TN 43 - Gemeinnütziger Verein Tiegenhof - Kreis Großes Werder eV
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entschuldigt, und die große Gerichtsverhandlung war schnell beendet. Gelacht aber hat n1an noch<br />
lange darüber!<br />
"Ohm Willems" hatte sein Zimmer bei uns oben, n1it seinen eigenen Möbeln: Teppich, Sessel, Sofa,<br />
Bett und Schrank und viele kleine Deckehen in Lochstickerei, die er früher selbst machte. Auf dem<br />
Sofa hat er mitunter einen lieben Saufkumpan übernachten lassen, wenn jener nachts den Weg nach<br />
Hause nicht mehr hat finden können. Neben seinem Zimmer war das Zin1mer meiner Schwestern.<br />
Eines Nachts hörten sie ihn mit viel Gepolter schwer geladen in sein Zimmer kommen. Er stieß<br />
überall an und brumtute vor sich hin. Plötzlich ein lautes Klirren, und sie hörten ihn schimpfen:<br />
"Da liegst du nun, du alte Sau. Du hast n1ir geleuchtet in guten und in bösen Tagen! Nun bist du<br />
hin."<br />
Ihm war die Petroleum-Tischlampe auf die Erde gefallen und das Petroleum über den Teppich<br />
gelaufen. Den nächsten ganzen Tag hat er noch mit der Lampe geschimpft.<br />
Meine Mutter kannte "Ohn1 Willems" bereits aus der Jugendzeit, und ich habe ihn schon<br />
kennengelernt, als ich als 6jähriger das erste Mal bei den Großeltern Spitz-Goertz im "Gasthaus<br />
Helgoland" in Ferien war. Den großen herrlichen Garten auf der Spitz von "Helgoland" hat ja<br />
"Ohm Willems" auch um 1900 angelegt. Und jeden Sommer ist er mehrmals gekommen, hat<br />
geändert, verbessert, umgepflanzt, neu gepflanzt und Rosen veredelt. Damals war es doch Mode,<br />
jedes Beet, jede Rabatte mit Ziersträuchern und Wintergrün einzufassen. Wintergrün war eine<br />
immergrüne n1yrtenähnliche Pflanze, wovon es in dem großen Garten unzählige Meter gab. Jeden<br />
Sommer wurde das Grün mit der Haushaltsschere gerade geschnitten. Alle 3 bis 4 Jahre mußte es<br />
umgepflanzt werden. Dann wurde das Grün ausgegraben, war etwa 25 cm lang, gerade aneinander<br />
gelegt und oben und unten gekürzt. Wenn man es dann wieder einpflanzte, sah es wie eine<br />
Myrtengirlande aus. "Ohm Willems" fielen dabei immer neue verschlungene Beetformen ein, und<br />
wenn er eine Idee hatte, ließ er sich auch von niemand hineinreden. Eines Tages hat er in einen1<br />
Bauernhof neue Gartenanlagen gemacht. Da ist die Bauersfrau gekommen und hat ihre eigene<br />
Meinung über die Anlage geäußert. Die hat er aus ihrem eigenen Garten hinausgeworfen! Er<br />
meinte, wenn die Leute selbst so klug sind, hätten sie ihn ja nicht zu rufen brauchen.<br />
Jedes Jahr mehrmals, bestimmt aber am 2. Weihnachtsfeiertag wurde im "Gasthaus Helgoland"<br />
Theater gespielt. "Ohm Willems" ließ eine Auswahl von Theaterstücken schicken, las sie, suchte<br />
aus und fordelie die Rollenbücher an. Er wußte auch für jede Rolle die Person, die sie am besten<br />
spielen konnte, war dann Regisseur, besorgte evtl. Kostüme und Perücken aus <strong>Tiegenhof</strong>,<br />
schminkte und soufflierte. Einmal wurde "Der Strom" von Max Halbe aufgeführt, ein Stück, das<br />
Eisgang und Hochwasser sehr drastisch schilderte und damals noch nicht in Vergessenheit geraten<br />
war. Auch auf das Lustspiel "Charlys Tante" besinne ich mich. Die Tante hat der Student Kurt<br />
Wiens gespielt, der im ersten Weltkrieg gefallen ist. Die Leute haben Tränen gelacht!<br />
In der Johanniszeit war auf der Spitz vom "Gasthof Helgoland" stets ein großes Gartenfest. Meine<br />
Eltern engagierten dazu meist sechs bis acht ehemalige Husarenmusiker (Kapelle Mehlmann). Das<br />
ging auch nicht ohne "Ohm Willems". Er illuminierte dann den Garten und brannte das Feuerwerk<br />
ab. Führte die Musik danach mit einer Polonäse in den Saal zurück, erstrahlte der Garten in<br />
bengalischem Licht, ebenfalls das Werk von "Ohm Willems".<br />
An seinem 80. Geburtstag will er auf jedes Lebensjahr einen Machandel getrunken haben. Aber da<br />
wird es wohl sehr naß unter dem Tisch gewesen sein.<br />
"Ohlu \Villems" war dafür, gut zu essen, besonders Fleisch. Aber über einen Hasenbraten meinte er,<br />
wenn man an eine alte Filzschlorr' soviel Speck, Butter und Sahne nehme wie an einen Hasen, dann<br />
schmecke die auch.<br />
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