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# 31 | März 2008 readmypony.com | Göttingen | im Frühling Punk ...

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Vlad<strong>im</strong>ir Sorokin Roman<br />

Der Tag des<br />

Opritschniks<br />

KiWi <strong>2008</strong> | 224 Seiten | 18,95 EUR<br />

Michael Saager<br />

Wie düster könnte die Zukunft Russlands in zwanzig<br />

Jahren wohl aussehen? So düster und wahnsinnig<br />

wie in Vlad<strong>im</strong>ir Sorokins Roman »Der Tag des<br />

Opritschniks« sicher nicht. Es ist daher ein bisschen<br />

irritierend, wenn nicht wenige Feuilleton-Kritiker<br />

seit ein paar Wochen behaupten, das Buch sei<br />

verdammt nahe dran an der Gegenwart. Nicht näher<br />

jedenfalls als Aldous Huxley und Anthony Burgess<br />

dran waren mit ihren Romanen »Brave New<br />

World« und »Clockwork Orange« – eher noch ein<br />

ganzes Stück weiter weg.<br />

Worum geht es? Um ein Russland <strong>im</strong> Jahr 2027,<br />

das sich komplett vom Westen abgeschottet und eine<br />

große Mauer um sich gezogen hat. Rege Handelsbeziehungen<br />

unterhält es nur mit China, und diesem<br />

Handel verdanken die Bewohner den allerneuesten<br />

technologischen Schnickschnack. Gleichzeitig ist<br />

das Land zurückgefallen in eine tiefe Gottesfürchtigkeit,<br />

die Sorokin so übertrieben in Szene setzt, dass<br />

es Menschen, die Gott ohnehin für eine tendenziell<br />

blöde Idee halten, stellenweise schmerzen dürfte.<br />

Auf dem Thron dieses »neuen« russischen Reiches<br />

sitzt der mächtige »Gossudar«. Wie einst Iwan der<br />

Schreckliche regiert er das Land mit Hilfe einer unglaublich<br />

brutalen Leibgarde – den Opritschniki.<br />

Mit unverkennbar viel Lust an detailgesättigter<br />

Drastik schlüpft Sorokin in den Kopf des Opritschniks<br />

Andrej Komjaga. Mit ihm erleben wir einen<br />

ganz »normalen« Arbeitstag. Woraus der besteht?<br />

Aus Hinrichtungen, Auspeitschungen, Bestechungen,<br />

Vergewaltigungen, Brandschatzen, dem Konsum<br />

von Drogen und einer zünftigen Sexorgie zum<br />

wohlverdienten Feierabend.<br />

Wie gesagt, »Der Tag des Opritschniks« ist weit<br />

weg von der Realität, jedoch unbedingt als politische<br />

Parabel auf die demokratiefeindlichen Tendenzen<br />

in Putins Russland gemeint. Sorokin, kritisiert<br />

und geschätzt als einer der phantasievollsten<br />

und blutigsten Autoren des Landes, hat sie in nur<br />

sechs Wochen niedergeschrieben. Davon merkt<br />

man dem Buch nichts an.<br />

20 Bücher<br />

A. L. Kennedy Roman<br />

Day<br />

Wagenbach 2007 | 348 Seiten | 22,90 EUR<br />

Kerstin Cornils<br />

Laut Marx finden weltgeschichtliche Ereignisse<br />

zwe<strong>im</strong>al statt, einmal als Tragödie und einmal als<br />

Farce. Diese auf große Männer gemünzte Beobachtung<br />

lässt sich auch auf das Leben des kleinen Alfred<br />

Day anwenden: Zunächst wirft der Held in A.<br />

L. Kennedys jüngstem Roman »Day« Bomben über<br />

Deutschland ab und gerät in Kriegsgefangenschaft.<br />

1949 kehrt der einstige Royal-Air-Force-Heckschütze<br />

ausgerechnet ins ehemalige Feindesland zurück,<br />

um in einer »nachgemachten Baracke« <strong>im</strong> Rahmen<br />

eines Filmprojekts den Zweiten Weltkrieg nachzuspielen.<br />

Days zwanghaft anmutende Wiederholung<br />

der Kriegstragödie lässt sich als Mosaikstein dessen<br />

deuten, was in der Traumaforschung als »posttraumatisches<br />

Belastungssyndrom« bezeichnet wird.<br />

Kennedy hält sich von solch holperigen Bezeichnungsungetümen<br />

wohlweislich fern. Um dem seelischen<br />

Schmerz des Kriegsveteranen auf die Spur<br />

zu kommen, steigt die Autorin mitten hinein in den<br />

Kopf des Helden, in dem ein unverarbeitetes Chaos<br />

von diffusen Erinnerungssplittern tobt. So setzt<br />

sich kaleidoskopartig die Geschichte eines Mannes<br />

zusammen, dem die Teilnahme am Krieg nicht<br />

