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9. § 5 Grundrechtsschutz im Mehrebenensystem

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Grundrechte<br />

§ 5 <strong>Grundrechtsschutz</strong> <strong>im</strong> <strong>Mehrebenensystem</strong><br />

I. Grundgesetz und Landesgrundrechte<br />

(1) Landesgrundrechte<br />

Auch die Landesverfassungen (nicht alle) gewährleisten Grundrechte und normieren<br />

eigene Landesverfassungsgerichte (z.T. mit Recht der Landesverfassungsbeschwerde).<br />

(2) Grundrechte und verfassungsgerichtlicher <strong>Grundrechtsschutz</strong> in der BV<br />

Lindner: Die Grundrechte der Bayerischen Verfassung, BayVBl. 2004, 641; ders. in:<br />

Lindner/Möstl/Wolff, BV, vor Art. 98<br />

Die BV verfügt über einen eigenen Grundrechtsteil (Art. 98-123 BV); zum Teil sind<br />

Grundrechte auch anderswo in der BV normiert (z.B. Art. 141 III BV).<br />

Bayern verfügt über einen Verfassungsgerichtshof (Art. 60-69 BV; VfGHG)<br />

Die Grundrechte der BV sind vor dem VerfGH „einklagbar“:<br />

– Popularklage gegen Normen des Landesrechts: Art. 98 S.4 BV, Art. 55 VfGHG<br />

– Verfassungsbeschwerde gegen sonstige behördliche und gerichtliche Akte:<br />

Art. 66, 120 BV, Art. 51 ff. VfGHG<br />

(3) Wirkkraft und Spielräume der Landesgrundrechte <strong>im</strong> deutschen Bundesstaat<br />

Literatur:<br />

– Möstl, Landesverfassungsrecht – zum Schattendasein verurteilt?, AöR 130<br />

(2005), 350; ders., in: Lindner/Möstl/Wolff, BV, Vorbem. B<br />

Fragen:<br />

– Inwieweit gelten Landesgrundrechte gegenüber parallelen Bundesgrundrechten<br />

(die auch die Länder als unmittelbar geltende Durchgriffsnormen binden; Art. 1<br />

Abs.3 GG) überhaupt fort?<br />

– Dürfen Landesgrundrechte weiter oder weniger weit reichen als<br />

Bundesgrundrechte?<br />

– Wen binden Landesgrundrechte? Kommen Landesgrundrechte auch zur<br />

Anwendung, wenn Landesbehörden/-gerichte Bundesrecht vollziehen/anwenden?<br />

Beispiele:<br />

– Darf BayVerfGH Gemeinden Grundrechtsträgerschaft zusprechen, obwohl das<br />

BVerfG die Gemeinden nicht als Grundrechtsträger ansieht? (VerfGH 37, 101)<br />

– Inwieweit kommen Landesgrundrechte zum Tragen, wenn Landesgerichte nach<br />

Bundesprozessrecht handeln? Honnecker-Fall: BerlVerfGH NJW 1993, 515.<br />

Teilweise Klärung durch BVerfGE 96, 435<br />

– Müssen auch in Bayern private Rundfunkanbieter – trotz eigentlichen Monopols<br />

öffentlich-rechtlicher Trägerschaft (Art. 111a Abs.2 BV) als Träger der<br />

Rundfunkfreiheit anerkannt werden? (BVerfGE 97, 298; VerfGH 56, 1; 58, 137)<br />

– Wie weit reicht das „einzigartige“ Landesgrundrecht auf freien Naturgenuss (Art.<br />

141 Abs.3 BV) gegenüber kollidierenden Bundesgrundrechten (Art. 14 GG)?


Die relevanten Normen:<br />

Art. 28 I GG<br />

Art. 31 GG<br />

• Verfassungsautonomie der Länder • Bundesrecht bricht Landesrecht<br />

• 2 grundsätzlich selbständig neben- • Über- und Unterordnung<br />

einander stehende Verfassungsräume • Normenpyramide<br />

• Homogenitätsgebot<br />

Homogenitäts-<br />

GG BV Grundgesetz<br />

gebot<br />

Bundesgesetz<br />

BundesVO/-satzung<br />

Landesverfassung<br />

Landesgesetz<br />

LandesVO/-satzung<br />

Die – allerdings wenig klare – Auflösung dieses Spannungsfeldes durch<br />

Art. 142 GG :<br />

„Ungeachtet der Vorschrift des Artikels 31 bleiben Best<strong>im</strong>mungen der<br />

