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Heft 1 + 2 / 2011 - UniversitätsVerlagWebler

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Fo<br />

W.-D. Webler • Konzepte und Prozesse britischer Forschungsförderung (1986-2014). Teil II<br />

spektive; indem sie sich auf Publikationen konzentriert,<br />

bewertet sie immer Vergangenheiten (s.u.).<br />

E) Strukturebene: Gibt es andere, aussichtsreichere Systeme,<br />

deren Einführung versäumt wurde?<br />

US-amerikanische Forschungsfördersysteme werden hier<br />

nicht diskutiert, weil das dortige Mäzenatentum in Großbritannien<br />

in dieser Form nicht existiert und somit die<br />

Systeme nicht übertragbar sind. Aber die Forschungspolitiken<br />

der Schweiz und Deutschlands bzw. deren Förderstrategien<br />

wären es Wert gewesen, hier herangezogen<br />

und geprüft zu werden (s.o.). Durch und durch vorbildlich<br />

zu sein, kann für das deutsche System allerdings auch<br />

nicht reklamiert werden – zu erinnern ist an das Debakel<br />

zunächst fehlender Gesamtplanung für die kleinen Fächer,<br />

das zumindest mit einer Bestandsaufnahme (Karte<br />

kleiner Fächer) aufzuarbeiten begonnen wurde.<br />

F) Aktionsebene: Sind innerhalb des gewählten Systems<br />

Optimierungsmöglichkeiten nicht genutzt worden?<br />

Selbstverständlich bedeutet es eine wichtige Ergänzung<br />

bisheriger Informationsgrundlagen für die Förderentscheidung,<br />

nun auch die Lebendigkeit der Forschungsumgebung<br />

einzubeziehen. Es macht einen Unterschied,<br />

ob einem Autor inmitten vielen Stillstands einmal eine<br />

gute Publikation gelungen ist, oder ob es sich um eine<br />

pulsierende Forschergemeinschaft handelt, aus deren<br />

Mitte heraus Publikationen zustande kommen.<br />

Aber dem System fehlt es an Entwicklungsdynamik, an<br />

Zukunftsbezogenheit. Verknüpft mit den infrastrukturellen<br />

Folgen des Systems besteht ein Schwachpunkt des<br />

Vorgehens darin, dass die bewerteten Leistungen (als<br />

Publikationen) immer solche der Vergangenheit sind.<br />

Von ihr wird auf die Zukunft geschlossen im Sinne der<br />

Verlängerung der Finanzierung, des “weiter so”. Aber<br />

weder scheint es eine Zukunfts-(Infrastruktur-)Planung<br />

gegeben zu haben, noch eine Bewertung überzeugender<br />

Zukunftskonzepte einzelner Hochschulen oder “units of<br />

assessment” innerhalb der Hochschulen. Dazu hätte es<br />

eines Selbstberichts bedurft, wie im Peer Review der<br />

Lehrevaluation. In ihm können Zukunfstkonzepte entwickelt<br />

werden, deren Einlösung dann in den folgenden<br />

Verfahren nachgehalten werden könnte.<br />

Der Bewertungsspunkt “lebendige Forschungsumgebung”<br />

könnte zu einer Gelegenheit ausgebaut werden,<br />

bei der junge, bisher wenig bedeutsame Forscher/innen<br />

mit Hilfe überzeugender Zukunftskonzepte (im Rahmen<br />

der Prozentanteile dieses Bewertungspunktes) eine<br />

Aufbesserung ihrer Forschungsinfrastruktur bekommen<br />

könnten. Im Fall positiver Begutachtung hätten sie bessere<br />

Chancen, sich bis zum nächsten Verfahren mit weiteren,<br />

förderwürdigen Leistungen auszuweisen. (Zu weiteren<br />

Details s.u. Ziff. 6.3).<br />

G) Aktionsebene: Einschätzung des legitimatorischen<br />

bzw. partizipatorischen Prozesses bei Neuaufbau und<br />

Einführung – ein partizipatives Modell für Deutschland?<br />

Die Abfolge von Beratungsvorlagen, Anhörungen, Überarbeitungen,<br />

Informationen über den Sachstand und<br />

deren Transparenz sowie öffentliche Zugänglichkeit<br />

können vorbildlich genannt werden. Großbritannien<br />

