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# 31 | März 2008 readmypony.com | Göttingen | im Frühling Punk ...

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»Wir sind die Bomben<br />

von Hirosh<strong>im</strong>a«<br />

<strong>Punk</strong> und NDW in Deutschland oder: die erste Opposition, der alles erlaubt<br />

war, weil sie selbst keine Utopie mehr aufbieten konnte. Ein Essay.<br />

Frank Apunkt Schneider<br />

Die 80er Jahre erlebten zur Jahrtausendwende<br />

ihr großes Revival. Fast alles wurde wieder ausgegraben,<br />

noch mal gespielt und angezogen, natürlich<br />

ironisch gebrochen, aber doch mit einer<br />

fast manischen Akribie. Ein bisschen zu kurz kam<br />

dabei, dass die Musik der frühen 80er vor einem<br />

apokalyptischen Szenarios entstand, das von ihr<br />

verarbeitet wurde, sei es in der Bettina-Wegener-<br />

Fassung oder in der »Osten währt am längsten«-<br />

Version der Deutsch Amerikanischen Freundschaft<br />

(so jedenfalls der Titel ihrer zweiten LP).<br />

Selbst in Markus’ »Ich will Spaß« schwang mit,<br />

dass das Projekt »Menschheitsgeschichte« jeden<br />

Augenblick vorüber sein könnte. Darauf konnte mit<br />

penetrantem Mahn- und Warnverhalten (Bettina<br />

Wegener) reagiert werden, mit Vollgas-Hedonismus<br />

(Markus) oder mit zynischer Scheinaffirmation<br />

(DAF). Die Grenzen zwischen diesen Ansätzen<br />

waren in der Regel fließend.<br />

Von heute aus n<strong>im</strong>mt sich diese Apokalyptik beinahe<br />

gemütlich aus. Es war eine wohlgeordnete Welt<br />

mit klaren Fronten. Das sinnstiftende Böse war in<br />

etwa gleichmäßig auf Washington und Moskau verteilt<br />

und die Grenzen verliefen noch zwischen Oben<br />

und Unten und noch nicht – wie in der neoliberalen<br />

Folgeepoche – zwischen den Menschen. Die Welt,<br />

die nur wenig später dann tatsächlich unterging,<br />

war diese einigermaßen überschaubare Welt. <strong>Punk</strong><br />

und New Wave standen noch mit einem Bein in der<br />

alten Übersichtlichkeit, auf die sie bereits mit dem<br />

anderen lustvoll eintraten. Sie hegten schon eine<br />

vage Ahnung davon, dass es sich bei dieser Übersichtlichkeit<br />

um das Produkt falschen Bewusstseins<br />

handelte. Der Kirchentags-Kitsch der Friedens- und<br />

Ökobewegung stieß sie ja mit der Nase darauf.<br />

<strong>Punk</strong> und New Wave waren bereits hochgradig<br />

verwirrte letzte Ausläufer dieser Ordnung, und ihre<br />

Randale war ein letzter – so verzweifelter wie lustvoller<br />

– ordnungsstiftender Akt. Die Abrechnung<br />

mit der Hippie-Kultur, bzw. mit jenem Häufchen ästhetischen<br />

und politischen Elends, der davon 1976<br />

noch übrig war, wurde dabei durchaus <strong>im</strong> Namen<br />

jener Poprevolte betrieben, die keine ganzen zehn<br />

Jahre früher noch von den Hippies angeführt worden<br />

war. Sie vollzog sich unter der Prämisse, dass<br />

die Hippies sie verraten hatten an ihre längst in voller<br />

Blüte stehende Joschka-Fischer-Werdung – an<br />

jenen langen Marsch durch die Institutionen, der<br />

längst als langes und steiles Karrieremodell lesbar<br />

war. Er musste dabei nur tunlichst Acht geben,<br />

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