PDF: 1,6 MB - in der Stadt Bergen auf Rügen
PDF: 1,6 MB - in der Stadt Bergen auf Rügen
PDF: 1,6 MB - in der Stadt Bergen auf Rügen
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Stadt</strong>bote Januar/Februar 2008 Seite 13<br />
nach historischen Gesichtspunkten erhalten<br />
will. Es kommt nicht zur Ausführung.<br />
Jahrelang steht es als beson<strong>der</strong>s denkmalgeschütztes<br />
Haus wie<strong>der</strong> zum Verk<strong>auf</strong>.<br />
Der Backofen als Fragment - <strong>auf</strong>gen. ca. 2003<br />
Endlich fi ndet sich erneut e<strong>in</strong> Käufer und<br />
viele hoffen. Dann weiterer Qualitätsverlust,<br />
schließlich Abriss und nun Neubau.<br />
Was hat die Kirchstrasse 1 so wertvoll und<br />
prägendes an Substanz um als denkmalgeschützt<br />
e<strong>in</strong>gestuft zu werden?<br />
Wir kennen den markanten Stufengiebel, <strong>der</strong><br />
allerd<strong>in</strong>gs erst nach 1936 vor die vorhandene<br />
Giebelfront gesetzt wurde. Ursprünglich<br />
hatte das Haus e<strong>in</strong>e Breite von 10 m<br />
und <strong>der</strong> Ostanbau war e<strong>in</strong>geschossig. Daher<br />
rührte die asymmetrische Giebelgestaltung.<br />
Das Bergsche Haus gehörte zu den wenigen,<br />
an denen e<strong>in</strong> bauhistorisches Gutachten<br />
durchgeführt wurde und <strong>in</strong>teressante Erkenntnisse<br />
brachte. Dieses weist sechs Bauabschnitte<br />
aus. Das ursprüngliche alte Fachwerkhaus<br />
wurde durch Verän<strong>der</strong>ungen über die<br />
Jahrhun<strong>der</strong>te immer mit e<strong>in</strong>bezogen.<br />
Wir können davon ausgehen, dass sich <strong>der</strong><br />
älteste Teil im Bereich <strong>der</strong> Backstube befand<br />
mit 5 Geb<strong>in</strong>den für e<strong>in</strong> Rohrdach. In<br />
<strong>der</strong> Fassade zur Dammstrasse befanden sich<br />
noch Konstruktionselemente des ursprünglichen<br />
Fachwerks, <strong>in</strong> dem doch anspruchsvollen<br />
Stän<strong>der</strong>fachwerk. Immer wie<strong>der</strong><br />
wurde für den Fachwerkbau Eichenholz verwendet.<br />
Ursprünge des Baugeschehens g<strong>in</strong>gen<br />
<strong>auf</strong> das 17. Jahrhun<strong>der</strong>t zurück. In diese<br />
Bauzeit datiert ebenfalls das Benedixsche<br />
Haus am Markt. Der Dachstuhl über<br />
<strong>der</strong> Backstube wies e<strong>in</strong>e Geb<strong>in</strong>dekonstruktion<br />
aus, welche noch <strong>auf</strong> e<strong>in</strong>e Deckung mit<br />
e<strong>in</strong>em Rohrdach h<strong>in</strong>wies. Hier befand sich<br />
auch das typische Aufzugsrad. Auf die al-<br />
te Nabe wurde e<strong>in</strong> neues Scheibenrad gesetzt.<br />
Gut erkennbar s<strong>in</strong>d – da gerettet – noch<br />
die abgesägten Speichen des alten Rades.<br />
So kann man heute ersehen, dass es zu dieser<br />
Zeit <strong>in</strong> <strong>Bergen</strong> noch rohrgedeckte Häuser<br />
gab. Diese waren jedoch bereits durch<br />
Polizeiverordnung verboten, wurden bei Vorhandense<strong>in</strong><br />
aber noch geduldet. Der zweite<br />
Bauabschnitt konnte <strong>in</strong> das beg<strong>in</strong>nende<br />
18. Jahrhun<strong>der</strong>t gelegt werden. Dabei wurde<br />
e<strong>in</strong>e Massivdachdeckung e<strong>in</strong>gebunden<br />
und die vorhandenen Dachgeb<strong>in</strong>de verstärkt.<br />
E<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Keller, gemauert aus Feldste<strong>in</strong>en<br />
lag <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ost-,Westachse und hatte die Grö-<br />
Die Jugendstil-Werbung könnte noch <strong>auf</strong> die<br />
Verlagsbuchhandlung H. Baethge h<strong>in</strong>weisen<br />
ße von ca 4 x 5 m. E<strong>in</strong> weiterer kle<strong>in</strong>er Keller<br />
verlief unter dem Mittelfl ur nach Süden.<br />
Seitenfl ügel und Stallbauten waren ebenfalls<br />
Eichenfachwerkkonstruktionen. In den Stallgebäuden<br />
waren noch die Koben für die Tierhaltung<br />
erkennbar. Der dritte Bauabschnitt<br />
wurde Mitte des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts ausgeführt.<br />
