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ALTVATER<br />
Organ des mährisch-schlesischen Sudeten-Gebirgs-Vereines.<br />
Redigiert von Adolf Kettner in Freiwaldau.<br />
Für M itglieder unentgeltlich; für Nichtmitglieder pro Jahr 1 fl. 50 kr. oder 3 Mark<br />
I r. 4. Freiwaldau, 15. Juli 1889. VII. Jahrg.<br />
Burgruine Mödlitz.<br />
In dem politischen Bezirke Sternberg, nahe der<br />
mähr.-schles. Grenze, liegt der kleine Ort Mödlitz, welcher<br />
bis zum Anfänge des 15. Jahrhundertes eine Stadt war,<br />
jedoch durch Kriegsunfälle zu einer Dorfgemeinde herabgebracht<br />
wurde. Auf einer nahen, von der Mohra bespülten<br />
Anhöhe, dem sogenannten Hessberge, stand ehemals<br />
eine Burg, welche 1275 im Besitze Ludwigs von Medl<br />
sich befand, jedoch um das Jahr 1560 schon in Trümmern<br />
lag.<br />
Der Sage nach*) standen ihre einstigen Besitzer mit<br />
den Burgherren des nahen Schlosses Wildstein, von dem<br />
gegenwärtig auch nur spärliche Ueberreste vorhanden sind,<br />
stets in freundschaftlichem Verkehr. Die Inhaber beider<br />
Burgen waren als Raubritter und Wegelagerer berüchtigt,<br />
daher auch feindlichen Angriffen oft ausgesetzt, wobei sie<br />
sich gegenseitig Hilfe leisteten. Als Verständigungsmittel<br />
zur Zeit der Noth diente ihnen eine Art Glocken zug. Es<br />
war nämlich in der damals ganz mit Wald bedeckten<br />
Gegend zwischen den beiden Burgthürmen ein Draht<br />
angebracht, an dessen Enden Glocken sich befanden, die<br />
beim Anziehen des Drahtes läuteten. Der Draht war, —<br />
zumal er sehr hoch angebracht und nur durch die Gipfel<br />
der höchsten Tannen gestützt wurde — nicht leicht<br />
sichtbar, daher den Feinden der beiden Vesten gänzlich<br />
unbekannt.<br />
Die Bürger der Stadt Hof, denen seitens der Möd-<br />
litzer mancher Schaden zugefügt wurde, sahen sich mehrmals<br />
genöthigt, gegen die Burg Angriffe zu unternehmen,<br />
wurden aber jedesmal von den Wildsteinern in den<br />
Rücken überfallen und gezwungen, von der Belagerung<br />
abzulassen und sich zurückzuziehen.<br />
Der Thurmwächter der Mödlitzer Burg, namens<br />
Eichkatz, hatte nämlich jeden Angriff der Hofer Bürger<br />
rechtzeitig dem Burgherrn auf Wildstein mittelst des<br />
Glockenzuges angezeigt und die Mannschaft beider Burgen<br />
allarmiert.<br />
Eines Tages spielte [ein Jüngling mit einer gezähmten<br />
Krähe auf einer Anhöhe zwischen der Mödlitzer und<br />
Wildsteiner Burg, indem er den Vogel in die Höhe<br />
steigen liess, dieser aber im m er wieder zurückkehrte und<br />
auf seine Hand sich setzte. Als der junge Mann zufällig<br />
aufwärts blickte, wurde er des Drahtes gewahr, welcher<br />
zwischen den beiden Vesten gespannt war. Als er den<br />
Hofern seine gemachte Entdeckung mitgetheilt, erkannten<br />
*) Nach einer mir vom H errn Gans aus Bärn zugesandten<br />
Schrift bearbeitet.<br />
und erriethen diese, wieso es kam, dass die Besatzung<br />
von Wildstein von jedem Ueberfalle der Burg Mödlitz<br />
sogleich verständigt und von jener zum Rückzuge genöthigt<br />
wurde. Sie nahmen sich daher vor, den verrätherischen<br />
Draht für die Zukunft unschädlich zu machen. Um aber<br />
ihr Vorhaben vor ihren Gegnern zu verbergen, wurde<br />
beschlossen, am 1 Mai unterhalb des Drahtes eine Stelle<br />
ausholzen und dort einen grossen Maibaum aufstellen zu<br />
lassen. Auch sollte auf dem Platze um den Maibaum<br />
ein Volksfest abgehalten und zur Abendzeit, unter dem<br />
Schutze der Dunkelheit, unbemerkt der D raht von einem<br />
kühnen Kletterer durchschnitten werden.<br />
Wie gedacht, so gethan. Der Maibaum wurde<br />
schon tags vorher, also am 30. April aufgestellt und<br />
dessen Bewachung einem handfesten Schmiede aus Hof,<br />
namens Blutschlacker, übertragen.<br />
Der Mödlitzer Burgwächter, der vom Tburme den<br />
aufgestellten Maibaum sah, gedachte den Hofern einen<br />
Streich zu spielen, nahm daher eine Säge, gieng zu dem<br />
Maibaume, neckte den dort befindlichen Wächter und<br />
überlistete ihn so, dass derselbe unversehens in eine tiefe<br />
Grube fiel, aus der er durch seine Genossen erst am<br />
nächstfolgenden Tage herausgezogen wurde. Eichkatz<br />
erklomm mittlerweile den Maibaum, sägte diesen in<br />
ansehnlicher Höhe bis zur Mitte durch, liess sich darnach<br />
herab und ging nach Hause.<br />
Am folgenden Tage, am 1. Mai, fand das Fest bei<br />
dem Maibaume statt. Sobald es Abend geworden war<br />
und tiefes Dunkel die Landschaft zu decken begann,<br />
unternahm es ein behender Schneider, auf den Baum zu<br />
klettern. Trotz Knarren und Knacken gelang es dem<br />
Muthigen emporzukommen und den D raht zu durch-<br />
schneiden.<br />
Als die Hofer bald nachher wieder m it den Mödlitzern<br />
in Fehde geriethen und deren Burg zu belagern beabsichtigten,<br />
giengen sie dabei mit grösser Vorsicht und<br />
Behutsamkeit zu Werke. Die Belagerung sollte zur<br />
Nachtzeit unter dem Schutze der Dunkelheit unternommen<br />
werden.<br />
In einer finsteren Nacht, als bereits die Insassen<br />
der Burg im tiefen Schlafe sich befanden, wurde der<br />
Angriff unternommen. Der Thurmwächter wollte, wie<br />
sonst, die W7ildsteiner von der Gefahr verständigen und<br />
um Hilfe angehen; jedoch zu seinem nicht geringen ’<br />
Schrecken bemerkte er, dass der D raht nicht mehr<br />
gespannt, sondern zerschnitten sei.<br />
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