Lichtblicke in die Nanowelt - Max-Planck-Gesellschaft
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FOKUS<br />
Optische HORIZONTE<br />
kle<strong>in</strong>er das Loch <strong>in</strong> der Mitte, desto<br />
kle<strong>in</strong>er der Fluoreszenzfleck (siehe<br />
Bild im Kasten auf Seite 23).<br />
Natürlich unterliegt auch der<br />
STED-Puls der Abbeschen Beugungsgrenze<br />
und bildet ebenfalls e<strong>in</strong>en<br />
langgestreckten Fokus. Das heißt,<br />
man kann ihm ke<strong>in</strong> beliebig kle<strong>in</strong>es<br />
Loch verpassen. Den Ausweg hat Stefan<br />
Hell jedoch sofort erkannt: Er<br />
liegt <strong>in</strong> dem nichtl<strong>in</strong>earen Zusammenhang<br />
zwischen Abregung und<br />
Intensität des Pulses. „Je <strong>in</strong>tensiver<br />
der STED-Puls ist, desto besser regt<br />
er ab“, sagt Hell. „Überschreitet <strong>die</strong><br />
Intensität e<strong>in</strong>e gewisse Schwelle, hat<br />
das Molekül kaum e<strong>in</strong>e Chance,<br />
spontan zu fluoreszieren. Man sagt,<br />
<strong>die</strong> Abregung ist gesättigt. Wird <strong>die</strong><br />
Intensität weiter gesteigert, nimmt<br />
der von der Abregung betroffene Bereich<br />
immer weiter zu – <strong>die</strong> fluoreszierende<br />
Region wird immer weiter<br />
e<strong>in</strong>geschnürt“.<br />
Das ist laut Hell der eigentliche<br />
Trick des Verfahrens: „Je mehr man<br />
<strong>die</strong> Sättigungsschwelle überschrei-<br />
tet, desto kle<strong>in</strong>er wird der Fluoreszenzfleck<br />
und umso besser kann<br />
man auflösen“. Abbes Gesetz ist damit<br />
ausgehebelt. Der Faktor, um den<br />
man <strong>die</strong> Sättigungsschwelle überschreitet,<br />
bestimmt <strong>die</strong> Auflösung;<br />
<strong>die</strong>se hängt jetzt nicht mehr von der<br />
Wellenlänge des verwendeten Lichts<br />
ab. Stefan Hell hat berechnet, dass<br />
<strong>die</strong> Auflösung mit der Wurzel des<br />
Sättigungsfaktors zunimmt. Überschreitet<br />
man <strong>die</strong> Schwelle um das<br />
Neunfache, so verdreifacht sich <strong>die</strong><br />
Auflösung. Überschreitet man sie<br />
um das Hundertfache, ist der Gew<strong>in</strong>n<br />
verzehnfacht.<br />
„Die Beugung des Lichts verschw<strong>in</strong>det<br />
natürlich nicht, aber sie<br />
ist nicht mehr <strong>die</strong> Grenze“, sagt der<br />
Erf<strong>in</strong>der der neuen Technik. Ohne<br />
physikalische Gesetze zu verletzen,<br />
könne man nun e<strong>in</strong>en Fluoreszenzfleck<br />
von der Größenordnung e<strong>in</strong>es<br />
Moleküls erzeugen und damit Auflösungen<br />
bis h<strong>in</strong>unter zur molekularen<br />
Skala erreichen. Man braucht<br />
dazu jedoch Fluoreszenzmoleküle,<br />
<strong>die</strong> e<strong>in</strong>e möglichst niedrige Abregungsschwelle<br />
haben. Beliebig hoch<br />
kann man <strong>die</strong> Intensität des STED-<br />
Pulses nämlich nicht wählen, da<br />
zu <strong>in</strong>tensives Licht den Molekülen<br />
schaden würde.<br />
AUF DER SUCHE NACH<br />
DER NEUEN GRENZE<br />
H<strong>in</strong>ter Kabeln<br />
und Haltern versteckt:<br />
das erste<br />
4Pi-Mikroskop,<br />
das wie e<strong>in</strong> richtiges<br />
Mikroskop<br />
aussieht, wurde<br />
von <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
Forschern <strong>in</strong> Kooperation<br />
mit der<br />
Firma Leica Microsystems<br />
entwickelt.<br />
Der Physiker Jörg<br />
Bewersdorf und<br />
<strong>die</strong> Biolog<strong>in</strong> Tanja<br />
Rosenmund bereiten<br />
gerade e<strong>in</strong>e<br />
Probe vor.<br />
Die Abregungsschwelle hängt von<br />
den Eigenschaften des Moleküls und<br />
der verwendeten Abregungs-Wellenlänge<br />
ab. Das Team um Stefan Hell –<br />
seit Oktober 2002 ist er Leiter der<br />
neu gegründeten Abteilung „Nano-<br />
Biophotonik“ am Gött<strong>in</strong>ger <strong>Max</strong>-<br />
<strong>Planck</strong>-Institut – sucht jetzt nach<br />
den tatsächlichen Grenzen. Die Wissenschaftler<br />
testen alle Farbstoffe;<br />
