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Programmheft herunterladen - Münchner Philharmoniker

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12<br />

Maurice Ravel: „La Valse“<br />

„Joie de vivre“<br />

Lebenskrisen<br />

Kaum ein anderer Komponist des 20. Jahrhunderts<br />

wurde in seinem Schaffen so sehr von<br />

seiner Vorliebe für Tanzrhythmen geprägt, wie<br />

dies bei Maurice Ravel der Fall war. Aufgrund<br />

dieser lebenslangen Faszination ließ sich der<br />

Franzose über sein gesamtes Schaffen hinweg<br />

durch Tänze aus den unterschiedlichsten Epochen<br />

und Kulturkreisen inspirieren. Von der altehrwürdigen<br />

Pavane fühlte er sich dabei ebenso<br />

angezogen wie vom modischen Foxtrott. Eine<br />

besondere Affinität besaß Ravel zum Walzer,<br />

der in ihm, wie er betonte, Assoziationen von<br />

Lebensfreude auslöste. Ravel beschäftigte sich<br />

sowohl mit der artifiziell-stilisierten Form des<br />

Walzers, die sich in erster Linie in der Klaviermusik<br />

Schuberts und Chopins ausgebildet hatte,<br />

als auch mit seiner zyklischen Ausprägung<br />

für großes Orchester, deren klassische Modelle<br />

Joseph Lanner und die Mitglieder der Strauß-<br />

Dynastie ab den 1830er Jahren geschaffen<br />

hatten.<br />

Bereits in einem Brief an Jean Marnold aus<br />

dem Jahr 1906 berichtete Ravel über Pläne zu<br />

einem großen Walzer, einer Art „Hommage an<br />

den großen Strauss [sic] – nicht Richard, der<br />

andere, Johann. Sie kennen meine tiefe Sympathie<br />

für diese wunderbaren Rhythmen !“ Der<br />

Komponist legte die Pläne jedoch für viele Jahre<br />

beiseite, bis sie durch einen Auftrag Sergej<br />

Diaghilews nach dem Ersten Weltkrieg endlich<br />

in choreographischer Form konkrete Gestalt<br />

annahmen.<br />

Die Arbeit an dem neuen Werk, das ursprünglich<br />

als „symphonische Dichtung“ mit dem Titel<br />

„Wien“ geplant war, fiel in eine Zeit tiefer Depression<br />

und schöpferischer Lähmung. In den<br />

beiden Jahren nach Beendigung von „Le Tombeau<br />

de Couperin“ (1917) reichten Ravels ohnehin<br />

nie sonderlich überbordenden kreativen<br />

Kräfte lediglich zur Instrumentierung von Chabriers<br />

kurzem „Menuet pompeux“ sowie zu<br />

„Frontispice“, einem rätselhaften Stück für zwei<br />

Klaviere zu fünf Händen von gerade mal 15 Takten<br />

Länge. Der Grund hierfür ist gewiss in den<br />

Nachwirkungen der grauenhaften Eindrücke aus<br />

dem Ersten Weltkrieg zu suchen, den der Komponist<br />

als Fahrer einer Transportkolonne unmittelbar<br />

hinter der Front aus nächster Nähe erlebte.<br />

Noch tiefer wurde Ravel jedoch vom Tod<br />

seiner Mutter 1917 getroffen: Sie war der zentrale<br />

Bezugspunkt in seinem Leben, das ansonsten<br />

ohne dauerhafte Beziehungen zu Frauen<br />

verlief.<br />

Die winterliche Einsamkeit des Landhauses in<br />

den Cévennen, das ihm sein Freund, der Gerhart<br />

Hauptmann-Übersetzer Ferdinand Hérold überlassen<br />

hatte, war Ravels Schaffenslust zunächst<br />

auch wenig förderlich. Doch seine Arbeitskraft<br />

kehrte allmählich wieder: Am 22. Dezember<br />

1919 schrieb er an seinen Schüler und späteren<br />

Biographen Roland-Manuel, er sei „im höchsten<br />

Gang“, und am 6. Januar 1920 hieß es sogar:<br />

„Ich walze frenetisch... !“ Bis Februar hatte der<br />

Komponist eine Fassung für Klavier solo fertiggestellt,<br />

anschließend begann er mit einer Version<br />

für zwei Klaviere. Innerhalb kürzester Zeit<br />

scheint er sich in einen – für seine Verhältnis-

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