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Wirtschaft<br />
Karlsruhe muss erneut einen Baustein<br />
der Euro-Krisenpolitik prüfen<br />
Mit Milliarden mussten Steuerzahler europäische Banken<br />
vor dem Zusammenbruch bewahren - als Lehre aus den<br />
Schockwellen nach der Pleite der US-Bank Lehman. Nun<br />
soll eine neue Bankenaufsicht die Branche stärker überwachen.<br />
Kritiker greifen das nun juristisch an.<br />
Karlsruhe (dpa) - Abermals müssen die deutschen Verfassungsrichter<br />
ein Kernelement der Euro-Krisenpolitik unter die Lupe nehmen. Mehrere<br />
Professoren um den Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber<br />
greifen die Beschlüsse zur Europäischen Bankenunion an. Eine<br />
entsprechende Verfassungsbeschwerde ging bereits am Freitag in<br />
Karlsruhe ein, wie das oberste deutsche Gericht am Montag mitteilte.<br />
Sie habe das Aktenzeichen 2 BVR 1685/14 erhalten. «Das Bundesverfassungsgericht<br />
wird die Beschwerde jetzt sorgfältig prüfen und<br />
dann über das weitere Vorgehen entscheiden», sagte der Sprecher.<br />
Die Bankenunion gilt als eines der ehrgeizigste Projekte bei<br />
der Bewältigung der Finanz- und Staatsschuldenkrise. Sie besteht<br />
aus drei Säulen: Einer gemeinsamen Bankenaufsicht unter<br />
dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB), die im Herbst 2014<br />
starten soll, sowie einem gemeinsamen Mechanismus samt Finanzierungsfonds<br />
zur Abwicklung strauchelnder Banken, der 2016 einsatzbereit<br />
sein soll. Als weiterer Baustein werden nationale Einlagensicherungssysteme<br />
harmonisiert.<br />
Kerber argumentiert, dass die Bankenaufsicht rechtlich nicht gedeckt<br />
seit. «Die Europäische Zentralbank bekommt mehr Macht<br />
als ihr zusteht. Dies ist ein Grundrechtsverstoß», hatte Kerber als<br />
Initiator der Verfassungsbeschwerde am Sonntag der Nachrichtenagentur<br />
dpa gesagt. Artikel 127 des Vertrags, der das geldpolitische<br />
Mandat der EZB regelt, erlaube keinen «Totaltransfer» nationaler<br />
Aufsichten auf die EZB. Das Bundesfinanzministerium reagierte gelassen<br />
auf Kerbers Beschwerde. Berlin ist demnach überzeugt, dass<br />
die Bankenunion und die Bankenaufsicht verfassungsgemäß sind.<br />
Um mögliche Ziel- und Interessenskonflikte zwischen der Geldpolitik<br />
und der Bankenaufsicht von vornherein zu unterbinden, hatten<br />
die EU-Politiker eigens die Struktur der EZB erweitert. Demnach<br />
läuft die Bankenaufsicht nicht unter der Regie des EZB-Rates, der<br />
die Geldpolitik steuert. Vielmehr gibt es ein neues Aufsichtsgremium,<br />
das aus Vertretern der EZB und der nationalen Aufsichtsbehörden<br />
besteht. Überdies werden der europäischen Bankenaufsicht<br />
nur «bedeutende» Bankengruppen unterworfen, die die Stabilität<br />
des Finanzsystems gefährden könnten. Die nationalen Aufseher<br />
bleiben für die Kontrollen der restlichen Institute zuständig.<br />
Kerber kündigte kündigte an, seine Verfassungsbeschwerde werde<br />
um den geplanten Banken-Abwicklungsfonds erweitert. «Da dieser<br />
aber noch nicht rechtskräftig ist, kann er auch noch nicht angegriffen<br />
werden.» Der Vorsitzende der euro-kritischen Partei Alternative für<br />
Deutschland (AfD), Bernd Lucke, begrüßte die Beschwerde Kerbers.<br />
«Die Bankenunion zielt auf die Vergemeinschaftung der Schulden aller<br />
europäischen Banken ab», sagte er der Tageszeitung «Die Welt».<br />
Das Bundesverfassungsgericht hatte sich erst im Februar mit einem<br />
anderen zentralen Element der Euro-Rettung befasst. Dabei hatte<br />
das Gericht entschieden, das umstrittene Programm der Europäischen<br />
Zentralbank (EZB) zum Ankauf von Staatsanleihen (OMT) vom<br />
Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen. Das deutsche Verfassungsgericht<br />
geht davon aus, dass die EZB damit ihre Kompetenzen<br />
überschritten hat. Der 2012 beschlossene Plan der Notenbank gilt<br />
als Hauptfaktor für die Beruhigung der Euro-Schuldenkrise.<br />
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