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iMAG 2010/04 - i-mag.tv

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© sentinel23- Fotolia.com<br />

von Stefan Geisler<br />

Ich sitze in meinem Ledersessel. Von draußen prasselt der Regen eines ungemütlichen Herbstabends ans Fenster und erinnert<br />

mich daran, dass ich vor einer halben Stunde selber noch diesem Mistwetter ausgeliefert war. Der nasse Parka ist mittlerweile<br />

dem Hausanzug gewichen. Die Stereoanlage spielt das letzte Album der norwegischen Band Kings Of Convenience<br />

ab. Ruhige ins melancholische abgleitende Musik. Ich habe es mir selbst auch gemütlich gemacht und lasse den Tag zur<br />

Ruhe kommen.<br />

Während mein Blick nach draußen<br />

durch den Regen schweift, halte ich in<br />

meiner rechten Hand ein Glas, dessen<br />

Aussehen mancher als geschrumpftes<br />

Weinglas beschreiben würde. In ihm<br />

eine Flüssigkeit, die durch das Licht der<br />

kleinen Lampe auf dem Fensterbrett<br />

wie dunkler Bernstein erscheint: Whisky.<br />

Uisge beatha oder auch Wasser des<br />

Lebens.<br />

Die Wahl des heutigen Abends führt<br />

mich auf die Isle of Islay, eine Schottland<br />

westlich vorgelagerte Insel. Hier wird<br />

Whisky mit einem besonderen Charakter<br />

destilliert. Wie der 16-jährige Lagavulin,<br />

den ich in der Hand halte und vorsichtig<br />

bis an den Glasrand führe, um dann zu<br />

beobachten, wie sich allmählich lange<br />

Tropfen an der Glaswand bilden und<br />

diese hinunterlaufen. Die sogenannten<br />

„Beine“ oder „legs“. Im Licht der<br />

kleinen Lampe ein beruhigendes Spiel.<br />

Den Gegenpart dazu liefert jedoch<br />

die erste Sinnesprobe mit der Nase.<br />

Hier werden plötzlich Assoziationen<br />

geweckt, die zunächst mit der allgemeinen<br />

Situation in Konflikt treten<br />

möchten. In meinem Kopf spielen sich<br />

plötzlich Bilder einer stürmischen, windgepeitschten<br />

See ab. Ich nehme einen<br />

leichten Rauchgeruch gepaart mit salziger<br />

Seeluft wahr. Herzlich willkommen<br />

auf Islay! Zugegeben: Die Whiskies<br />

von dieser Insel verbindet fast alle<br />

diese herrliche Rauchigkeit, hervorge-<br />

54<br />

rufen durch das Torffeuer welches zum<br />

Trocknen des Malzes genutzt wird. Hier<br />

wird auch immer wieder gerne mit dem<br />

Räucherschinken verglichen. Dies führt<br />

dazu, dass selbst unter Whiskyfreunden<br />

diese Whiskies polarisieren. Man liebt<br />

sie, oder eben auch nicht.<br />

Letztlich liegt es aber einzig und allein<br />

in der Ansichtsweise der Person,<br />

die gerade den Whisky verköstigt.<br />

Assoziationen mit Bremsscheiben, Omas<br />

Kamin oder alte Lederjacke klingen zunächst<br />

zwar seltsam, sind absolut erlaubt<br />

und erwünscht. Hier zählt tatsächlich<br />

vor allem das subjektive Empfinden.<br />

Hat man erstmal das Grundwesen des<br />

Whiskies „gespeichert“, fällt es immer<br />

leichter, diesen bei einer Verköstigung<br />

zu zerlegen bzw. zu entkleiden. Dabei<br />

kommen die unterschiedlichsten<br />

Charakterzüge zum Vorschein. Es gibt<br />

Whisky mit klaren Fruchtnoten, unterschiedlichste<br />

Süßen, man findet<br />

Nussarten und Gewürze wieder. Und<br />

wir sprechen hier immer noch von dem,<br />

was man mit der Nase wahrnimmt.<br />

Mittlerweile ist eine Zeit vergangen<br />

und ich genehmige mir den ersten<br />

Schluck, den ich durch den Mund kreisen<br />

lasse. Der erste Schluck ist zunächst<br />

von Schärfe geprägt, die sich aber zügig<br />

wieder legt. Und plötzlich ist diese<br />

Rauchigkeit wieder präsent. Torfrauch,<br />

klar im Vordergrund, dann kommt aber<br />

auch die Süße durch. Letztlich aber auch<br />

medizinische Geschmäcker. Whisky ist<br />

nicht nur eine Spirituose, nein Whisky ist<br />

etwas sehr Bodenständiges und etwas<br />

Heima<strong>tv</strong>erbundenes, das seine Herkunft<br />

nicht leugnen kann. Und genau diese<br />

Tatsache macht Whisky zum wohl interessantesten<br />

Getränk der Welt.<br />

Nachdem sich der Inhalt meines Glases<br />

dem Ende neigt, verspüre ich eine innere<br />

Ruhe und eine Gelassenheit, die<br />

mir schöne Gedanken beschert hat und<br />

eine wohlige Bettschwere. Dieses ungemütliche<br />

Wetter dort draußen hat mit<br />

seiner Unveränderbarkeit meine Laune<br />

jedenfalls nicht getrübt sondern mir<br />

einen schönen Abend beschert.<br />

Tipp:<br />

Wer jetzt auch eine gewisse<br />

Lust verspürt, den ungemütlichen<br />

Wetterkapriolen des Herbstes und<br />

Winters mit dem Genuss des ein oder<br />

anderen Glases Whisky zu trotzen, dem<br />

kann ich folgenden Rat geben. Man<br />

sollte sich zum Anfang zwei Flaschen<br />

Single-Malt Whisky zulegen. Einen von<br />

der Isle of Islay und den anderen aus<br />

den Highlands. Diese mit jeweils 2 cl in<br />

ein separates Glas geben und gegeneinander<br />

ausführlich probieren und vergleichen.<br />

Sie werden sehen wie schnell<br />

und schön ein Abend vergehen wird.

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