aktuelle Vereinszeitung Nr.25 - Ruder-Club-Havel Brandenburg e.V.
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<strong>Ruder</strong>n im R.C.H.B. - vor 72 Jahren…<br />
Kriegsjahr 1940. Wir waren 12 Jahre alt und wollten unbedingt rudern. Mit ein<br />
paar Freunden ging ich damals in die Hammerstraße. Zwar beäugten uns<br />
einige der älteren Herren etwas skeptisch, denn auf so junge Pimpfe war der<br />
RCHB noch nicht eingestellt. Immerhin durften wir wiederkommen.<br />
Ein schwerer Gig-Vierer wurde klar gemacht. Dann kamen die Rollsitze raus<br />
und stattdessen feste Holzsitze rein. Anfänger durften nicht gleich mit<br />
Rollsitzen fahren! Die sollten wir jungen Burschen uns erst verdienen. Und<br />
das dauerte ein paar Wochen. Mit diesen Holzeinsätzen unter dem Hintern<br />
lernten wir das ABC des <strong>Ruder</strong>ns. Bis man uns dann eines Tages<br />
gnädigerweise doch erlaubte, Rollsitze zu benutzen. Das war für uns wie eine<br />
besondere Auszeichnung - und sollte es wohl auch sein….<br />
Bald darauf nahm sich Kurt Kramer (Anfang 30) unserer jungen Crew an. Ein<br />
großartiger Trainer und Kamerad. Mit ihm trainierten wir fast jeden Tag –<br />
Vierer m. St. und Doppelzweier m. St. Wir fuhren anfangs nur in Gig-Booten.<br />
Rennboote wurden wie Heiligtümer gehütet und waren durchweg den älteren<br />
<strong>Ruder</strong>ern vorbehalten. Sie mussten geschont werden. Holz und<br />
Messingnieten für Reparaturen waren knapp. Und Kunststoff gab’s damals<br />
noch nicht.<br />
Meist fuhren wir bis zur sogenannten ‚Startecke’ (etwa dort, wo jetzt die<br />
Regatten gestartet werden). Ein paar Jahre später, als wir dann auch ins<br />
Rennboot durften, sahen wir gelegentlich über uns die Pulks amerikanischer<br />
Bomber, die in 8000 bis 10000 Meter Höhe nach Berlin flogen, um dort ihre<br />
todbringende Last abzuwerfen. Manchmal donnerten auch deutsche<br />
Tiefflieger über unsere Köpfe. Es waren Testpiloten aus den Arado-<br />
Flugzeugwerken in Briest, die die neuen geheimnisumwitterten ersten<br />
Düsenjäger der Welt (Me 262) einflogen.<br />
Sogar Regatten fuhren wir in Gig-Booten. Da im Krieg alle Privatautos<br />
beschlagnahmt waren und ohnehin kein Benzin für Bootstransporte zur<br />
Verfügung stand, waren wir – ob in Berlin-Grünau, Potsdam, Magdeburg,<br />
Schwerin oder anderswo - auf die Boote befreundeter Vereine angewiesen.<br />
Ein Problem, das jedoch immer kameradschaftlich gelöst wurde. Außerdem<br />
hatte das Rennrudern für uns Jugendliche, die wir zwangsweise der Hitler-<br />
Jugend angehörten, den höchst angenehmen Nebeneffekt, dass wir vom HJ-<br />
Dienst (immer mittwochs und sonnabends) befreit waren.<br />
Meist trainierten wir in der Woche. Sonnabend und Sonntag war<br />
Wanderrudern angesagt. Butzow, Malge, Lehnin – eine schöne, fröhliche<br />
Abwechslung in jener schweren Zeit. So konnten wir uns austoben. Das<br />
Essen, das Mutter zu Hause gekocht hatte, wurde in Kochgeschirren<br />
mitgenommen. Denn alles war rationiert. Es gab kaum Restaurants, wo man<br />
essen konnte. Und wenn, brauchte man Lebensmittelkarten. Nicht selten<br />
knurrte uns der Magen, denn Hunger hatten wir in diesem Alter immer.<br />
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