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© sentinel23- Fotolia.com<br />
von Stefan Geisler<br />
Ich sitze in meinem Ledersessel. Von draußen prasselt der Regen eines ungemütlichen Herbstabends ans Fenster und erinnert<br />
mich daran, dass ich vor einer halben Stunde selber noch diesem Mistwetter ausgeliefert war. Der nasse Parka ist mittlerweile<br />
dem Hausanzug gewichen. Die Stereoanlage spielt das letzte Album der norwegischen Band Kings Of Convenience<br />
ab. Ruhige ins melancholische abgleitende Musik. Ich habe es mir selbst auch gemütlich gemacht und lasse den Tag zur<br />
Ruhe kommen.<br />
Während mein Blick nach draußen<br />
durch den Regen schweift, halte ich in<br />
meiner rechten Hand ein Glas, dessen<br />
Aussehen mancher als geschrumpftes<br />
Weinglas beschreiben würde. In ihm<br />
eine Flüssigkeit, die durch das Licht der<br />
kleinen Lampe auf dem Fensterbrett<br />
wie dunkler Bernstein erscheint: Whisky.<br />
Uisge beatha oder auch Wasser des<br />
Lebens.<br />
Die Wahl des heutigen Abends führt<br />
mich auf die Isle of Islay, eine Schottland<br />
westlich vorgelagerte Insel. Hier wird<br />
Whisky mit einem besonderen Charakter<br />
destilliert. Wie der 16-jährige Lagavulin,<br />
den ich in der Hand halte und vorsichtig<br />
bis an den Glasrand führe, um dann zu<br />
beobachten, wie sich allmählich lange<br />
Tropfen an der Glaswand bilden und<br />
diese hinunterlaufen. Die sogenannten<br />
„Beine“ oder „legs“. Im Licht der<br />
kleinen Lampe ein beruhigendes Spiel.<br />
Den Gegenpart dazu liefert jedoch<br />
die erste Sinnesprobe mit der Nase.<br />
Hier werden plötzlich Assoziationen<br />
geweckt, die zunächst mit der allgemeinen<br />
Situation in Konflikt treten<br />
möchten. In meinem Kopf spielen sich<br />
plötzlich Bilder einer stürmischen, windgepeitschten<br />
See ab. Ich nehme einen<br />
leichten Rauchgeruch gepaart mit salziger<br />
Seeluft wahr. Herzlich willkommen<br />
auf Islay! Zugegeben: Die Whiskies<br />
von dieser Insel verbindet fast alle<br />
diese herrliche Rauchigkeit, hervorge-<br />
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rufen durch das Torffeuer welches zum<br />
Trocknen des Malzes genutzt wird. Hier<br />
wird auch immer wieder gerne mit dem<br />
Räucherschinken verglichen. Dies führt<br />
dazu, dass selbst unter Whiskyfreunden<br />
diese Whiskies polarisieren. Man liebt<br />
sie, oder eben auch nicht.<br />
Letztlich liegt es aber einzig und allein<br />
in der Ansichtsweise der Person,<br />
die gerade den Whisky verköstigt.<br />
Assoziationen mit Bremsscheiben, Omas<br />
Kamin oder alte Lederjacke klingen zunächst<br />
zwar seltsam, sind absolut erlaubt<br />
und erwünscht. Hier zählt tatsächlich<br />
vor allem das subjektive Empfinden.<br />
Hat man erstmal das Grundwesen des<br />
Whiskies „gespeichert“, fällt es immer<br />
leichter, diesen bei einer Verköstigung<br />
zu zerlegen bzw. zu entkleiden. Dabei<br />
kommen die unterschiedlichsten<br />
Charakterzüge zum Vorschein. Es gibt<br />
Whisky mit klaren Fruchtnoten, unterschiedlichste<br />
Süßen, man findet<br />
Nussarten und Gewürze wieder. Und<br />
wir sprechen hier immer noch von dem,<br />
was man mit der Nase wahrnimmt.<br />
Mittlerweile ist eine Zeit vergangen<br />
und ich genehmige mir den ersten<br />
Schluck, den ich durch den Mund kreisen<br />
lasse. Der erste Schluck ist zunächst<br />
von Schärfe geprägt, die sich aber zügig<br />
wieder legt. Und plötzlich ist diese<br />
Rauchigkeit wieder präsent. Torfrauch,<br />
klar im Vordergrund, dann kommt aber<br />
auch die Süße durch. Letztlich aber auch<br />
medizinische Geschmäcker. Whisky ist<br />
nicht nur eine Spirituose, nein Whisky ist<br />
etwas sehr Bodenständiges und etwas<br />
Heima<strong>tv</strong>erbundenes, das seine Herkunft<br />
nicht leugnen kann. Und genau diese<br />
Tatsache macht Whisky zum wohl interessantesten<br />
Getränk der Welt.<br />
Nachdem sich der Inhalt meines Glases<br />
dem Ende neigt, verspüre ich eine innere<br />
Ruhe und eine Gelassenheit, die<br />
mir schöne Gedanken beschert hat und<br />
eine wohlige Bettschwere. Dieses ungemütliche<br />
Wetter dort draußen hat mit<br />
seiner Unveränderbarkeit meine Laune<br />
jedenfalls nicht getrübt sondern mir<br />
einen schönen Abend beschert.<br />
Tipp:<br />
Wer jetzt auch eine gewisse<br />
Lust verspürt, den ungemütlichen<br />
Wetterkapriolen des Herbstes und<br />
Winters mit dem Genuss des ein oder<br />
anderen Glases Whisky zu trotzen, dem<br />
kann ich folgenden Rat geben. Man<br />
sollte sich zum Anfang zwei Flaschen<br />
Single-Malt Whisky zulegen. Einen von<br />
der Isle of Islay und den anderen aus<br />
den Highlands. Diese mit jeweils 2 cl in<br />
ein separates Glas geben und gegeneinander<br />
ausführlich probieren und vergleichen.<br />
Sie werden sehen wie schnell<br />
und schön ein Abend vergehen wird.