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iMAG 2010/04 - i-mag.tv

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16<br />

„Das Erleben der Schönheit entsteht aus der Übertragung des eigenen<br />

Selbst auf das wahrgenommene Objekt und aus dem daraus<br />

resultierenden Bewusstsein einer Vereinigung des Künstlers mit seinem<br />

„Gast“. Auf diese Weise ist es für einen Menschen möglich, das<br />

Gefühl zu verstehen, das das Objekt mitzuteilen hat.“ (Theodor Lipps,<br />

„Einfühlungstheorie“)<br />

Handwerk und Kunsthandwerk<br />

von Helga Loser-Cammann<br />

Handwerk entstand da, wo die benötigten<br />

Rohstoffe gefunden wurden.<br />

Die angefertigten Gegenstände waren<br />

vertrauter fester Bestandteil des täglichen<br />

Lebens und, im Gegensatz zu<br />

Bildern, die hoch oben an den Wänden<br />

hingen, behielten die Menschen sie in<br />

ihrer Nähe und nahmen sie in die Hand.<br />

Jahrhundertelang als reines Handwerk<br />

betrachtete Berufe wie Schnitzer,<br />

Möbelschreiner, Instrumentenbauer,<br />

Goldschmied, Töpfer oder Glasbläser<br />

werden seit Aufkommen der industriellen<br />

Manufakturen im 18. Jahrhundert, unter<br />

Verweis auf ihre gestalterische Qualität<br />

und Einzelstückanfertigung und als<br />

Abgrenzung zum traditionellen Handwerk<br />

mit dem Wort „Kunsthandwerk“ betitelt.<br />

Heute übernimmt das Kunsthandwerk<br />

die Aufgabe, die vom Volk hervorgebrachte<br />

Kunst handwerklicher Techniken,<br />

weiterleben zu lassen. Aus einer neuen<br />

Lebensweise entstehen so Unikate, die<br />

nicht in erster Linie dazu dienen nützliche<br />

Gegenstände herzustellen. So war<br />

oder ist der Handwerker also jemand,<br />

der immer und immer wieder den selben<br />

Gebrauchsgegenstand produziert,<br />

wo hingegen es die Intention des<br />

Kunsthandwerkers ist, ein künstlerisches<br />

Werk hervorzubringen. Aspekte der<br />

Nützlichkeit stehen dabei vielleicht an<br />

zweiter Stelle, wichtiger ist, dass es dekorativ<br />

ist und zudem die Kraft, Sensibilität<br />

oder Persönlichkeit seines Schöpfers aufzeigt.<br />

Sorgfältig von Hand gefertigte Dinge<br />

sind zwar teurer, aber da sie langlebiger<br />

sind, sind sie es im Endeffekt doch nicht.<br />

Ein weiterer Unterschied zwischen beiden<br />

ist, dass der Kunsthandwerker aus<br />

reiner Schaffenslust bewusst etwas für<br />

sich herstellt, während der Handwerker<br />

vergleichsweise unbewusst Dinge für andere<br />

herstellt. Charakteristisch ist auch,<br />

dass Produkte des Kunsthandwerks nur<br />

für einige wenige gedacht sind, also von<br />

Anfang an nicht für jedermann angefertigt<br />

wurden. Trotzdem gilt es doch nicht<br />

zu vergessen, dass das Außergewöhnliche<br />

nicht nur im Ausgefallenen liegt, sondern<br />

Tiefgründiges auch in „normalen“<br />

Dingen anzutreffen sein kann. Außerdem<br />

sind auch unter den Kunsthandwerken<br />

sogenannter primitiver Völker viele von<br />

enormer Vitalität, aus denen die ursprüngliche<br />

Kraft des Menschen spricht<br />

und für die keine hohe Intelligenz oder<br />

anspruchsvolle Technik nötig ist. Durch<br />

den Verstand kann ein Kunstwerk sowieso<br />

nicht erfasst werden, das Auge und das<br />

Herz müssen sich angesprochen fühlen.<br />

Dabei ist es also egal, ob es sich um eine<br />

Rarität handelt oder nicht, ob es in perfektem<br />

Zustand ist und unter Anwendung<br />

welcher Vorgehensweise es entstanden<br />

ist. Das Kunstwerk wird ja auch von<br />

demjenigen geschaffen, der es betrachtet<br />

und ist eine Vision dessen, was sich in<br />

seiner Fantasie abspielt. Kunsthandwerk<br />

und Handwerk: damit wir in den alltäglichen<br />

Dingen der Schönheit begegnen<br />

können.

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