organische wie anorganische kommen<br />
<strong>in</strong>frage, aber auch von der Zelle<br />
selbst erzeugte Prote<strong>in</strong>e. Dazu muss<br />
man <strong>die</strong> Wellenlänge des Lichts variieren<br />
und <strong>die</strong> chemische Umgebung<br />
(zum Beispiel den pH-Wert) verändern.<br />
„Wir haben e<strong>in</strong>en Faden gefunden.<br />
Nun schauen wir, bei welcher<br />
Auflösung er endet“, beschreibt<br />
Hell <strong>die</strong> Situation.<br />
„Noch handelt es sich um Grundlagenforschung“,<br />
me<strong>in</strong>t der Physiker.<br />
„Wir haben gezeigt, dass <strong>die</strong> STED-<br />
Mikroskopie funktioniert und sich<br />
<strong>die</strong> zu Grunde liegende physikalische<br />
Idee experimentell bestätigen lässt.<br />
Jetzt wollen wir herausf<strong>in</strong>den, wie<br />
gut das Pr<strong>in</strong>zip mit der Palette vorhandener<br />
fluoreszierender Moleküle<br />
zu realisieren ist.“ Auch über Alternativen<br />
zu STED denkt Hell bereits<br />
nach. Statt <strong>die</strong> Randmoleküle gezielt<br />
aus dem angeregten Energiezustand<br />
abzuregen, sei es beispielsweise<br />
denkbar, sie schon vor der eigentlichen<br />
Fluoreszenzanregung aus<br />
dem Grundzustand zu entfernen. In<br />
Betracht ziehen <strong>die</strong> Forscher außerdem<br />
<strong>die</strong> licht<strong>in</strong>duzierte Umlagerung<br />
von Atomgruppen <strong>in</strong>nerhalb der<br />
Moleküle, welche <strong>die</strong> Fluoreszenz<br />
e<strong>in</strong>- und ausschalten.<br />
Besonders aufmerksam verfolgen<br />
Biologen <strong>die</strong> Gött<strong>in</strong>ger Entwicklungen.<br />
Die Lichtmikroskopie ist für sie<br />
nämlich <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Möglichkeit, das<br />
Innere lebender Zellen zu beobachten.<br />
Elektronen- und Rasterkraftmikroskopie<br />
erreichen zwar <strong>die</strong> gewünschte<br />
Auflösung. Aber sie arbeiten<br />
unter Bed<strong>in</strong>gungen (Vakuum<br />
oder tiefe Temperaturen), unter denen<br />
jede lebende Zelle stirbt. Und<br />
mit Rastersondenmikroskopen kann<br />
man ohneh<strong>in</strong> nur Oberflächen abtasten.<br />
Die optische Mikroskopie war jedoch<br />
aufgrund der Beugungsgrenze<br />
<strong>in</strong> ihrer Anwendung bislang begrenzt.<br />
Würden Stefan Hells Methoden<br />
den Sprung <strong>in</strong> <strong>die</strong> breite Anwendung<br />
schaffen, wäre das neben dem<br />
schon erzielten physikalischen Durchbruch<br />
e<strong>in</strong> echter Gew<strong>in</strong>n auch für <strong>die</strong><br />
Biologie. „Am Anfang“ er<strong>in</strong>nert er<br />
sich, „wollte kaum jemand daran<br />
glauben. Aber jetzt ist klar: Die Vision<br />
der lichtoptischen Nanoskopie hat<br />
e<strong>in</strong>e echte Chance.“ INA HELMS<br />
DIE 4PI-MIKROSKOPIE<br />
Schon mit <strong>die</strong>ser Methode gelang es, <strong>die</strong> optische Auflösung von den<br />
vorher möglichen 500 Nanometern auf 70 bis 140 Nanometer entlang<br />
der optischen Achse zu verbessern. Zwar blieb <strong>die</strong> Abbesche Beugungsgrenze<br />
noch unangetastet, doch mit der 4Pi-Idee hatte Stefan Hell<br />
Anfang der neunziger Jahre erstmals gezeigt, dass <strong>die</strong> Lichtmikroskopie<br />
noch lange nicht am Ende ist. Doch selbst als er <strong>die</strong> Theorie der Methode<br />
schlüssig bewiesen hatte, glaubte zunächst kaum jemand, dass sie <strong>in</strong> der<br />
Praxis umsetzbar sei. Dennoch entwickelten <strong>die</strong> Gött<strong>in</strong>ger <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
Forscher <strong>die</strong> 4Pi-Mikroskopie unbeirrt weiter. Den letzten Beweis hat<br />
Alexander Egner erbracht: Während se<strong>in</strong>er Promotionsarbeit gewann<br />
er hoch auflösende 3-D-Bilder, welche <strong>die</strong> Verteilung von Prote<strong>in</strong>en im<br />
so genannten Golgi-Apparat zeigen – das s<strong>in</strong>d Zellorganellen, <strong>in</strong> denen<br />
Prote<strong>in</strong>e sortiert und verzuckert werden (siehe Foto rechts). Außerdem<br />