Landesverfassungen auch insoweit in Kraft, als sie in Übereinst<strong>im</strong>mung mit den<br />

Artikeln 1 bis 18 dieses Grundgesetzes Grundrechte gewährleisten.<br />

Systematische Herleitung:<br />

– Verfassungsautonomie und Recht zur Vollverfassung; BVerfGE 36, 342/361<br />

– Bloße Bindung der Landesstaatsgewalt, nicht der Bundesstaatsgewalt<br />

– Die Schranken des Homogenitätsgebots, Art. 28 Abs.1 GG und die Folgen eines<br />

Verstoßes gegen das Homogenitätsgebot<br />

– Die Bedeutung des Art. 31 GG<br />

Wie weit reicht Art. 31? Verdrängung nur bei echtem Normwiderspruch oder<br />

Verdrängung auch parallelen Landesrechts? Nichtigkeit oder bloße<br />

Nichtanwendbarkeit <strong>im</strong> Kollisionsfall? Hier ist vieles strittig. Leitlinie m.E.:<br />

Auslegung des Art. 31 GG <strong>im</strong> Lichte des Art. 28 I GG: Eine sich in den Grenzen<br />

des Art. 28 I GG haltende Norm der Landesverfassung darf in ihrer<br />

Maßstabskraft nicht stärker gebrochen werden, als zur Sicherung des Vorrangs<br />

des Bundesrechts unbedingt notwendig.<br />

– Die Bedeutung des Art. 142 GG<br />

Art. 142 GG stellt in diesem Sinne klar, dass Landesgrundrechte neben<br />

parallelen Bundesgrundrechten in Geltung bleiben.<br />

Landesgrundrechte dürfen dabei grundsätzlich auch weiter reichen oder weniger<br />

weit reichen als das bundesrechtliche Parallelgrundrecht, denn allein darin liegt<br />

kein Normwiderspruch; BVerfG 96, 345<br />

An Grenzen stoßen die Landesgrundrechte aber in kollidierenden<br />

Bundesgrundrechten Dritter.


– Noch nicht völlig geklärt: Wirkkraft der Landesgrundrechte bei der Anwendung<br />

von Bundesrecht durch die Landesstaatsgewalt:<br />

Grundsätzlich zwei gegenläufige Positionen denkbar:<br />

eA: Anwendung vorrangigen Bundesrechts kann von vornherein nicht durch<br />

niederrangiges Landesverfassungsrecht determiniert werden.<br />

aA: Auch Anwendung von Bundesrecht ist Ausübung von Landesstaatsgewalt<br />

und deswegen an die Landesgrundrechte gebunden, soweit Bundesrecht<br />

Spielräume belässt (Spielraumtheorie).<br />

Handhabung der Gerichte uneinheitlich:<br />

BVerfG: teilweise Klärung in E 96, 345 (Bundesprozess-/-verfahrensrecht und<br />

Landesgrundrechte; Anwendbarkeit bejaht allerdings völlige Ergebnisgleichheit<br />

mit GG gefordert; Anwendung materiellen Rechts offengelassen)<br />

BayVerfGH (z.B. 46, 185; 57, 1): Prüfung der Anwendung von<br />

Bundesprozessrecht anhand von Landesprozessgrundrechten; die Anwendung<br />

von materiellem Bundesrecht wird allein am Willkürverbot gemessen<br />

BerlVerfGH: volle Anwendbarkeit in den Spielräumen des Bundesrechts<br />

Zusammenfassung:<br />

a) Bei echtem Normwiderspruch: Landesverfassung tritt zurück<br />

b) Bei inhaltsgleichen Regelungen: Nach h.M. bleibt paralleles<br />

Landesverfassungsrecht wirksam und anwendbar. Für die Grundrechte wird dies<br />

durch Art. 142 GG ausdrücklich bestätigt.<br />

c) Auch bei weitergehenden oder weniger weit reichenden parallelen<br />

Landesgrundrechten liegt nach h.M. regelmäßig kein Normwiderspruch iSv Art.<br />

