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< 23><br />
Rohstoffspekulationen, rigide politische Systeme und Förderquoten sowie<br />
ein aufwendiger Abbau treiben die Preise für dringend benötigte Zutaten der<br />
Hightech-Industrie: die seltenen Erden. Um das Lotteriespiel zu beenden,<br />
müssen Alternativen und vernünftige Recycling-Konzepte her.<br />
ndustriestrategen sorgen<br />
I<br />
sich um die zuverlässige<br />
Belieferung mit seltenen<br />
Erden für Elektrotechnik,<br />
Elektronik und Computer.<br />
Die Substanzen stecken<br />
in vielen Produkten, vom Windrad bis zum<br />
Flachbildschirm und von der Festplatte bis<br />
zum Kondensator. Doch was ist dran an<br />
den Schlagzeilen über Lieferengpässe und<br />
Verknappung Und können die Konstrukteure<br />
und Entwickler in der Industrie nicht<br />
auf andere Materialien und Techniken zurückgreifen<br />
»Wir haben das Periodensystem<br />
darauf untersucht, welche Elemente in<br />
der Elektrotechnik verwendet werden können.<br />
Und es sind nach dem Stand von heute<br />
Ohne seltene Erden wären Handys<br />
nicht westentaschenkompatibel<br />
lediglich die bisher bekannten 17«, lautet<br />
die ernüchternde Botschaft von Andreas<br />
Gontermann, Chefvolkswirt des Industrieverbands<br />
ZVEI.<br />
Der Druck auf die Hightech-Branche<br />
steigt also. Denn in der jüngeren Vergangenheit<br />
waren bei manchen dieser exotischen<br />
Materialien extreme Preissprünge zu<br />
beobachten. Das Metall Cer zum Beispiel<br />
wurde in nur einem halben Jahr um bis zu<br />
400 Prozent teurer. Cer gehört zur Gruppe<br />
der seltenen Erden und besitzt eine strategische<br />
Bedeutung wegen seiner Verwendung<br />
in weißen Leuchtdioden (LEDs), die als<br />
effizientes Leuchtmittel die Energiewende<br />
flankierend unterstützen sollen. Allein mit<br />
Marktmechanismen ist die Preissteigerung<br />
nicht zu erklären, aber genau das ist es, was<br />
Industrie und Politik beunruhigt. »Auch die<br />
physische Verfügbarkeit ist weniger das Problem<br />
als die teilweise exorbitanten Preissteigerungen<br />
in der jüngeren Zeit«, sagt Gontermann.<br />
»In den Jahren 2009 bis 2011 sind<br />
die Preise für seltene Erden durchschnittlich<br />
um den Faktor 13 gestiegen.«<br />
Entgegen ihrem Namen sind seltene<br />
Erden nicht wirklich selten; zumindest<br />
kommen sie in der Erdkruste relativ häufig<br />
vor. »Das sollte die Liefersituation eigentlich<br />
entlasten«, führt Gontermann aus. Aber:<br />
Die Versorgung sei extrem konzentriert auf<br />
wenige Lieferländer. »Der Abbau ist sehr<br />
umweltbelastend. China fördert zu niedrigsten<br />
Preisen, mit wenig Rücksicht auf die<br />
Umwelt. Und jetzt sind wir abhängig«, erklärt<br />
Gontermann die schwierige Situation.<br />
Wie stark diese Abhängigkeit ist, wird<br />
deutlich, wenn man die große Zahl der Produkte<br />
und Anwendungsfelder betrachtet,<br />
in denen seltene Erden verwendet werden.<br />
Zum Beispiel Neodym: In Legierungen mit<br />
Eisen und Bor wird das Metall genutzt, um<br />
sehr starke Magnete zu bauen. Es findet<br />
sich etwa in der Positioniermechanik von<br />
Festplatten, in Mikromotoren und Kopfhörern.<br />
Auch Tantal, ein Metall aus der<br />
Vanadiumgruppe, ist in die Schlagzeilen<br />
geraten – es wird für den Bau von Elektrolytkondensatoren<br />
mit hohen Kapazitäten<br />
bei kleinsten Abmessungen benötigt. Ohne<br />
Tantal-Elkos wären Smartphones doppelt<br />
so groß, sind sich Fachleute sicher, und<br />
damit nicht westentaschenkompatibel.<br />
Die größte Bedeutung besitzen momentan<br />
Materialien, die in elektrischen<br />
Antrieben und Generatoren verwendet<br />
werden. Das sind vor allem Neodym, Terbium<br />
und Dysprosium. Sie erleichtern<br />
den Bau kompakter, starker Permanentmagnete.<br />
Ihr Nutzen besteht darin, dass<br />
sie die magnetischen Eigenschaften des<br />
Motors oder Generators auch bei hohen<br />
Temperaturen erhalten. »Je mehr Neodym<br />
man durch Terbium oder Dysprosium<br />
ersetzt, desto temperaturstabiler wird<br />
das Material«, erklärt Bernd Schleede,<br />
Experte für Dauermagnete bei Vacuumschmelze<br />
<strong>GmbH</strong>, einem Unternehmen<br />
mit erheblichem Know-how im Bereich<br />
Magnetwerkstoffe.<br />
Vor dem Hintergrund der steigenden<br />
Preise für die seltenen Rohstoffe grübeln<br />
Unternehmen über Alternativen nach. So<br />
lassen sich Permanentmagnete in manchen<br />
Anwendungen durch Elektromagnete<br />
ersetzen. Ganz werde man aber nicht<br />
ohne seltene Erden auskommen, ist sich<br />
Schleede sicher. Es gehe eher darum, deren<br />
Anteil zu reduzieren und sie effizienter<br />
einzusetzen.<br />
Vielleicht stellt sich das Problem aber<br />
schon bald nicht mehr in dieser Schärfe:<br />
Weltweit sind Geologen und Bergbauingenieure<br />
dabei, neue Vorkommen zu erschließen<br />
oder Minen zu reaktivieren. In<br />
zwei bis drei Jahren sollen in Australien<br />
und Südafrika neue Bergwerke in Betrieb<br />
gehen, erklärt Volker Zepf, wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am Lehrstuhl für<br />
Ressourcenstrategie an der Universität<br />
Augsburg. Darüber hinaus könnte eine<br />
umsichtige Verwendung die Problematik<br />
entschärfen, etwa, bereits beim Design<br />
neuer Produkte auf einen sparsameren<br />
Umgang mit diesen Rohstoffen und auf<br />
deren Rückgewinnung nach abgelaufener<br />
Produktlebenszeit zu achten. Das Stichwort<br />
lautet hier Green Design. »Auf jeden<br />
Fall sollte man Recycling-Spezialisten unbedingt<br />
von Anfang an mit ins Boot nehmen«,<br />
rät Zepf. Nur wenn man die Geräte<br />
so entwickelt, dass sich beim Recycling<br />
die Rohstoffe wieder sauber voneinander<br />
trennen lassen, können sie wieder in den<br />
Kreislauf eingeschleust werden. //<br />
mehr informationen<br />
World Resources Forum:<br />
worldresourcesforum.org<br />
Vorträge und Präsentationen der<br />
Veranstaltung »Green IT Along the<br />
Value Chain« des Bitkom: bit.ly/SQcZ2D<br />
Öko-Institut Freiburg – Recycling<br />
und effizientere Nutzung von<br />
Rohstoffen: oeko.de<br />
web-special<br />
Kohlenstoff heizt<br />
Schaltkreisen ein<br />
Nanotubes aus Graphen könnten<br />
siliziumbasierte Transistoren ablösen<br />
ferchau.de/read/it131a