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Christine Finger Stipendien-Aufenthalt in Chile - Heinz-Kühn-Stiftung

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<strong>Christ<strong>in</strong>e</strong> <strong>F<strong>in</strong>ger</strong> <strong>Chile</strong><br />

Sie dort ruhig“. Doch da sehe ich ihn schon, er steht am Zaun und schaut mich<br />

misstrauisch an. „Es ist nur abends geöffnet“, sagt er, „zwischen 19.30 und<br />

23.00 Uhr, dann s<strong>in</strong>d die Telefongebühren nicht mehr so hoch“. Trotzdem<br />

schließt Ramon Carrasco den Conta<strong>in</strong>er auf und führt mich <strong>in</strong> dessen spärlich<br />

ausgestattetes Inneres. Zwei Computer bef<strong>in</strong>den sich dort, e<strong>in</strong>er mit Internetzugang,<br />

es ist dunkel und ich f<strong>in</strong>de es deprimierend. „Die Regierung hat<br />

uns nur den puren Conta<strong>in</strong>er und die Computer gegeben“, berichtet Ramon<br />

Carrasco, „die Fenster, den Fußboden und die Innenwände haben wir selber<br />

e<strong>in</strong>gebaut und die Tische und Stühle besorgt. Es läuft nicht gut, denn das<br />

„Conternet“ muss sich selbst f<strong>in</strong>anzieren, das heißt, vor allem die Telefongebühren<br />

wieder re<strong>in</strong>holen.“ Die betragen monatlich etwa 35 - 40 Euro. Pro<br />

Stunde kostet die Benutzung des Rechners 400 Peso, etwa 70 Cent, für die<br />

meisten der E<strong>in</strong>wohner dieses Stadtteiles ist das zuviel. Häufig kommen nur<br />

3 Nutzer täglich, beklagt sich Ramon Carrasco, hauptsächlich s<strong>in</strong>d es Jugendliche.<br />

Die dürfen dann für 100 Peso e<strong>in</strong>e Viertelstunde lang e-mails senden.<br />

Ramon Carrasco hat mit e<strong>in</strong>igen von ihnen schlechte Erfahrungen gemacht.<br />

„Sie haben gesagt, dass sie ke<strong>in</strong> Geld haben und das nächste Mal bezahlen<br />

werden, s<strong>in</strong>d dann aber nicht mehr wiedergekommen.“<br />

Wie es mit dem „Conternet“ weitergehen soll, weiß der Betreiber nicht, nur,<br />

dass er es gerne weiterführen möchte – und, e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Hoffnung hat er noch:<br />

er will der Nachbarschaftsvere<strong>in</strong>igung der 350 E<strong>in</strong>wohner se<strong>in</strong>es Stadtteils<br />

vorschlagen, dass sich alle an der F<strong>in</strong>anzierung des kle<strong>in</strong>en Internetzentrums<br />

beteiligen sollen.<br />

19. Schulabschluss mit 44 Jahren – die Mütter von Los Laureles<br />

Nach zwei Autostunden erreiche ich von Temuco aus über e<strong>in</strong>e staubige<br />

Schotterpiste den verschlafenen Ort Los Laureles. Die Atmosphäre er<strong>in</strong>nert<br />

an e<strong>in</strong>en Western, alle Wege liegen ausgestorben da, e<strong>in</strong> alter Traktor rostet im<br />

Vorgarten vor sich h<strong>in</strong>, vor e<strong>in</strong>em Haus, von dem alle Farbe abgeblättert ist,<br />

steht verlassen e<strong>in</strong> Tischfußballspiel. In der staatlichen Schule „Liceo Arturo<br />

Valenzuela“ warten vier Mütter auf mich, Teilnehmer<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>es Computerkurses.<br />

Konzentriert starren sie auf die Bildschirme ihrer Rechner, Maria Carrasco<br />

tippt mit zwei <strong>F<strong>in</strong>ger</strong>n mühsam e<strong>in</strong>en Text, den sie für mich – unbekannterweise<br />

– geschrieben hat, dabei strahlt sie. Ich lese:<br />

„Heute b<strong>in</strong> ich glücklich, weil es mir im Alter von 44 Jahren gelungen ist,<br />

den Abschluss der weiterführenden Schule zu machen. Dadurch habe ich mich<br />

e<strong>in</strong> Stück selbst verwirklicht und kann außerdem me<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dern helfen. Ich<br />

danke me<strong>in</strong>en Lehrern, ich werde sie vermissen, denn ich mag sie sehr und ich<br />

wünsche Ihnen schöne Weihnachten. Maria Carrasco.“<br />

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