Lichtblicke in die Nanowelt - Max-Planck-Gesellschaft
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FOKUS<br />
Optische HORIZONTE<br />
Mit Elektronen sieht man besser<br />
Moderne Werkstoffe wären ohne Elektronenmikroskopie nicht denkbar. Nur mithilfe kurzwelliger<br />
Elektronenstrahlen können <strong>die</strong> Wissenschaftler E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> atomare Prozesse gew<strong>in</strong>nen<br />
und so direkt verfolgen, was <strong>in</strong> Kristallgittern beim Abkühlen oder Erhitzen, Stauchen oder<br />
Dehnen, Biegen oder Brechen e<strong>in</strong>er Materialprobe vor sich geht. E<strong>in</strong>e Gruppe um MANFRED<br />
RÜHLE, Direktor am Stuttgarter MAX-PLANCK-INSTITUT FÜR METALLFORSCHUNG,<br />
hat den „Durchblick“ und dr<strong>in</strong>gt mit ihren Instrumenten <strong>in</strong> <strong>die</strong> atomare Welt vor.<br />
Die Erfolgsgeschichte der Elektronenmikroskopie<br />
begann am<br />
25. September 1933. Dem 26-jährigen<br />
Physiker Ernst Ruska, der wenige<br />
Wochen zuvor an der TH Berl<strong>in</strong><br />
mit e<strong>in</strong>er Arbeit über „magnetische<br />
L<strong>in</strong>sen“ promoviert worden war, gelang<br />
es damals, mit e<strong>in</strong>em selbst gebastelten<br />
Elektronenmikroskop e<strong>in</strong>en<br />
hauchdünnen verkohlten Baumwollfaden<br />
<strong>in</strong> 8000facher Vergrößerung<br />
abzubilden. Damit konnte er erstmals<br />
<strong>die</strong> hohe Überlegenheit e<strong>in</strong>es<br />
Elektronenmikroskops gegenüber<br />
den – bestenfalls 2000fach vergrößernden<br />
– Lichtmikroskopen zeigen.<br />
Ernst Ruska, der von 1955 bis zu se<strong>in</strong>em<br />
Tod im Jahr 1988 als Wissen-<br />
Durchbruch, nämlich am 25. September<br />
2003, nahm das amerikanische<br />
Wissenschaftsmagaz<strong>in</strong> SCIENCE e<strong>in</strong>e<br />
Arbeit zur Veröffentlichung an, <strong>die</strong><br />
vom Stuttgarter <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Institut<br />
für Metallforschung e<strong>in</strong>gereicht worden<br />
war. Das Paper, für das Zaoli<br />
Zhang, Wilfried Sigle, Fritz Phillipp<br />
und Manfred Rühle verantwortlich<br />
zeichnen, trägt den Titel „Direct<br />
Atom-Resolved Imag<strong>in</strong>g of Oxides<br />
and Their Gra<strong>in</strong> Boundaries“ und<br />
wurde <strong>in</strong> der Ausgabe vom 31. Oktober<br />
abgedruckt. Die Autoren berichten<br />
dar<strong>in</strong>, dass es ihnen gelungen ist,<br />
mit e<strong>in</strong>em Hochspannungs-Höchstauflösungsmikroskop<br />
detaillierte E<strong>in</strong>blicke<br />
<strong>in</strong> <strong>die</strong> atomare Struktur der<br />
scher Materialien ganz wesentlich<br />
durch <strong>die</strong> Anwesenheit von Sauerstoff<br />
bestimmt werden. Dabei spielen<br />
Korngrenzen – Grenzflächen zwischen<br />
Kristallbereichen unterschiedlicher<br />
Orientierung – e<strong>in</strong>e besondere<br />
Rolle. Denn an derartigen „Kristallbaufehlern“<br />
weicht <strong>die</strong> Konzentration<br />
des Sauerstoffs unter Umständen<br />
deutlich von der im ungestörten Gitter<br />
ab. Dadurch können sich <strong>die</strong><br />
Korngrenzen aufladen und <strong>die</strong> Bewegung<br />
