28.10.2014 Aufrufe

P.T. MAGAZIN 05/2010

Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Gesellschaft<br />

(Foto: © Monika Tugcu/PIXELIO)<br />

10<br />

vermeidung ist natürlich die hohe<br />

Kunst der Menschenvermeidung.<br />

Die Autorin Stefanie Iris Weiss, die<br />

sich schon mit Anleitungen für Yoga<br />

und veganes Leben für Teenager um<br />

die Menschheit verdient gemacht<br />

hat, will uns mit ihrem Öko-Sex-<br />

Ratgeber „Eco-Sex: Go Green Between<br />

the Sheets and Make Your<br />

Love Life Sustainable“ zeigen, dass<br />

man gleichzeitig Spaß haben und<br />

ökologisch Gas geben kann.<br />

Die Ratschläge sind gähnend interessant:<br />

Blumen für den Liebsten im<br />

Garten pflücken statt aus Kolumbien<br />

einfliegen zu lassen, Kondome<br />

aus biologisch abbaubarem Latex<br />

und handbetriebenes Sexspielzeug<br />

(ohne Batterien). Regel Nummer<br />

eins für „Ökosexuelle“ ist laut Weiss<br />

aber natürlich, „weniger oder gar<br />

keine Kinder zu bekommen“.<br />

So sieht es auch die gemeinnützige<br />

Stiftung „Optimum Population<br />

Trust“ (OPT), die daher einen speziellen<br />

Ablasshandel anbietet. Auf<br />

der Website www.popoffsets.com<br />

kann man seinen sündigen Konsum<br />

wieder gutmachen, indem man<br />

Geld gibt, das zur Vermeidung von<br />

Menschen eingesetzt wird – laut<br />

PopOffset die effektivste Form des<br />

Sündenerlasses.<br />

Ein Hund oder zwei Land Cruiser?<br />

OPT behauptet, für 7 Dollar durch<br />

Geburtenvermeidung eine Tonne<br />

CO2 einsparen zu können. Dagegen<br />

sehen Windkraft (24 Dollar), Solarenergie<br />

(51 Dollar), CO2-Sequestrierung<br />

(57-58 Dollar), Hybridautos (92<br />

Dollar) und Elektroautos (131 Dollar)<br />

alt aus. Diese Art von Rechenübung<br />

bringt schnell auch Tierfreunde,<br />

Anmerkungen<br />

die gleichzeitig den Planeten retten<br />

wollen, in arge Bedrängnis.<br />

In ihrem Buch „Time to Eat the<br />

Dog?: The Real Guide to Sustainable<br />

Living“ berechnen die neuseeländischen<br />

Umweltschützer Robert<br />

und Brenda Vale den ökologischen<br />

Pfotenabdruck unserer tierischen<br />

Lieblinge.<br />

Das Ergebnis ist für den ökologisch<br />

korrekten Tierhalter ein harter<br />

Schlag: Ein mittelgroßer Hund hat<br />

einen mehr als doppelt so großen<br />

Ressourcenverbrauch wie ein Toyota<br />

Land Cruiser (Herstellung und 10<br />

000 km/Jahr). Eine Katze kommt<br />

knapp an einen VW-Golf heran.<br />

Naturschutz und Wachstum<br />

Im Dienste des globalen, moralisierenden<br />

und kulturpessimistischen<br />

Nachhaltigkeitsbetriebs ist das Konzept<br />

des ökologischen Fußabdrucks<br />

nur ein schlechtes Propagandainstrument.<br />

Es enthält dennoch einen<br />

richtigen Grundgedanken: Es ist<br />

ein sinnvolles Ziel, den Flächenverbrauch<br />

gering zu halten. Effizienz ist<br />

eine feine Sache.<br />

Und Effizienz lässt sich auch wunderbar<br />

mit Wohlstand verbinden.<br />

Der Königsweg dorthin ist eine noch<br />

viel stärker technisierte Landwirtschaft<br />

und moderne Industrie. Es ist<br />

durchaus interessant zu betrachten,<br />

was nicht dazu beiträgt, den Verbrauch<br />

an biologisch aktiven Flächen<br />

zu verkleinern.<br />

n (1) Stefan Giljum u. a.: Wissenschaftliche Untersuchung und Bewertung des Indikators<br />

„Ökologischer Fußabdruck“, Dessau-Roßlau, Dezember 2007, Download unter<br />

www.umweltbundesamt.de<br />

n (2) Jakob Schrenk: „Unser Mann für die Welt“, 19.10.07, www.utopia.de<br />

n (3) Loreen Gabriel u. a.: „Scale matters: the impact of organic farming on biodiversity at<br />

different spatial scales“ in: Ecology Letters, 22.03.10<br />

n (4) Despommier: „Das Gewächshaus im Wolkenkratzer“ in: Spektrum der Wissenschaft, 4/10<br />

Als Erstes ist da extensive Landwirtschaft<br />

zu nennen. Der Flächenverbrauch<br />

im ökologischen Landbau<br />

ist doppelt so hoch wie im konventionellen.<br />

Für jeden Hektar ökologisch<br />

bebautes Ackerland muss ich<br />

demnach eine halben Hektar Natur<br />

opfern. Der Nutzen für die Umwelt<br />

steht in keinem Verhältnis dazu.<br />

Die Biodiversität auf ökologisch genutzten<br />

Agrarflächen ist lediglich<br />

12% höher als bei konventionellen. (3)<br />

Wohlstand UND intakte Natur sind<br />

machbar<br />

Sehr positive Effekte gehen dagegen<br />

vom globalen Trend der Verstädterung<br />

aus. Städte sind effizient. Sie<br />

sind gleichzeitig Hotspots der Biodiversität.<br />

Die artenreichste Region<br />

Deutschlands ist Berlin. Und Städte<br />

könnten in Zukunft sogar einen<br />

großen Teil der von den Bewohnern<br />

benötigten Lebensmittel selbst produzieren.<br />

Denn der Flächenbedarf der Landwirtschaft<br />

lässt sich noch um Größenordnungen<br />

reduzieren, bis hin<br />

zur Variante des vom Acker gänzlich<br />

gelösten „Urban Farming“, wie es<br />

der Mikrobiologe Dickson Despommier<br />

von der Columbia Universität<br />

propagiert, bei dem in einem Hightech-Gewächshochhaus<br />

auf einer<br />

innerstädtischen Fläche von zwei<br />

Hektar so viel Nahrung produziert<br />

werden könnte wie auf 1 000 Hektar<br />

Ackerland. (4)<br />

Wenn wir uns nicht von der irrigen<br />

Vorstellung, wir zehrten vom<br />

„Kapital“ der Natur, ins Bockshorn<br />

jagen lassen, sondern mithilfe der<br />

menschlichen Kreativität die menschengerechte<br />

Gestaltung des Planeten<br />

konsequent weiter verfolgen,<br />

werden wir Wohlstand für alle und<br />

eine „intakte“ Natur sehr gut unter<br />

einen Hut bekommen. Und dabei<br />

können wir uns auch gerne den<br />

einen oder anderen Öko-Bauernhof<br />

– mit Streichelzoo, Traktor, Geländewagen<br />

und womöglich sogar einem<br />

mittelgroßen Hund – als Ausflugsziel<br />

leisten. n<br />

Thilo Spahl<br />

Dieser Artikel erschien ungekürzt<br />

unter dem Titel „Wir schulden der<br />

Natur nichts“ zuerst in NovoArgumente<br />

107 – Juli, August <strong>2010</strong><br />

P.T. <strong>MAGAZIN</strong> 5/<strong>2010</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!