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rot-graue blätter - Schriftleitung

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verachtete den eitlen Ruhm, den beanspruchte Ehrenbezeigungen verleihen,<br />

liebte die Arbeit und die Ausdauer, hörte bereitwilligst gemeinnützige Vorschläge<br />

anderer, behandelte stets jeden nach Verdienst, hatte das richtige<br />

Gefühl, wo Strenge oder Nachgiebigkeit angebracht ist, verzichtete auf unnatürliche<br />

Liebe und lebte nur dem Staatswohl. (...) Niemand konnte sagen, er<br />

sei ein Sophist, ein Einfältiger, ein Pedant, sondern jeder erkannte in ihm<br />

einen reifen und vollkommenen Mann, erhaben über Schmeicheleien, fähig,<br />

sowohl seine eigenen Angelegenheiten als die der andern zu besorgen. Dazu<br />

ehrte er die wahren Philosophen und zeigte sich nichtsdestoweniger nachsichtig<br />

gegen diejenigen, die es nur zum Scheine waren. Im Umgang war er<br />

höchst angenehm, er scherzte gern, jedoch ohne Übertreibung.“ (I, 16)<br />

Angesichts dieser engen inneren Bindung Mark Aurels an Antoninus Pius hätte<br />

es der zusätzlichen verwandtschaftlichen Bande kaum bedurft, die dadurch<br />

hergestellt wurden, dass Mark Aurel eine bestehende Verlobung zu lösen hatte,<br />

um Faustina, die Tochter des Antoninus zu heiraten. Aus dieser Ehe gingen<br />

insgesamt 13 Kinder hervor, die in der Mehrzahl allerdings noch im Kindesalter<br />

starben.<br />

Politische Leitsätze<br />

Das über alle geschichtlichen Epochen hinweg fortwirkende Charisma Mark<br />

Aurels liegt sicher nicht zuletzt begründet im Bilde des Philosophen auf dem<br />

Thron, in der mit ihm auch Gestalt gewordenen Verknüpfung von politischer<br />

Philosophie und Herrschaftspraxis. Die Belege für das politische Denken<br />

Mark Aurels sind ebenfalls seinen Selbstbetrachtungen zu entnehmen. Manches<br />

davon erscheint wie zeitlos und in der Gegenwart keineswegs überholt.<br />

„Severus war mir ein Beispiel in der Liebe zu unseren Verwandten wie auch<br />

in der Wahrheits- und Gerechtigkeitsliebe (...), durch ihn bekam ich einen<br />

Begriff, was zu einem freien Staate gehört, wo vollkommene Rechtsgleichheit<br />

für alle ohne Unterschied herrscht und nichts höher geachtet wird als die Freiheit<br />

der Bürger.“ (I, 14)<br />

Freiheit und Gerechtigkeit, vor allem im Sinne gleichen Rechts für alle, gehörten<br />

also zu den früh angeeigneten und stets beibehaltenen politischen Leitvorstellungen<br />

Mark Aurels. Gegen die Versuchungen absolutistischen Machtmissbrauchs,<br />

denen er in seiner Stellung unvermeidlich ausgesetzt war, schützten<br />

ihn sein philosophischer Reflexionshintergrund und Selbstermahnungen:<br />

„Hüte dich, dass du nicht ein tyrannischer Kaiser wirst! Nimm einen solchen<br />

Anstrich nicht an, denn es geschieht so leicht. [...] Ringe danach, dass du der<br />

Mann bleibest, zu dem dich die Philosophie bilden wollte.“ (VI, 30)<br />

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