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Die Logik des literarischen Einfalls

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Dorota Sonicka<br />

dann schon mit den Abwässern zu tun, also mit Dreckproduktion usw. Dahinter<br />

steht aber natürlich auch der Gedanke, dass der Mensch kein reines Wesen ist.<br />

Das Buch kam dann in der DDR nicht heraus, denn es erzählt von einem politischen<br />

Umsturz, nach dem ein Inspektor ein Gutachten schreiben muss. Zum<br />

Schluss sagt er, wir werden wieder Abwässer haben, und dann braucht man wieder<br />

einen Abwasserinspektor. Das passte natürlich ideologisch nicht, denn man<br />

glaubte, nach dem wahren Umsturz wird es keine Abwässer mehr geben. Meine<br />

Ideologie war wiederum so, dass ich sagte: Wir werden zwar wieder Abwässer<br />

haben, aber wir können Kanäle bauen, Kläranlagen. Und dann kommt noch<br />

etwas hinzu: Eines Tages wurde ich mit dem Buch in ein literarisches Seminar<br />

gebeten und da kam die Frage auf: Wie kommt das Böse in die Welt Damit wurden<br />

die Abwässer plötzlich zum Begriff <strong>des</strong> Bösen. Doch das war keine richtige<br />

Frage. Denn philosophisch gesprochen kommt das Böse nicht hinein, sondern es<br />

gehört an sich dazu, also man kann damit jederzeit rechnen. Nun wirft man dem<br />

Inspektor im Buch seinen Abwasserblick vor, weil er doch immer etwas mehr<br />

sieht, als sonst die Leute sehen; er schaut die Gesellschaft von unten an und da<br />

sieht er verschiedene Dinge. Aber andererseits leben wir doch alle davon, dass<br />

der Mensch kein reines Wesen ist. Nehmen wir zum Beispiel die Kirche: Wozu<br />

bräuchten wir die Kirche, wenn keiner sündigen würde. Oder nehmen wir den<br />

Arzt und alle wären unentwegt gesund. Er lebt doch davon, dass wir alle glücklicherweise<br />

einmal krank sind. Was würde der Anwalt ohne die Kriminellen<br />

tun Wir sind also nicht perfekt und das Böse gehört zur Natur <strong>des</strong> Menschen.<br />

Es ist nichts Schreckliches, sondern etwas, womit man rechnen soll. Soviel also<br />

zu den Abwässern. Nun könnte ich auf unendlich viele Arten illustrieren, wie die<br />

anderen Bücher entstanden. Ich war also z. B. in Kalifornien und die Universität<br />

hat mir dort ein Haus zur Verfügung gestellt. Vor dem Haus gab es zwei Rasen:<br />

einen künstlichen und einen natürlichen. Der natürliche war so grün, dass ich<br />

dachte, der sei falsch, denn so grün kann die Natur gar nicht sein. Der künstliche<br />

hatte wiederum eine so unregelmäßige Struktur, dass ich dachte, der wäre der<br />

natürliche. Ich wusste nie, für welchen man den Mäher und für welchen das<br />

Fleckenwasser braucht. Ich konnte also nie zwischen Natur und Artefakt unterscheiden,<br />

und das hat mich fasziniert und es hat mich zu dem Buch Der Herbst in<br />

der großen Orange geführt. <strong>Die</strong>se Beispiele könnte ich jetzt beliebig fortsetzen.<br />

Vieles ist in meinen Büchern wirklich sehr stark autobiographisch geprägt. Aber<br />

das betrifft nicht z. B. die Fabeln. Denn bei den Fabeln stellte ich mir vielmehr<br />

die Frage, ob man heute noch Fabeln schreiben kann.

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