Es war <strong>der</strong> zur Dammstrasse zeigende zweigeschossige<br />
Fachwerkbau und wurde wohl als<br />
Wirtschaftgebäude mit Nebengelassen erbaut.<br />
Im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t wurde <strong>der</strong> Seitenfl ügel<br />
zu Wohnzwecken umgebaut. Jedoch behielt<br />
<strong>der</strong> Bauherr die Fassadenfront mit dem<br />
Dreiecksgiebel bei. Erst die 5. Bauverän<strong>der</strong>ung<br />
nach 1936 brachte die Gestaltung des<br />
Stufengiebels hervor, wie er bis 2007 Bestand<br />
hatte. Der letzte Bauabschnitt war e<strong>in</strong><br />
zweigeschossiger südöstlicher Anbau mit<br />
e<strong>in</strong>em Pultdach. Beson<strong>der</strong>es Augenmerk<br />
verdienen die unter Sauerkrautplatten und<br />
Putz entdeckten Schablonenmalereien aus<br />
dem 19. Jahrhun<strong>der</strong>t. Diese befanden sich<br />
im 1. Obergeschoß im Hauptgebäude und waren<br />
an <strong>der</strong> Decke und an den Wänden zu erkennen.<br />
Sie stellten ornamentale und fl orale<br />
Motive dar. Die wurden jedoch nur fragmentarisch<br />
freigelegt und s<strong>in</strong>d auch nur so fotografi<br />
sch für die Nachwelt sichtbar. E<strong>in</strong>e weitere<br />
Entdeckung war als e<strong>in</strong>e verputzte Hauswand,<br />
zur ehenmaligen G<strong>in</strong>gster Strasse - heute<br />
Bahnhofstrasse fi el und Fragmente e<strong>in</strong>er Firmenwerbung<br />
aus dem ersten Viertel des 20.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts freigab. Diese war sehr künstlerisch<br />
mit Jugendstilornamenten (1890 – 1920)<br />
gestaltet und nicht, wie zuerst vermutet aus<br />
Granit, son<strong>der</strong>n <strong>auf</strong> Putz imitierter Granit.<br />
Diese wies <strong>auf</strong> e<strong>in</strong>e Buchhandlung h<strong>in</strong>, die die<br />
<strong>Rügen</strong>schen Heimatkalen<strong>der</strong> verlegte und für<br />
e<strong>in</strong>e Leihbibliothek warb. Vor <strong>der</strong> Buchhandlung<br />
Walter Krohs existierte bereits <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />
ehenmaligen Knabenschule gegenüber <strong>der</strong> St.<br />
Marienkirche zur Klosterstrasse die Verlagsbuchhandlung<br />
Hermann Baethge. Baethge<br />
war auch Herausgeber des alten <strong>Rügen</strong>schen<br />
Heimatkalen<strong>der</strong>s. Die Verlagsbuchhandlung<br />
Walter Krohs, gelegen an <strong>der</strong> Ecke Marktstrasse/Bahnhofstrasse<br />
übernahm später die<br />
verlegerische Tätigkeit <strong>der</strong> Heimatkalen<strong>der</strong>.<br />
Übrigens h<strong>in</strong>terließ <strong>der</strong> Verleger Krohs umfangreiche<br />
Tagebuch<strong>auf</strong>zeichnungen.<br />
So verabschieden wir uns mit dem Verschw<strong>in</strong>den<br />
dieses Hauses - Kirchstrasse 1 - von<br />
e<strong>in</strong>em Stück <strong>Bergen</strong>, das mit Regionalgeschichte<br />
geschrieben hat. Mit me<strong>in</strong>en Recherchen<br />
möchte ich die Er<strong>in</strong>nerung wach halten.<br />
Nicht jedes historisch gewachsene Haus ist zu<br />
erhalten. Wir verlieren aber mit jedem Abriss<br />
die Nachvollziehbarkeit. Möge <strong>der</strong> kommende<br />
Neubau dieser Würdigung Rechnung tragen.<br />
In <strong>der</strong> Achtung unserer Kultur, den Leistungen <strong>der</strong> Menschen und dem Erkennen unserer geschichtlichen<br />
Spuren liegt die Chance für e<strong>in</strong>e würdige Zukunft. Text und Gestaltung: Kürschnermeister Uwe H<strong>in</strong>z<br />
Chronologie e<strong>in</strong>es Abrisses im Dezember 2007<br />
Geöffnetes Kellergewölbe - Sie<br />
s<strong>in</strong>d oft die Geschichtsgruben<br />
mit reichhaltigem Fundus<br />
Biblographie: Das Bürgerbuch <strong>der</strong> <strong>Stadt</strong> <strong>Bergen</strong> <strong>auf</strong> <strong>Rügen</strong>/Dr.Erw<strong>in</strong> Aßmann/Universitätsverlag Ratsbuchhandlung L. Bamberg, Greifswald · Bauhistorisches Gutachten 1997<br />
Charta 1 nach Huldberg 1789 · Ausführungen von Fräule<strong>in</strong> Hensel · Kreis- und Bä<strong>der</strong>- Adressbuch <strong>Rügen</strong> · eigene Aufzeichnungen und Archiv