besticht ausländische Beobachter immer wieder durch<br />

stärker ausgeprägte partizipative Verfahren als im Herkunftsland<br />

der Beobachter. Sie sind natürlich Ergebnis<br />

historischer Erfahrungen – auch jüngster Erfahrungen<br />

– mit der Entwicklung, Entscheidung und Durchführung<br />

von Neuerungen und den mit ihrer Einführung verbundenen<br />

Konflikten. Das galt für Großbritannien sowohl<br />

für die Erfahrungen mit der Lehrevaluation im Wege des<br />

zweistufigen Peer Review seit Mitte der 80er Jahre, als<br />

auch praktisch zeitgleich für das RAE, bei denen immer<br />

wieder der Vorwurf mangelnder Aufklärung und Einbeziehung<br />

von Betroffenen erhoben wurde. Ähnlich negative<br />

Erfahrungen sind (relativ wenig spektakulär) in den<br />

70er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Deutschland mit<br />

der Sanierung von Stadtteilen gemacht worden, medial<br />

sichtbar eher nur bei Hausbesetzungen bzw. deren Räumung.<br />

Kaum wahrgenommen wurde aber die Einführung<br />

von Partizipationsformen, wie Stadtteil- bzw. Bürgerbüros<br />

und von Zukunftswerkstätten, die eine prominent<br />

gewordene Form der Bürgerbeteiligung geworden sind<br />

neben vielen anderen, wenig bekannten, wie der “Planungszelle”<br />

usw. In Deutschland sind neue, spektakuläre<br />

Formen der Partizipation erst wieder im Zusammenhang<br />

mit dem Projekt Stuttgart 21 entwickelt worden.<br />

Das britische Partizipationsverfahren ist teilweise an<br />

feste Regeln gebunden, teilweise frei gestaltbar. Das<br />

Vorgehen kann an der Entwicklung des REF erneut studiert<br />

werden. Relativ normal bei Regierungshandeln sind<br />

“green papers” und “white papers” (etwa unserem Referentenentwurf<br />

und 1. Gesetzesentwurf vergleichbar, verbunden<br />

mit gezielten Anhörungen von Betroffenen und<br />

externen Experten). Viele Elemente sind durchaus auch<br />

in Deutschland anzutreffen. Aber sie werden in Großbritannien<br />

intensiver, konsequenter und damit wirksamer<br />

eingesetzt. Im Zeitalter elektronischer Möglichkeiten<br />

werden – über die sorgfältige Einbindung diverser inund<br />

ausländischer Experten und Gesellschaften hinaus<br />

– breite Veröffentlichungschancen und offene Einladungen<br />

zu Stellungnahmen in dem hier betrachteten Entwicklungsprozess<br />

des REF in zwei Konsultationen eingesetzt,<br />

die 534 Antworten nicht nur sorgfältig ausgewertet,<br />

sondern alle Antworten sogar wieder öffentlich zugänglich<br />

gemacht haben (“A summary of the responses<br />

is now available at www.hefce.ac.uk/ref alongside the<br />

consultation document (HEFCE 2009/38)”). Besonders<br />

bemerkenswert ist am britischen Verfahren:<br />

- die sorgfältige, höchst partizipative Vorgehensweise<br />

bei der Entwicklung von Kriterien und Verfahren (stärker<br />

als in D),<br />

- frühzeitige Nominierungsmöglichkeiten (breit, öffentlich)<br />

für die Gremien,<br />

- frühzeitige Ernennung der Prüf- und Entscheidungsgremien<br />

(insbesondere Vorsitz), damit sie noch als Experten<br />

in den Entwicklungsprozess eingreifen können,<br />

- Pilotstudien mit einer Fülle von Universitäten, um die<br />

Methoden und das Instrumentarium zu erproben und<br />

Ergebnisse zu verwerten,<br />

- u.a. befördert von den sehr negativen Erfahrungen, die<br />

das UK mit dem Peer Review Verfahren zur Qualität<br />

von Lehre und Studium ab 1985 z.T. gemacht hatte.<br />

Alle Formen der Partizipation werfen allerdings auto-<br />

Fo 1+2/<strong>2011</strong><br />

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