31, 142 GG <strong>im</strong> Verhältnis zur bundesrechtlichen Parallelregelung vor. Allerdings<br />

bedarf es einer verstärkten Prüfung, ob weitergehende Landesnormen mit<br />

sachlich gegenläufigem Bundesrecht, z.B. Grundrechten Dritter, kollidieren.<br />

d) Sofern Landesverfassungsrecht zurückzutreten hat: Nichtigkeit oder<br />

Unanwendbarkeit?<br />

Tendenz Rechtsprechung (BVerfGE 36, 142): bloße Unanwendbarkeit.<br />

Richtig wohl: Nichtigkeit nur bei Überschreitung des durch Art. 28 GG<br />

(Homogenitätsgebot) gezogenen äußersten Rahmens. Ansonsten (bei<br />

Normkollisionen i.S.v. Art. 31 GG) bloße Unanwendbarkeit <strong>im</strong> konkreten Fall.<br />

e) Problemfeld Wirkkraft des Landesverfassungsrechts, wenn bayerische Behörden<br />

Bundesrecht vollziehen bzw. bayerische Gerichte nach Bundesprozessordnung<br />

handeln. (BVerfGE 96, 345; BayVerfGH 11, 90; 17, 59; 43, 12; 51, 49;<br />

BerlVerfGH, NJW 1993, 515; NJW 1994, 436); m.E.:<br />

– Wenn anzuwendendes einfaches Bundesrecht keinen Spielraum lässt<br />

→ Landesverfassung tritt zurück.<br />

– Wenn anzuwendendes einfaches Bundesrecht Spielraum lässt<br />

→ unterscheide:<br />

-Soweit auch GG (v.a. Grundrechte) Spielraum lässt → Landesverfassung<br />

kann eigene Akzente setzen<br />

– Soweit GG Rechtsfolge vorgibt: Landesverfassung bleibt nur anwendbar,<br />

soweit sie zur gleichen Rechtsfolge führt wie das GG (BayVerfGH muss wie<br />

BVerfG judizieren; ggf. Art. 100 III GG).<br />

– Fallgruppen: Verordnungserlass, gerichtliches Verfahrensrecht,<br />

Verwaltungsermessen, unbest<strong>im</strong>mte Rechtsbegriffe.


II.<br />

Grundgesetz und EU-Grundrechte<br />

Beispiele:<br />

Bananenmarktordnung (BVerfGE 102,147; EuGH NJW 1995, 945; EuZW 1997, 61)<br />

-> Frage nach Europäischem <strong>Grundrechtsschutz</strong> vor europäischen Gerichten gegen VO<br />

-> Frage nach deutschem <strong>Grundrechtsschutz</strong> entweder direkt gegen VO oder gegen deutsche<br />

Staatsorgane, die EG-VO vollziehen<br />

Europäischer Haftbefehl und Art. 16 II GG: BVerfGE 113, 273<br />

(1) Grundrechte und <strong>Grundrechtsschutz</strong> in der EU<br />

– Literatur:<br />

Rengeling/Szcekalla, Grundrechte in der Europäischen Union, 2004<br />

Kingreen, Die Gemeinschaftsgrundrechte, JuS 2000, 857<br />

– EU-Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze des Unionsrechts; Art. 6 Abs.2 EU<br />

– Die Charta der Grundrechte<br />

– Bindung allein der Union und der Mitgliedstaaten nur, soweit sie Unionsrecht<br />

anwenden oder umsetzen (vgl. Art. 51 Abs.1 GRC)<br />

– Die besondere Funktion der Grundfreiheiten (Art. 28 ff., 39 ff., 43 ff., 49 ff, 56 ff. EG)<br />

– Rechtsschutz/<strong>Grundrechtsschutz</strong> vor EuGH/EuG<br />

– gegen Handeln von EU-Organen: Art. 230 EG<br />

– gegen Mitgliedstaaten bei Durchführung des Unionsrechts: mitgliedstaatliche<br />

