JOGU 207/2009 - Johannes Gutenberg-Universität Mainz
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Wissenschaft & Forschung<br />
aus der Luft durchgeführt (Abb. Luftbild). „Dabei<br />
wurden die Gräber entdeckt, einfach weil sie sich<br />
durch einen anderen Bewuchs von der Umgebung<br />
abhoben“, erklärt Christian Meyer. Er ist ebenfalls<br />
Promovend bei Prof. Alt und untersucht die Knochen<br />
nach morphologischen Kriterien. „Pfl anzen spiegeln<br />
die Bodenverhältnisse wieder und hier war es wohl<br />
der im Vergleich zu den Kiesböden höhere Anteil<br />
organischen Materials im Bereich der Grabstätten“,<br />
so Meyer. Nach der Entdeckung wurde unter Federführung<br />
des Landesamtes für Denkmalpfl ege und<br />
Archäologie in Halle zügig ausgegraben und die<br />
exzellente Qualität der Funde festgestellt. Verschiedene<br />
Faktoren sind für den DNA-Erhalt ausschlaggebend:<br />
Temperatur, Feuchtigkeit, Strahlung, pH-<br />
Wert und mikrobieller Befall. Am Saaleufer waren<br />
diese Faktoren für die Lagerungsbedingungen ideal.<br />
Zu Beginn der Grabung wurden dann sofort einige<br />
Zähne gezogen, doppelt eingetütet und gekühlt ins<br />
<strong>Mainz</strong>er Labor transportiert. „Für valide genetische<br />
Untersuchungen muss nicht nur die Erhaltung<br />
stimmen, sondern auch eine Kontamination des<br />
Probenmaterials vermieden werden“, sagt Brandt<br />
und ergänzt: „Jede Hautschuppe, jedes Haar von<br />
uns Mitarbeitern enthält unser Erbgut. Die schnelle<br />
und saubere Probenentnahme ist daher ebenso<br />
ausschlaggebend wie die exakte Arbeitsweise im<br />
Labor.“ (Abb. Probenbearbeitung)<br />
Luftbild des Fundortes Eulau mit den vier Mehrfachbestattungen, die sich dunkel aus dem Bewuchs abzeichnen.<br />
Das genetische Labor ist hermetisch abgeriegelt<br />
und kann nicht besichtigt werden. Jeden Morgen<br />
passiert Brandt eine Hygieneschleuse, in der er sich<br />
„dekontaminiert“ und mit Schutzanzug, Handschuhen<br />
sowie Mundschutz ausrüstet; dann erst betritt<br />
er das Labor. „Meine Arbeit besteht zu 90 Prozent<br />
aus putzen“, stellt er lakonisch fest. Für seine Analysen<br />
verwendete er sowohl die mitochondriale<br />
DNA als auch die DNA aus Zellkernen. Letztere ist<br />
dabei besonders wichtig, denn nur sie lässt das so<br />
genannte genetische Fingerprinting zu, mit dem<br />
Verwandtschaftsverhältnisse zweifelsfrei geklärt<br />
werden können. Dagegen unterliegt das Erbgut der<br />
Mitochondrien – sie sind in jeder Zelle tausendfach<br />
vertreten und für die Energieproduktion verantwortlich<br />
– nicht der Rekombination der Gene, wie sie<br />
nach der Befruchtung der Eizelle durch das Spermium<br />
im Zellkern von statten geht. Die mitochondriale<br />
DNA stammt ausschließlich von der Mutter<br />
und enthält keine Erbgut-Anteile des Vaters. Oft<br />
sind die Mitochondrien aber die einzige Quelle,<br />
aus denen Archäologen genetische Informationen<br />
schöpfen können; denn intakte Zellkerne fi nden<br />
sich nur selten in solch alten Proben. Dass ein Zahn,<br />
Foto: LDA Sachsen-Anhalt und Landesmuseum Halle<br />
Grab 99. Familiengrab mit Mann, Frau und zwei<br />
Kindern die molekulargenetisch als Familie<br />
identifiziert wurden und „face to face and hand<br />
in hand“ niedergelegt wurden.<br />
Foto: LDA Sachsen-Anhalt und Landesmuseum Halle<br />
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[<strong>JOGU</strong>] <strong>207</strong>/<strong>2009</strong>