rot-graue blätter - Schriftleitung
rot-graue blätter - Schriftleitung
rot-graue blätter - Schriftleitung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Nur zu bewusst war Mark Aurel sich der Grenzen seiner politischen Gestaltungsmöglichkeiten<br />
und der Hinfälligkeit utopischer Gesellschaftsmodelle:<br />
„Hoffe auch nicht auf einen platonischen Staat, sondern sei zufrieden, wenn<br />
es auch nur ein klein wenig vorwärts geht, und halte auch einen solchen kleinen<br />
Fortschritt nicht für unbedeutend. Denn wer kann die Grundsätze der Leute<br />
ändern? Was ist aber ohne eine Änderung der Grundsätze anders zu<br />
erwarten als ein Knechtsdienst unter Seufzen, ein erheuchelter Gehorsam?“<br />
(IX, 29)<br />
Dass Mentalitäten nicht ohne weiteres formbar und disponibel sind und daher<br />
im politischen Handeln berücksichtigt werden müssen, war für Mark Aurel<br />
klar, weil er der Bürgerfreiheit auch in der Meinungsäußerung Priorität einräumte.<br />
Worauf es ihm ankam, war ein vernunftgeleiteter und gemeinwohlorientierter<br />
Machtgebrauch, der mit den Grenzen der eigenen Kompetenz rechnete und<br />
dem größeren Sachverstand den Vortritt ließ bzw. die Problemlösung übertrug:<br />
„Reicht mein Verstand zu diesem Geschäft hin oder nicht? Reicht er hin, so<br />
verwende ich ihn dazu als ein von der Allnatur mir verliehenes Werkzeug. Im<br />
entgegengesetzten Falle überlasse ich das Werk dem, der es besser ausrichten<br />
kann, wenn anders es nicht zu meinen Pflichten gehört, oder ich vollbringe<br />
es, so gut ich’s vermag, und nehme dabei einen andern zu Hilfe, der, von<br />
meiner Geisteskraft unterstützt, vollbringen kann, was dem Gemeinwohl gerade<br />
jetzt dienlich und zuträglich ist.“ (VII, 5)<br />
In der Rechtspflege lag für Mark Aurel der Kern der guten gesellschaftlichen<br />
Ordnung und der Bereich, für den er sich persönlich am meisten verantwortlich<br />
fühlte:<br />
„Wenn du Scharfsinn besitzest, so zeige ihn in weisen Urteilen.“ (VIII, 38)<br />
Im Zeitalter der Globalisierung verdient Beachtung, dass Mark Aurel seinem<br />
Dasein auch eine kosmopolitische Komponente zugeordnet hat und sogar<br />
bereits ökologisches Bewusstsein aufscheinen ließ:<br />
„Meine Natur aber ist eine vernünftige und für das Gemeinwesen bestimmte;<br />
meine Stadt und mein Vaterland aber ist, insofern ich Antonin heiße, Rom,<br />
insofern ich ein Mensch bin, die Welt. Nur das also, was diesen Staaten<br />
frommt, ist für mich ein Gut.“ (VI, 44)<br />
13