Rechtsbehelfe mit Vorabentscheidungsverfahren vor EuGH (Art. 234 EG);<br />

gemeinschaftsrechtswidrige Nichtvorlage an EuGH uU mittels<br />

Verfassungsbeschwerde zum BVerfG (wegen Art. 101 Abs.1 S.2 GG) angreifbar<br />

(2) Inwieweit gibt es noch einen deutschen <strong>Grundrechtsschutz</strong> gegenüber<br />

EU-Rechtsakten und <strong>im</strong> Rahmen der Anwendung/Umsetzung von EU-Recht?<br />

– Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber mitgliedstaatlichem Recht,<br />

auch mitgliedstaatlichem Verfassungsrecht<br />

dazu: Terhechte: Grundwissen – Öffentliches recht: Der Vorrang des<br />

Gemeinschaftsrechts, JuS 2008, 403<br />

– Das Grundgesetz gestattet diese Öffnung der deutschen Rechtsordnung zugunsten einer<br />

Anwendungsvorrang genießenden supranationalen Rechtsordnung.<br />

Instrument hierzu: Übertragung von Hoheitsrechten (Art. 23 Abs.1 GG)<br />

– Deutsche Grundrechte können bindenden Gemeinschaftsrechtsakten deswegen<br />

grundsätzlich weder unmittelbar noch <strong>im</strong> Rahmen ihrer Umsetzung/Anwendung durch<br />

die deutsche Staatsgewalt (trotz Art. 1 Abs.3 GG!) entgegengehalten werden. Unstrittig<br />

ist umgekehrt, dass, soweit der Gemeinschaftsrechtsakt der deutschen Staatsgewalt<br />

Spielräume belässt, die deutschen Grundrechte zu beachten sind.<br />

– Die Übertragung von Hoheitsrechten unterliegt gemäß Art. 23 Abs.1 GG jedoch<br />

gewissen Maßgaben und Grenzen. Insbesondere ist „Geschäftsgrundlage“ der<br />

Hoheitsrechtsübertragung, dass auf Unionsebene „ein diesem Grundgesetz <strong>im</strong>


wesentlichen vergleichbarer <strong>Grundrechtsschutz</strong>“ gewährleistet ist (so jetzt ausdrücklich<br />

Art. 23 Abs.1 S.1 GG, so zuvor bereits das BVerfG). Hieraus ergibt sich – jedenfalls<br />

aus Sicht des Grundgesetzes – die Möglichkeit, den Vorrang des Gemeinschaftsrechts<br />

äußerstenfalls in Frage zu stellen und deutsche Grundrechte doch zur Anwendung<br />

kommen zu lassen.<br />

Die Rechtsprechung des BVerfG hierzu hat sich wie folgt entwickelt:<br />

– ”Solange I”, BVerfG 37, 271: Maßgeblichkeit der deutschen Grundrechte,<br />

solange die EG über keinen dem GG vergleichbaren <strong>Grundrechtsschutz</strong><br />

verfügt.<br />

– “Solange II”, BVerfG 73, 339: keine Überprüfung von EG-Sekundärrecht<br />

am Maßstab der deutschen Grundrechte durch das BVerfG, solange die<br />

Rechtsprechung des EuGH einen dem vom Grundgesetz als unabdingbar<br />

gebotenen Grundrechtstandard <strong>im</strong> wesentlichen gleichzuachtenden<br />

<strong>Grundrechtsschutz</strong> gewährleistet.<br />

– “Maastricht”, BVerfGE 89, 155: <strong>Grundrechtsschutz</strong> in einem Kooperationsverhältnis<br />

mit dem EuGH, in dem das BVerfG gewährleiste, dass ein dem<br />

Grundgesetz <strong>im</strong> wesentlichen vergleichbarer <strong>Grundrechtsschutz</strong> auch gegenüber<br />

der europäischen Hoheitsgewalt generell sichergestellt sei. Es blieb strittig,<br />

ob diese Aussage eine Abweichung von der Solange II-Doktrin<br />

bedeutetete oder nicht.<br />

– “Bananenmarktordnung”, BVerfGE 102, 147, sieht “Maastricht” auf einer<br />

Linie mit “Solange II” und stellt klar: “Verfassungsbeschwerden ..., die eine<br />

