Christine Finger Stipendien-Aufenthalt in Chile - Heinz-Kühn-Stiftung
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<strong>Christ<strong>in</strong>e</strong> <strong>F<strong>in</strong>ger</strong> <strong>Chile</strong><br />
10. Das „Liceo Alemán“ – e<strong>in</strong>e Deutsche Schule?<br />
Als ich die Brücke über den „Mapocho“, der als braune Brühe durch Santiago<br />
fließt, überquert habe und me<strong>in</strong>en Weg <strong>in</strong> das Viertel „Bellavista“ fortsetze,<br />
bleibt me<strong>in</strong> Blick automatisch an e<strong>in</strong>em haushohen Transparent hängen:<br />
es zeigt e<strong>in</strong>en Adler, es zeigt das Deutsche Bundeswappen. Übergroß ziert er<br />
die Rückseite der Deutschen Schule, genauer gesagt e<strong>in</strong>er der vier Deutschen<br />
Schulen der chilenischen Hauptstadt.<br />
Dieser plakative Ausdruck deutschen Nationalstolzes bleibt jedoch der<br />
e<strong>in</strong>zige, der mir bei me<strong>in</strong>em Besuch dort begegnet. Am „Liceo Alemán“<br />
wird weder deutsch unterrichtet, noch s<strong>in</strong>d der Direktor oder die Lehrer<br />
Deutsche. Aber e<strong>in</strong>mal ist e<strong>in</strong>e Gruppe von Schülern nach Deutschland<br />
gereist. „Und“, frage ich Manuel Lahoz, Lehrer und zuständig für den Computerraum,<br />
„welche E<strong>in</strong>drücke haben sie gesammelt?“ „Nun ja“, antwortet er<br />
diplomatisch, „<strong>in</strong>teressant sei es gewesen, aber sie seien sich auch bewusst<br />
geworden, dass sie durch und durch Lat<strong>in</strong>os s<strong>in</strong>d...“<br />
Die Deutsche Schule ist wie das „Instituto Nacional“ e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Jungenschule,<br />
aber e<strong>in</strong>e private. Die Ausbildung ihrer Sprössl<strong>in</strong>ge lassen sich die<br />
Eltern e<strong>in</strong>iges kosten, 130.000 chilenische Peso Schulgeld monatlich, umgerechnet<br />
s<strong>in</strong>d das etwa 230 Euro. Doch wie viele andere Privatschulen, verzeichnet<br />
das „Liceo Alemán“ e<strong>in</strong>en Rückgang se<strong>in</strong>er Schülerzahlen. In der<br />
Tageszeitung „La Tercera“ lese ich, dass von den 1.175 Privatschulen, die es<br />
1999 noch <strong>in</strong> <strong>Chile</strong> gab, nur noch 1.031 übriggeblieben s<strong>in</strong>d. Die anderen 144<br />
mussten staatliche Unterstützung beantragen, um überleben zu können. Ob die<br />
Probleme der Privatschulen ausschließlich mit der vielzitierten ökonomischen<br />
Krise zutun haben, <strong>in</strong> der sich das Land bef<strong>in</strong>det oder auch damit, dass<br />
die staatlichen Schulen die Qualität ihrer Erziehung womöglich doch verbessert<br />
haben, wie es Ziel der Bildungsreform ist – das kann ich nicht beurteilen.<br />
Seit e<strong>in</strong>iger Zeit jedenfalls melden immer mehr Eltern aus den wohlhabenden<br />
Vierteln der Stadt ihre K<strong>in</strong>der an staatlichen Schulen an.<br />
Die Atmosphäre <strong>in</strong> der Deutschen Schule ist „locker“, wenigstens nehme<br />
ich das während me<strong>in</strong>es Besuches so wahr. Die Jungen s<strong>in</strong>d quirlig, frech –<br />
im Computerraum der Schule herrscht ohrenbetäubender Lärm. Sie haben<br />
gerade Pause, doch die Schüler können alle 18 Rechner zu jeder Zeit nutzen.<br />
Die Deutsche Schule ist als private E<strong>in</strong>richtung nicht an das Programm „Red<br />
Enlaces“ angeschlossen. Jeder Computer hier hat e<strong>in</strong>en Internetzugang, chatten<br />
ist nicht erlaubt, die Jungen dürfen auch ke<strong>in</strong>e Webseiten oder ganze Programme<br />
herunterladen und die Lehrer haben e<strong>in</strong> Kontrollsystem <strong>in</strong>stalliert,<br />
mit dem verh<strong>in</strong>dert werden soll, dass beispielsweise satanistische oder Gewaltseiten<br />
aufgerufen werden können. Darüber h<strong>in</strong>aus werden die Schüler nur<br />
durch die Anwesenheit e<strong>in</strong>es Lehrers überwacht. Manuel Lahoz erzählt, dass<br />
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