<br />

Jetzt?<br />

Tilch: Das Thema „Leid“<br />

ist universell. Auch die anderen<br />

Motive der Roth’schen<br />

Hiob-Geschichte: der Umgang<br />

mit dem Glauben oder<br />

allgemein spirituellen Dingen,<br />

das daraus resultierende<br />

Handeln oder Unterlassen<br />

(Mendel ist lange Zeit<br />

ein großer „Nicht-Handler“<br />

im Vertrauen auf Gott), das<br />

Ertragen der Schmerzen<br />

bis zum Kollaps, schließlich<br />

„das Wunder“, die Erlösung<br />

am Pessachfest, das<br />

der Jude Joseph Roth übrigens<br />

durchgehend Osterfest<br />

nennt. Die menschliche<br />

Geschichte ist zeitlos, ich<br />

könnte die Motive des Romans<br />

zu sehr weiten Teilen<br />

auch auf einen Katholiken<br />

in Hauzenberg übertragen.<br />

Dass wir das nicht gemacht<br />

haben, liegt daran, dass wir<br />

Figuren und Atmosphäre<br />

des originalen Romans erhalten<br />

und in eine andere<br />

Kunstgattung übertragen<br />

wollten. Als „gute Deutschlehrer“<br />

unserem Publikum<br />

etwas vorab zu analysieren,<br />

die Interpretation vorweg<br />

zu nehmen, das lag uns<br />

fern.<br />

MP: Der Roman ist ja<br />

selbst eine Paraphrase auf<br />

das Buch Hiob im Alten Testament.<br />

Schöpften Sie auch<br />

aus dieser Quelle?<br />

Tilch: Die große Diskussion<br />

zwischen Mendel und<br />

seinen vier Nachbarn hatte<br />

ich zwischenzeitlich nur<br />

als Zwiegespräch geplant.<br />

Dann wurde mir wieder<br />

bewusst, dass die Szene bei<br />

Roth ganz der biblischen<br />

Episode nachgebildet ist,<br />

und habe das Personal wieder<br />

erweitert. Ansonsten<br />

bleibt die ganze Geschichte<br />

natürlich die von Roth vorgebildete<br />

Bibel-Paraphrase.<br />

Und das ausschließlich anhand<br />

seines Textes und inklusive<br />

aller Romanfiguren.<br />

MP: Am Ende brennt<br />

Gott nicht, soviel sei vorweg<br />

genommen. Vielmehr<br />

liest man von Mendel Singer<br />

am Ende des Romans:<br />

„Und er ruhte aus von der<br />

Schwere des Glücks und der<br />

Größe der Wunder.“ Ist dieses<br />

Wunder noch oder vielleicht<br />

wieder eine Kategorie<br />

für unsere Zeit? Anders gefragt:<br />

Wie säkular „ticken“<br />

wir eigentlich? Für wie entzaubert<br />

halten Sie unsere<br />

Welt?<br />

Tilch: Bezieht sich Joseph<br />

Roth wirklich auf religiös<br />

denkende und fühlende<br />

Menschen? Er selbst war<br />

das nicht. Er war Jude, konvertierte<br />

zum Katholizismus,<br />

glücklich wurde er hier<br />

wie dort nicht. Während<br />

der Proben stellten wir fest,<br />

dass man zum Verständnis<br />

der Geschichte nicht einen<br />

Hauch Religiosität benötigt.<br />

Das Wunder um den<br />

behinderten Sohn ist mit<br />

Wikipedia in 10 Sekunden<br />

medizinisch erklärbar, und<br />

dass der seinen Vater sucht,<br />

bedarf noch keines lenkenden<br />

Gottes. Noch einmal:<br />

Ich erzähle nur die Geschichte,<br />

unterstehe mich,<br />

meine persönliche Auffassung<br />

des „Wunders“ auf<br />

die Bühne zu bringen. Was<br />

jeder Zuschauer jetzt mit<br />

dem Wunder macht, bleibt<br />

ihm selbst überlassen.<br />

„Hiob“, Schauspiel von<br />

Stefan Tilch nach Joseph<br />

Roth hat am Samstag, 26.4.<br />

um 19:30 Uhr Premiere im<br />

Passauer Stadttheater. Weitere<br />

Vorstellungen: Sonntag,<br />

27.4. um 18 Uhr sowie Freitag,<br />

9.5. und Samstag, 10.5.<br />

jeweils um 19:30 Uhr.<br />

Das Interview führte Tobias<br />

Schmidt.<br />

Foto: Litvai<br />

11<br />

DAS SIND DIE<br />

GLÜCKLICHEN GEWINNER<br />

DreiLänderMesse: Passauer Oberland und Ilzer Land<br />

verlosten tolle Preise<br />

Erstmals präsentierten sich das Passauer Oberland und das Ilzer Land<br />

gemeinsam in Halle 4 auf der DreiLänderMesse in Passau. Und nicht nur die<br />

Besucherresonanz an den den vielen Messeständen der teilnehmenden Betriebe<br />

war riesengroß, auch das Gewinnspiel mit Preisen im Wert von über<br />

2.000.- Euro wurde bestens angenommen. Nun konnten die beiden Mitorganisatoren<br />

des gemeinsamen Auftritts in Halle 4, Volker Ernst (Ilzer Land,<br />

Foto li.) und Josef Hasenöhrl (Passauer Oberland, 3.v.re. hinten) die Preise<br />

an die glücklichen Gewinner überreichen. Ein 30-Liter-Fass Bier der Brauerei<br />

Hutthurm hat Marianne Kohl gewonnen, Einkaufsgutscheine gewonnen<br />

haben Sonja Sattler (200.- Euro), Sebastian Klimas (300.- Euro), Jan Wallner<br />

(500.- Euro) und Angela Schuster (1.000.- Euro). Foto: MuW M. Wagner

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