Kirchenmusikalische Mitteilungen Nr 124 - April 2008 - Amt für ...
Kirchenmusikalische Mitteilungen Nr 124 - April 2008 - Amt für ...
Kirchenmusikalische Mitteilungen Nr 124 - April 2008 - Amt für ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
10<br />
<strong>Kirchenmusikalische</strong> <strong>Mitteilungen</strong> <strong>April</strong> <strong>2008</strong><br />
Musik<br />
10 Vgl. De musica<br />
I 1, 1<br />
deutet so viel wie „abmessen“ oder<br />
„gestalten“. Musik wäre demnach die<br />
Wissenschaft vom guten Gestalten. Für<br />
Augustinus steht in der Tat die wissenschaftliche<br />
Kenntnis im Vordergrund,<br />
und nicht etwa die praktische Fertigkeit<br />
im Spielen von Musikinstrumenten.<br />
Tibia-Bläser, citharistae, cymbel-<br />
Schläger und symphoniaci (Orchestermusiker)<br />
waren damals sozial etwa<br />
dem Schaustellergewerbe gleichgestellt,<br />
und auch Augustinus schätzt deren<br />
Fähigkeiten gering, sofern sie nur<br />
durch abhören erlernte Melodien spielen,<br />
ohne wissenschaftliche Kenntnis<br />
der Gesetze der Musik zu besitzen.<br />
Gegenstand der Gestaltung ist nach<br />
Augustinus die Bewegung und zwar<br />
die hörbare Bewegung, die in der Abfolge<br />
von Tönen liegt. Diese Bewegung<br />
gilt es nach Zahlverhältnissen zu ordnen,<br />
und wer die dabei anzuwendenden<br />
Gesetze kennt, ist ein Musiker.<br />
Allerdings entsteht hier ein wissenschaftstheoretisches<br />
Abgrenzungsproblem,<br />
denn ganz ähnliches lässt<br />
sich auch von einer anderen Wissenschaft<br />
sagen, der Grammatik. Grammatik<br />
ist damals nicht nur die Lehre<br />
von der Konjugation, Deklination und<br />
dergleichen, sondern auch und besonders<br />
die Lehre von den Silbenlängen,<br />
den sogenannten Quantitäten.<br />
Den Unterschied sieht Augustinus darin,<br />
dass sich die Grammatik eben mit<br />
den Längen und Kürzen von Wörtern<br />
befasse, während die Musik gleichsam<br />
eine reine Rhythmus-Lehre liefere,<br />
die von den Wörtern absehen könne.<br />
Der Grammatiker wache darüber,<br />
dass an einer Stelle im Vers, die gemäß<br />
dem herrschenden Metrum etwa ein<br />
spondeisches Wort erfordert (langlang:<br />
z.B. aestas), nicht ein pyrrhichisches<br />
(kurz-kurz:z.B. fuga) zu stehen<br />
kommt, dessen kurze Silben dann fehlerhaft<br />
gedehnt werden müßten. Der<br />
Musiker hingegen achtet nur auf die<br />
Regelmäßigkeit der rhythmischen Gestalt,<br />
nicht auf die Sprache. Einen Dactylus,<br />
so führt Augustinus an, muß<br />
man nicht unbedingt sprechen – man<br />
kann ihn auch auf einer Pauke schlagen,<br />
wozu man keine Worte braucht. 10<br />
So ist also die Grammatik die Lehre<br />
vom Sprachrhythmus, die Musik hingegen<br />
die Lehre vom Rhythmus überhaupt<br />
und den hier zur Anwendung<br />
kommenden Zahlgesetzen. Allerdings<br />
erklärt Augustinus die Rhythmen dann<br />
durchaus im Sinne der Füße, Metren<br />
und Verse mit den jeweils erforderlichen<br />
Längen und Kürzen. Faktisch<br />
sind die musikalischen Rhythmen gar<br />
nicht verschieden von den Rhythmen,<br />
die in der Lyrik Verwendung finden,<br />
und deshalb erläutert Augustinus sie<br />
auch mit Beispielen aus der Dichtung,<br />
aber der Musiker müsse sich nicht damit<br />
beschäftigen, ein passendes Wort<br />
zu finden, sondern könne sich auf die<br />
Zahlverhältnisse als solche konzentrieren.<br />
Inwiefern ist nun die Musik als Wissenschaft<br />
vom Rhythmus ein Weg zum<br />
Göttlichen? Augustins Ausgangspunkt<br />
ist die Lehre von den Zahlen. Ein guter<br />
Musiker im Sinne der scientia bene<br />
modulandi ist derjenige, der die Zahlverhältnisse<br />
kennt, die in den Silben,<br />
Füßen und Metren zu beachten sind.<br />
Augustinus zeigt nun, dass beim Musik -<br />
hören Zahlen auf mehrfache Weise beteiligt<br />
sind, und er ordnet diese Weisen<br />
so, dass man anhand ihrer vom<br />
sinnlich Wahrnehmbaren zum Intelligiblen<br />
aufsteigt, getreu dem Wort des<br />
Apostels Paulus im Römerbrief 1,20,<br />
das dazu auffordert, vom sinnlich<br />
Wahrnehmbaren der geschaffenen<br />
Welt ausgehend das Unsichtbare, d.h.<br />
den Schöpfer zu erkennen. Typisch für<br />
Augustinus ist nun, dass der Schritt<br />
von der Welt zu Gott immer durch das<br />
innere des Menschen hindurch vermittelt<br />
wird, so dass sich ein Drei-