Improvisation - Sanitas Troesch AG
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Spielen ohne Zeug<br />
sanitas troesch November 2011 casanova 13<br />
In immer mehr Schweizer Kindergärten und Tagesstätten trifft man auf<br />
«spielzeugfreie Zeiten» für Kinder. Meist bleiben dann die Spielzeuge für<br />
mehrere Monate im Schrank. Wozu eigentlich? Die Reduktion an Spielmöglichkeiten<br />
scheint nicht nur die Kreativität der Kinder, sondern auch<br />
deren kognitive und soziale Entwicklung zu fördern. Was noch bis vor<br />
Kurzem in wenigen Pilotprojekten getestet wurde, macht mittlerweile<br />
vielerorts Schule. casanova hat ein solches Projekt in der Kindertagesstätte<br />
des Universitätsspitals Zürich für Sie besucht.<br />
Alles ein bisschen anders<br />
«Komm auf die Kutsche! Das Pferd haben wir schon gefüttert!»,<br />
ruft ein Mädchen. Ihre Kameradin klettert auf<br />
einen der Stühle, die unter der Türe aufgereiht sind. Dort<br />
sitzen ungeduldig drei Knaben. Ein drittes Mädchen beginnt<br />
an den Vorhangstreifen im Türrahmen zu zerren. «Hüah…!»<br />
Jetzt hört man, wie sich die Kutsche in Bewegung setzt.<br />
Diese Szene könnte man so in jeder Krippe oder in jedem<br />
Kindergarten der Schweiz beobachten. Erst auf den zweiten<br />
Blick merkt man, dass hier — in der Kindertagesstätte<br />
des Zürcher Universitätsspitals — alles ein bisschen anders<br />
ist. Wer sich nach Stoffpuppen, einem Puzzle oder<br />
einem Spielzeugtraktor aus Plastik umschaut, wird nicht<br />
fündig. Der Grund: Die sieben Kinder stehen in der Abschlussphase<br />
des Projekts «spielzeugfreie Zeit». Seit bald<br />
drei Monaten erlebt die Gruppe Häxebäse einen Alltag<br />
ganz ohne Spielzeuge. Statt mit vorgefertigten Spielwaren<br />
spielen die Kinder hier mit alltäglichen Gegenständen,<br />
d.h. mit Kissen, Tüchern, Seilen, Kisten und Stühlen.<br />
Von der <strong>Improvisation</strong> zum Vorbild<br />
Spielen ohne Spielzeuge, welchen Sinn macht das? Susann<br />
Fischer, Leiterin der KiTa USZ, nimmt Stellung: «Wir haben<br />
die Erfahrung gemacht, dass spielzeugfreie<br />
Zeiten die kindliche Kreativität fördern. Die acht<br />
altersgemischten Gruppen im Haus erarbeiten<br />
sich in dieser Zeit vermehrt Kompetenzen<br />
wie selbstständiges Handeln oder Frustrationstoleranz<br />
— Dinge also, die auch im späteren<br />
Leben gefragt sind.» Das ist laut Susann Fischer<br />
auch der Grund, weshalb ähnliche Projekte oft<br />
in Zusammenarbeit mit kantonalen Suchtpräventionsstellen<br />
realisiert werden. Bedeutet<br />
der verordnete Spielzeugverzicht nicht einfach<br />
didaktische Magerkost für die Kleinen? Susann<br />
Fischer winkt ab: «Für spielzeugfreie Zeiten hat<br />
man sich nicht aufgrund trockener Theorien,<br />
sondern aus einer Notsituation heraus entschieden.<br />
Beim letzten Umzug waren die Räume<br />
nicht gesichert, also einigten wir uns spontan<br />
darauf, die Spielsachen gar nicht zu zügeln und<br />
für eine Weile ganz auf diese zu verzichten.»<br />
Später integrierte man das improvisierte Pilotprojekt<br />
in die Jahresplanung, und mittlerweile<br />
erhält das Haus Anfragen von Kindergärten und<br />
Krippen, die sich ein Bild vor Ort machen möchten.