haben <strong>die</strong> Gött<strong>in</strong>ger Forscher <strong>in</strong> Kooperation mit der Firma Leica Microsystems<br />
Heidelberg e<strong>in</strong> 4Pi-Mikroskop <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er physikalisch besonders<br />
leistungsfähigen Form realisiert. Statt e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zigen Objektivs, so der<br />
Grundgedanke der 4Pi-Mikroskopie, verwendet man zwei Objektive, <strong>die</strong> gegene<strong>in</strong>ander gerichtet s<strong>in</strong>d.<br />
Die Lichtwellen beider Objektive werden so überlagert, dass sie im Fokuspunkt ihr Feld verstärken (konstruktive<br />
Interferenz). Auf <strong>die</strong>se Weise simuliert man e<strong>in</strong>e be<strong>in</strong>ahe kugelförmige Lichtwelle, <strong>die</strong> fast aus<br />
allen Richtungen auf den Fokuspunkt zuläuft. Der volle Raumw<strong>in</strong>kel von 4Pi wird dadurch viel besser abgedeckt.<br />
Aus dem ovalen Brennfleck wird e<strong>in</strong> schmalerer, fast runder Fokus. Allerd<strong>in</strong>gs entstehen oberund<br />
unterhalb des Brennpunkts noch zwei kle<strong>in</strong>ere Brennflecken. Diese ausreichend kle<strong>in</strong> zu halten, war<br />
<strong>die</strong> größte Herausforderung bei der Entwicklung der Methode. Es galt, physikalische Bed<strong>in</strong>gungen zu f<strong>in</strong>den,<br />
unter denen <strong>die</strong> Intensität der beiden Satelliten m<strong>in</strong>destens kle<strong>in</strong>er als 50 Prozent des Hauptbrennflecks<br />
ist. Dann nämlich kann man ihre Auswirkung auf das Bild wegrechnen. Gelungen ist <strong>die</strong>s mithilfe<br />
der Zwei-Photonen-Anregung (siehe den Beitrag „Mikroskopie im optischen Schnitt“, Seite 34 ff.), <strong>die</strong><br />
jedoch nur e<strong>in</strong>e erste pragmatische Lösung se<strong>in</strong> soll. Denn bei <strong>die</strong>ser Art der Anregung ist e<strong>in</strong>e zusätzliche<br />
Laserquelle erforderlich, und man muss mit gepulster Strahlung arbeiten. In Zukunft, so <strong>die</strong> Vorstellungen<br />
<strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen, soll <strong>die</strong> 4Pi-Mikroskopie auch ohne Zwei-Photonen-Anregung auskommen und damit leichter<br />
handhabbar werden. Die Gött<strong>in</strong>ger Forscher s<strong>in</strong>d jedenfalls überzeugt, dass es sich lohnt, das Auflösungsproblem<br />
systematisch und von mehreren Seiten anzugehen. Unabhängige Ansätze wie <strong>die</strong> STED- und <strong>die</strong><br />
4Pi-Mikroskopie könnten dann komb<strong>in</strong>iert werden und würden sich gegenseitig verstärken.<br />
DIE STED-MIKROSKOPIE<br />
Der entscheidende Bestandteil der STED-Mikroskopie ist <strong>die</strong> Sättigung der Molekül-Abregung durch stimulierte<br />
Emission. E<strong>in</strong> Lichtpuls (STED), unmittelbar nach der Fluoreszenzanregung losgeschickt, zw<strong>in</strong>gt <strong>die</strong><br />
Moleküle vom angeregten Energiezustand zurück <strong>in</strong> den Grundzustand (a). Wenn sich Anregungs- und Abregungspuls<br />
geschickt überlagern (c), werden <strong>die</strong> Moleküle abgeregt, <strong>die</strong> sich im Randbereich des Brennflecks<br />
bef<strong>in</strong>den – noch ehe sie dazu kommen, spontan zu fluoreszieren. Insgesamt nimmt <strong>die</strong> spontane<br />
Fluoreszenz e<strong>in</strong>es Moleküls mit steigender Intensität des STED-Pulses ab (b). Wird e<strong>in</strong>e bestimmte Schwelle<br />
überschritten, kann <strong>die</strong> Fluoreszenz fast vollkommen unterbunden werden. Der grüne Brennfleck, der ohne<br />
STED-Puls entsteht, schnürt sich mit zunehmender Intensität des Abregungspulses immer mehr e<strong>in</strong>. Das<br />
Ergebnis: e<strong>in</strong> fokaler Fleck, der deutlich kle<strong>in</strong>er ist als der von der Beugung limitierte Abbesche Fleck (d).<br />
(a)<br />
(b)<br />
(c)<br />
(d)<br />
DATEN AUS KLAR ET ETAL, PNAS, 97, 2000<br />
AUFNAHMEN: MPI FÜR BIOPHYSIKALISCHE CHEMIE<br />
22 M AXP LANCKF ORSCHUNG 4/2003<br />
4/2003 M AXP LANCKF ORSCHUNG 23