Verletzung in Grundrechten des Grundgesetzes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht<br />

geltend machen, sind von vornherein unzulässig, wenn ihre<br />

Begründung nicht darlegt, dass die europäische Rechtsentwicklung einschließlich<br />

der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach Ergehen der<br />

Solange II-Entscheidung (BVerfGE 73, 339/378-381) unter den erforderlichen<br />

Grundrechtsstandard abgesunken sei”.<br />

– BVerfGE 118, 79: „Auch die innerstaatliche Umsetzung von Richtlinien des<br />

Gemeinschaftsrechts, die den Mitgliedstaaten keinen Umsetzungsspielraum<br />

belassen, sondern zwingende Vorgaben machen, wird vom<br />

Bundesverfassungsgericht und den Fachgerichten nicht am Maßstab der<br />

Grundrechte des Grundgesetzes gemessen, solange die Rechtsprechung des<br />

Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der<br />

Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell<br />

gewährleitet, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen<br />

<strong>Grundrechtsschutz</strong> <strong>im</strong> Wesentlichen gleich zu achten ist“.


III. Grundgesetz und EMRK<br />

– Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten<br />

(EMRK) vom 4.11. 1950 und ihre Zusatzprotokolle<br />

– Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Sitz: Straßburg) und das Recht zur<br />

Individualbeschwerde (Art. 19 ff., insbesondere Art. 34 EMRK)<br />

– Bedeutung in Deutschland (<strong>im</strong> innerstaatlichen Recht)<br />

– Die EMRK gilt (über Art. 59 Abs.2 GG) in Deutschland <strong>im</strong> Rang eines einfachen<br />

Bundesgesetzes (kein Verfassungsrang, keine sonst wie geartete Höherrangigkeit);<br />

BVerfGE 111, 207/317 ff.<br />

– Bedeutung für die fachgerichtliche Rechtsanwendung (BVerfGE 111, 307):<br />

Pflicht, die EMRK in ihrer Auslegung durch den EGMR <strong>im</strong> Rahmen methodisch<br />

vertretbarer Auslegung und in den Grenzen zwingenden Verfassungsrechts<br />

(mehrpolige Grundrechtsverhältnisse!) zu beachten. Zwar keine unmittelbare<br />

Rügefähigkeit von Konventionsverstößen vor dem BVerfG; möglich ist es aber,<br />

die unzureichende Berücksichtigung der EMRK durch ein Fachgericht als<br />

Verletzung des entsprechenden deutschen Grundrechts iVm dem<br />

Rechtsstaatsprinzip vor dem BVerfG anzugreifen. Die Fachgerichte sollen die<br />

EMRK andererseits nicht „schematisch vollstrecken“, sondern in die deutsche<br />

Rechtsordnung „einpassen“; der Gesetzeswortlaut sowie zwingende Vorgaben des<br />

GG markieren die Grenzen der prinzipiell verpflichtenden konventionskonformen<br />

Auslegung.<br />

– Überdies wird bereits die Interpretation des GG durch das BVerfG von der EMRK<br />

beeinflusst (Grundrechts<strong>im</strong>port, z.B. Art. 6 EMRK; Orientierung an der<br />

Rechtsprechung des EGMR); die EMRK fungiert insoweit allerdings nur als<br />

Auslegungshilfe. Selbst <strong>im</strong> lange umstrittenen mehrpoligen Grundrechtsverhältnis<br />

Pressefreiheit-Persönlichkeitsrecht orientiert sich das BVerfG zunehmend an<br />

EMRK/EGMR (BVerfG vom 26.2.2008 – 1 BvR 1602/07 u.a.); das BVerfG prüft<br />

insoweit nach, ob „Einfluss der deutschen Grundrechte, auch unter<br />

Berücksichtigung der Gewährleistungen der Europäischen<br />

Menschenrechtskonvention, auf die Auslegung der zivilrechtlichen Normen“ von<br />

den Fachgerichten hinreichend beachtet wurde.

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