nur »Selbstverteidigung« vor dem Vater bedeutete,<br />

sondern auch die Geborgenheit einer Crew schenkte.<br />

Schon bald erfährt Days »neue Haut« jedoch Abschürfungen.<br />

Wird seine Geliebte auf ihn warten?<br />

Wie starb die Mutter – und waren die eigenen Bomben<br />

wirklich besser als die der Feinde?<br />

Akribische Recherchen sind in den Roman eingeflossen,<br />

doch nicht <strong>im</strong>mer ist die Fixierung auf das<br />

historisch Exemplarische von Vorteil. Neben dem<br />

überzeugend wuchtig ausgearbeiteten Day bleiben<br />

manche Figuren schemenhaft: Weder der Vater<br />

noch die Mutter, weder der Kollaborateur Vasyl<br />

noch der »gute Deutsche« sind zu facettenreichen<br />

Charakteren ausgereift. »Day« ist ein Roman von<br />

erhabener Dunkelheit – verknotet man ihn mit der<br />

Kriegsprosa von Ledig, Forte, Sebald und T<strong>im</strong>m in<br />

der Art eines Pal<strong>im</strong>psests, werden in den Überlappungen<br />

und Reibungen die St<strong>im</strong>men der anderen<br />

hörbar, die man in »Day« mitunter vermisst.<br />

Hans Magnus<br />

Enzensberger Dok. Roman<br />

Hammerstein oder<br />

der Eigensinn<br />

Suhrkamp <strong>2008</strong> | 375 Seiten | 22,90 EUR<br />

Jan Langehein<br />

Seit 40 Jahren ist Hans Magnus Enzensberger ein<br />

linker Vorzeige-Intellektueller. Sein neuestes Werk,<br />

»Hammerstein oder der Eigensinn«, könnte da etwas<br />

irritieren, denn dessen Held ist alles andere als<br />

eine linke Identifikationsfigur: General Kurt von Hammerstein,<br />

ab 1930 Chef der Heeresleitung und somit<br />

oberster Soldat der Reichswehr. Identifikationsfähig<br />

wird Hammerstein, weil er trotz preußisch-nationalistischer<br />

Sozialisation und militäradligen Standesbewusstseins<br />

seinen eigenen, und vor allem: klaren Kopf<br />

behält, als die Nazis vor der Tür stehen. Enzensberger<br />

kombiniert selbstverfasste, fiktive Texte mit historischen<br />

Quellen zu einer ebenso spannenden wie facettenreichen<br />

Collage, in der er zeigt, wie Hammerstein<br />

<strong>im</strong>mer wieder versuchte, die Generalität zum Putsch<br />

gegen Hitler zu bewegen. Als das nicht gelingt, wirft er<br />

Ende 1933 hin und geht in Rente, intrigiert aber weiter<br />

gegen die Nazis. Hammersteins Töchter helfen jüdisch-kommunistischen<br />

Freunden, Staatsgehe<strong>im</strong>nisse<br />

nach Moskau zu schmuggeln; seine Söhne sind<br />

später an Stauffenbergs Attentat beteiligt.<br />

Bei aller Spannung – durchweg gelungen ist<br />

»Hammerstein« nicht. Enzensbergers Urteil etwa,<br />

We<strong>im</strong>ar sei eine Fehlgeburt gewesen, ist Schulunterricht<br />

8. Klasse, keine Hochessayistik. Auch die fiktiven<br />

Gespräche mit den toten Protagonisten können<br />

nur teilweise überzeugen. Trotzdem bietet das Buch<br />

dem Guido Knopp ge-, also denkentwöhnten deutschen<br />

Publikum auch Stoff zum Grübeln: Wäre ein<br />

erfolgreiches Hitlerattentat <strong>im</strong> Krieg gegen die Sowjetunion<br />

vielleicht fatal gewesen, weil es die Deutschen<br />

als führergläubigen Nazihaufen zurückgelassen<br />

hätte? Das zumindest fürchtete Hammerstein<br />

für den Fall, dass die Alliierten Deutschland deshalb<br />

nicht in Schutt und Asche bombten, weil vernünftige<br />

Militärs die Macht übernähmen und schnell kapitulierten.<br />

So einleuchtend dieser Gedanke klingt – er<br />

zeigt auch, dass ein Motiv <strong>im</strong> deutschen Widerstand<br />

kaum eine Rolle spielte: Die Todesmaschine Auschwitz<br />

so schnell wie möglich anzuhalten.<br />

DEUTSCHES<br />

THEATER<br />

IN GÖTTINGEN<br />

MUSICAL VON<br />

BETH GILLELAND UND<br />

BOB BEVERAGE<br />

SISTERS<br />

OF<br />

SWING<br />

DIE GESCHICHTE<br />

DER ANDREWS SISTERS<br />

2. MÄRZ 08 / 16 UHR<br />

24. + 29. MÄRZ / 19.45 UHR<br />

GROSSES HAUS<br />

THEATERKASSE 05 51 / 49 69 34

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