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„Das Erleben der Schönheit entsteht aus der Übertragung des eigenen<br />
Selbst auf das wahrgenommene Objekt und aus dem daraus<br />
resultierenden Bewusstsein einer Vereinigung des Künstlers mit seinem<br />
„Gast“. Auf diese Weise ist es für einen Menschen möglich, das<br />
Gefühl zu verstehen, das das Objekt mitzuteilen hat.“ (Theodor Lipps,<br />
„Einfühlungstheorie“)<br />
Handwerk und Kunsthandwerk<br />
von Helga Loser-Cammann<br />
Handwerk entstand da, wo die benötigten<br />
Rohstoffe gefunden wurden.<br />
Die angefertigten Gegenstände waren<br />
vertrauter fester Bestandteil des täglichen<br />
Lebens und, im Gegensatz zu<br />
Bildern, die hoch oben an den Wänden<br />
hingen, behielten die Menschen sie in<br />
ihrer Nähe und nahmen sie in die Hand.<br />
Jahrhundertelang als reines Handwerk<br />
betrachtete Berufe wie Schnitzer,<br />
Möbelschreiner, Instrumentenbauer,<br />
Goldschmied, Töpfer oder Glasbläser<br />
werden seit Aufkommen der industriellen<br />
Manufakturen im 18. Jahrhundert, unter<br />
Verweis auf ihre gestalterische Qualität<br />
und Einzelstückanfertigung und als<br />
Abgrenzung zum traditionellen Handwerk<br />
mit dem Wort „Kunsthandwerk“ betitelt.<br />
Heute übernimmt das Kunsthandwerk<br />
die Aufgabe, die vom Volk hervorgebrachte<br />
Kunst handwerklicher Techniken,<br />
weiterleben zu lassen. Aus einer neuen<br />
Lebensweise entstehen so Unikate, die<br />
nicht in erster Linie dazu dienen nützliche<br />
Gegenstände herzustellen. So war<br />
oder ist der Handwerker also jemand,<br />
der immer und immer wieder den selben<br />
Gebrauchsgegenstand produziert,<br />
wo hingegen es die Intention des<br />
Kunsthandwerkers ist, ein künstlerisches<br />
Werk hervorzubringen. Aspekte der<br />
Nützlichkeit stehen dabei vielleicht an<br />
zweiter Stelle, wichtiger ist, dass es dekorativ<br />
ist und zudem die Kraft, Sensibilität<br />
oder Persönlichkeit seines Schöpfers aufzeigt.<br />
Sorgfältig von Hand gefertigte Dinge<br />
sind zwar teurer, aber da sie langlebiger<br />
sind, sind sie es im Endeffekt doch nicht.<br />
Ein weiterer Unterschied zwischen beiden<br />
ist, dass der Kunsthandwerker aus<br />
reiner Schaffenslust bewusst etwas für<br />
sich herstellt, während der Handwerker<br />
vergleichsweise unbewusst Dinge für andere<br />
herstellt. Charakteristisch ist auch,<br />
dass Produkte des Kunsthandwerks nur<br />
für einige wenige gedacht sind, also von<br />
Anfang an nicht für jedermann angefertigt<br />
wurden. Trotzdem gilt es doch nicht<br />
zu vergessen, dass das Außergewöhnliche<br />
nicht nur im Ausgefallenen liegt, sondern<br />
Tiefgründiges auch in „normalen“<br />
Dingen anzutreffen sein kann. Außerdem<br />
sind auch unter den Kunsthandwerken<br />
sogenannter primitiver Völker viele von<br />
enormer Vitalität, aus denen die ursprüngliche<br />
Kraft des Menschen spricht<br />
und für die keine hohe Intelligenz oder<br />
anspruchsvolle Technik nötig ist. Durch<br />
den Verstand kann ein Kunstwerk sowieso<br />
nicht erfasst werden, das Auge und das<br />
Herz müssen sich angesprochen fühlen.<br />
Dabei ist es also egal, ob es sich um eine<br />
Rarität handelt oder nicht, ob es in perfektem<br />
Zustand ist und unter Anwendung<br />
welcher Vorgehensweise es entstanden<br />
ist. Das Kunstwerk wird ja auch von<br />
demjenigen geschaffen, der es betrachtet<br />
und ist eine Vision dessen, was sich in<br />
seiner Fantasie abspielt. Kunsthandwerk<br />
und Handwerk: damit wir in den alltäglichen<br />
Dingen der Schönheit begegnen<br />
können.