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Kurzmanuskript<br />
» Forum 3<br />
Hans-Gerd Daubertshäuser, Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong> Geschäftsführung Bethel.regional in den von Bodelschwinghschen<br />
Stiftungen Bethel, Bielefeld/Dortmund<br />
Der Umbau <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe und die Auswirkungen auf Kompetenz-<br />
und Anfor<strong>der</strong>ungsprofile von Fach- und Führungskräften<br />
Die Angebote <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe nach SGB XII sind<br />
seit einigen Jahren von erheblichen Umbrüchen gekennzeichnet.<br />
Dies ist zum einen auf beachtliche Fallzahlsteigerungen<br />
zurückzuführen, die wie<strong>der</strong>um begründet sind<br />
im medizinischen Fortschritt, im allgemein gesellschaftlichen<br />
Anstieg von psychischen Erkrankungen/Suchterkrankungen<br />
sowie in <strong>der</strong> Annäherung an ein Normalniveau<br />
in <strong>der</strong> Gesamtbevölkerung nach den Massenmorden in <strong>der</strong><br />
NS-Zeit. Zum an<strong>der</strong>en bietet die u. a. demografisch bedingte<br />
und durch verschiedene Krisen verschärfte Finanzsituation<br />
<strong>der</strong> kommunalen Sozialhaushalte kaum eine<br />
Möglichkeit, diese Fallzahlsteigerungen adäquat aufzufangen.<br />
Parallel dazu hat sich <strong>der</strong> Hilfeempfänger vom<br />
Objekt <strong>der</strong> Fürsorge zum Subjekt eines selbstbestimmten<br />
Klienten entwickelt, <strong>der</strong> eigenverantwortlich die ihm zustehenden<br />
Dienstleistungen auswählt.<br />
Dieser spezielle Trend führt sowohl aufseiten <strong>der</strong> Dienstleister<br />
wie aufseiten <strong>der</strong> Sozialleistungsträger zu einer<br />
grundlegenden Haltungsän<strong>der</strong>ung, die mit dem Stichwort<br />
beschrieben werden kann: „von <strong>der</strong> bevormundenden Fürsorge<br />
zur selbstbestimmten Assistenz“. Auf Basis <strong>der</strong> allgemeinen<br />
Trends wird durch die Sozialpolitik mehr denn<br />
je <strong>der</strong> Vorrang ambulanter Unterstützung betont. Gleichzeitig<br />
ergibt sich die Notwendigkeit, regional und wohnortnah<br />
vollständige, flexible und gemeindeintegrierte<br />
Hilfeensembles zu entwickeln und die seit 150 Jahren<br />
bestehenden regionalen Disparitäten in <strong>der</strong> Versorgung<br />
von Menschen mit Beeinträchtigung zügig abzubauen.<br />
Aus <strong>der</strong> ASMK-Diskussion heraus ist darüber hinaus zu<br />
erwarten, dass es zu einer wie auch immer gearteten<br />
Differenzierung bzw. Aufspaltung <strong>der</strong> Leistungsmodule<br />
einschließlich <strong>der</strong> Verpreislichung nach <strong>der</strong> direkten<br />
Unterstützungsleistung (Maßnahmekosten) einerseits und<br />
<strong>der</strong> Hilfe zum Lebensunterhalt an<strong>der</strong>erseits kommen wird.<br />
Die personalpolitischen Konsequenzen dieser grundlegenden<br />
Verän<strong>der</strong>ungsprozesse zielen zunächst eindeutig<br />
auf einen erfor<strong>der</strong>lichen Haltungswandel in einer<br />
vielfach noch weitgehend stationär orientierten Mitarbeiterschaft<br />
– statt einer Rund-um-Betreuung mit hohem<br />
Bevormundungscharakter gilt es nun differenzierte passgenaue<br />
Hilfen im Sinne von Assistenz anzubieten. Der<br />
Mitarbeiternachwuchs wird selbstverständlicher damit<br />
umgehen, sofern man ihn in ausreichen<strong>der</strong> Zahl und entsprechen<strong>der</strong><br />
Qualifikation für die Arbeit gewinnen kann.<br />
Dies wird jedoch in absehbarer Zeit zunehmend schwieriger,<br />
sodass sich auch <strong>hier</strong> eine große Herausfor<strong>der</strong>ung<br />
stellt.<br />
Der beschriebene Umbau <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe bedarf<br />
zunächst einer Antwort <strong>der</strong> jeweiligen Trägerorganisation<br />
im Blick auf die zukünftige strategische Aufstellung. Dieser<br />