elektrischer Ladungen im Material<br />
beh<strong>in</strong>dern. Die Stuttgarter Forscher<br />
konnten erstmals zeigen, dass<br />
sich <strong>die</strong> Konzentration des Sauerstoffs<br />
auch <strong>in</strong> der Nähe solcher Kristallbaufehler<br />
direkt abbilden lässt.<br />
Aufnahmen e<strong>in</strong>es Hochleistungswerkstoffs<br />
aus Si 3 N 4 -Körnern, der mit e<strong>in</strong>er<br />
Alum<strong>in</strong>iumlegierung <strong>in</strong>filtriert wurde.<br />
Das Schwarz-Weiß-Bild zeigt <strong>die</strong> Kornstruktur<br />
des Materials, das farbige <strong>die</strong> mit dem<br />
ESI-Verfahren gewonnene elektronenspektroskopische<br />
Aufnahme, bei der dem Silizium<br />
<strong>die</strong> (Falsch)-Farbe Rot, dem Stickstoff das<br />
Grün und dem Sauerstoff e<strong>in</strong>er oxidischen<br />
Substanz das Blau zugeordnet wurde.<br />
Zu den „jüngsten“ Elektronenmikroskopen am Stuttgarter <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-Institut<br />
zählt das EM 912. Se<strong>in</strong> Filtersystem lässt sich so e<strong>in</strong>stellen, dass jeweils nur <strong>die</strong><br />
an e<strong>in</strong>em bestimmten chemischen Element gestreuten Elektronen zur Abbildung<br />
beitragen. Mit <strong>die</strong>sem „Electron Spectroscopic Imag<strong>in</strong>g“-Verfahren (ESI) kann<br />
man <strong>die</strong> räumliche Verteilung der Elemente ermitteln.<br />
FOTO: WOLFGANG FILSER<br />
FOTOS: MPI FÜR METALLFORSCHUNG<br />
schaftliches Mitglied dem Fritz-Haber-Institut<br />
der <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<strong>Gesellschaft</strong><br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> angehörte, wurde<br />
1986 „für se<strong>in</strong>e fundamentalen Arbeiten<br />
zur Elektronenoptik und für<br />
den Entwurf des ersten Elektronenmikroskops“<br />
mit dem Nobelpreis für<br />
Physik ausgezeichnet – geme<strong>in</strong>sam<br />
mit He<strong>in</strong>rich Rohrer und Gerd B<strong>in</strong>nig,<br />
den Erf<strong>in</strong>dern des Raster-Tunnelmikroskops.<br />
Zufällig genau 70 Jahre nach dem<br />
Oxidkeramik Strontiumtitanat (SrTiO 3 )<br />
zu gew<strong>in</strong>nen. Auf den Aufnahmen<br />
s<strong>in</strong>d selbst <strong>die</strong> leichten und deshalb<br />
Elektronen nur schwach streuenden<br />
Sauerstoffatome zu erkennen, deren<br />
Kontraste sonst meist von denen<br />
schwererer und damit stärker streuender<br />
Atome überdeckt werden.<br />
Die Messung der lokalen Sauerstoffkonzentration<br />
mit atomarer Auflösung<br />
ist von großem Interesse, da<br />
<strong>die</strong> elektrischen Eigenschaften oxidi-<br />
Die Untersuchungen erfolgten an<br />
dem größten Elektronenmikroskop,<br />
das den Stuttgarter Wissenschaftlern<br />
zur Verfügung steht – und das zu<br />
den leistungsfähigsten weltweit gehört:<br />
dem Hochspannungs-Höchstauflösungsmikroskop<br />
JEM-ARM<br />
1250 mit e<strong>in</strong>er Beschleunigungsspannung<br />
für Elektronen von 1250<br />
Kilovolt und e<strong>in</strong>er Punktauflösung<br />
von 0,12 Nanometern (millionstel<br />
Millimeter). Dass man damit <strong>in</strong> ato-<br />
30 M AXP LANCKF ORSCHUNG 4/2003<br />
4/2003 M AXP LANCKF ORSCHUNG 31