bezieht sich für fast alle Träger auf einen adäquaten<br />
Mix aus Beratungsangeboten und familienunterstützenden<br />
Diensten, aus ambulanten und stationären Unterstützungsformen<br />
mit einer sozialräumlichen Ausrichtung und<br />
Vernetzung. Für größere, teilweise noch traditionell aufgestellte<br />
Träger von Komplexeinrichtungen mit hoher<br />
Konzentration von Hilfeangeboten auf einem Kerngelände<br />
(frühere Anstalten) bedeutet dies einen intensiven Prüfprozess<br />
für eine Beteiligung an Dezentralisierungs- und<br />
Regionalisierungsprogrammen unter Einbeziehung <strong>der</strong><br />
Frage, ob und welche (Platz-)Kapazitäten überhaupt noch<br />
auf dem Kerngelände nachgefragt werden.<br />
In <strong>der</strong> Klientenorientierung müssen sich die beschriebenen<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen zwingend auswirken auf eine neue,<br />
teilhabeorientierte Unterstützungsplanung. Das Stichwort<br />
ist Case-Management, in unserem Hause umgesetzt<br />
als Etablierung einer Teilhabeplanung/Inklusionsberatung,<br />
die unabhängig von <strong>der</strong> Betreuungsarbeit geschieht<br />
und damit von <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> Betreuung/Assistenz<br />
getrennt ist. In <strong>der</strong> Teilhabeplanung muss noch viel<br />
stärker die rehabilitative Ausrichtung <strong>der</strong> Unterstützungsleistung<br />
herausgearbeitet werden im Sinne einer Ergebnis-<br />
o<strong>der</strong> Wirkungsorientierung. In Bethel sind wir noch<br />
einen Schritt weitergegangen und haben für die<br />
eigene Mitarbeiterschaft vier Prinzipien zur Ausrichtung<br />
unserer Arbeit beschrieben und dafür das Motto PLUS<br />
gewählt: Personenzentrierung, Lebensweltorientierung,<br />
Unterstützung aus einer Hand und Sozial raum orientierung.<br />
Die damit gewählte Ausrichtung <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe<br />
bedeutet folgerichtig Konsequenzen für die Anfor<strong>der</strong>ungsprofile<br />
<strong>der</strong> Mitarbeitenden, die am besten konkret in den<br />
Rahmenstellenbeschreibungen umzusetzen sind. Fachkräfte<br />
für Teilhabeberatung/Inklusionsberatung entwickeln<br />
gemeinsam mit dem Klienten För<strong>der</strong>ziele und<br />
Teilhabemöglichkeiten. Fachkräfte für Assistenzleistungen<br />
beraten, begleiten und unterstützen den Klienten in<br />
<strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ziele (mit ihrem je eigenen fachspezifischen<br />
Knowhow aus Heilpädagogik, Heilerziehungspflege,<br />
Psychiatriepflege etc.). Alle mitarbeitenden<br />
Gruppen im direkten Dienst werden geschult in Community<br />
Networking und Sozialraummanagement. Gleichzeitig<br />
muss auf einen angemessenen Mix von angelernten Kräften<br />
und ausgebildeten Fachkräften geachtet werden, um die<br />
Personalkosten refinanzierbar zu halten. Sämtliche Führungskräfte<br />
müssen neben ihren sozialfachlichen Qualifikationen<br />
eine entsprechende Managementkompetenz<br />
mitbringen bzw. dafür geschult werden, damit sie die<br />
Kernprozesse im Sinne von Assistenz und Erweiterung von<br />
Teilhabemöglichkeiten steuern. Somit sind gezielte Fortbildungsmaßnahmen<br />
zu entwickeln ebenso wie Konzepte<br />
für die Gewinnung von Nachwuchskräften, von jungen<br />
Menschen im Bundesfreiwilligendienst sowie von<br />
Ehrenamtlichen.<br />
Insgesamt erzeugt <strong>der</strong> beschriebene Umbau <strong>der</strong> Einglie<strong>der</strong>ungshilfe<br />
einen erheblichen Verän<strong>der</strong>ungsdruck und<br />
bewirkt eine umfassende Anpassung nicht nur in <strong>der</strong> strategischen<br />
Ausrichtung, son<strong>der</strong>n ebenso in personalpolitischer<br />
Hinsicht. ««<br />
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Forum 3 | Kurzmanuskript Hans-Gerd Daubertshäuser<br />
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