Anleitung zum bewussten Hellsehen - Du kannst deine ...
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<strong>Anleitung</strong><br />
<strong>zum</strong><br />
Bewußten <strong>Hellsehen</strong>
Inhalt:<br />
Einführung 7<br />
Die verschiedenen Arten des <strong>Hellsehen</strong>s<br />
<strong>Hellsehen</strong> in Tieftrance 9<br />
<strong>Hellsehen</strong> im Schlaf 11<br />
<strong>Hellsehen</strong> in Halbtrance 11<br />
<strong>Hellsehen</strong> im Zustand der Ekstase 14<br />
Mechanisch-automatisches <strong>Hellsehen</strong> 18<br />
Pendel-Praxis bezw. -Magie 18<br />
Spiegelmagie 19<br />
Kartendeutung 19<br />
Skriptoskop 20<br />
<strong>Hellsehen</strong> auf Grund von Erfahrung Chiromantie, Phrenologie, Graphologie 22<br />
<strong>Hellsehen</strong> als Naturgabe (Zweites Gesicht) 23<br />
Erziehung <strong>zum</strong> bewußten <strong>Hellsehen</strong><br />
Bedingungen zur Fähigkeit des bewußten <strong>Hellsehen</strong>s 25<br />
Entspannung des Körpers 26<br />
Scharfes Gedächtnis 27<br />
Regulierung des Atems 30<br />
Beseitigung jeder Möglichkeit von Ablenkung oder Störung 32<br />
Gespannte Aufmerksamkeit gegenüber den eigenen Gedanken und<br />
Vorstellungsbildern 34<br />
Ausschaltung des Intellekts bezw. des Gehirndenkens 35<br />
Möglichkeit intuitiver Umdeutung von symbolisch erschauten inneren Vorstellungen<br />
39<br />
Festhalten eines Vorstellungsbildes und Unterscheidungskraft 39<br />
Schnelle plastische Schilderung eines Gedankenbildes 41<br />
Meditation, d. h. festhaltende Betrachtungsweise einer Vorstellung 42<br />
Praxis des <strong>Hellsehen</strong>s<br />
Charakterbeurteilung hellseherischer Art 44<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Charakterologie nach Handschrift 44<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Charakterbeurteilung durch Ansehen 45<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Charakterbeurteilung durch Handschlag 46<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Charakterbeurteilung nach Photographie 47<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Charakterisierung durch Fühlungnahme mit einer Person 48
Bewußtes <strong>Hellsehen</strong> auf Grund unsichtbar gemachter Dinge 49<br />
<strong>Hellsehen</strong> nach verschlossener Schrift 50<br />
<strong>Hellsehen</strong> nach verschlossener Photographie 51<br />
<strong>Hellsehen</strong> eines verschlossenen Bildes 51<br />
<strong>Hellsehen</strong> nach einem verborgen getragenen Gegenstand 52<br />
<strong>Hellsehen</strong> durch Hören von Schritten 53<br />
<strong>Hellsehen</strong> von Geldstücken 54<br />
Rechnen im nicht überlegenden Zustand 56<br />
<strong>Hellsehen</strong>des Zeichnen 56<br />
<strong>Hellsehen</strong>des Schreiben 57<br />
<strong>Hellsehen</strong>des bezw. hellhörendes Sprechen fremder Sprachen 57<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Kopfuhr zu jeder Tageszeit 58<br />
<strong>Hellsehen</strong>des Lesen von Büchern 58<br />
Hellseh-Diagnose bei Kranken 59<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Wetterprognose 60<br />
<strong>Hellsehen</strong> von Erdbeben 61<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Beobachtung von bekannten Personen 64<br />
Schau in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer Person 65<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Beobachtung fremder Personen 66<br />
Das Erschauen von Wesenheiten Verstorbener bei mediumistischen Sitzungen 68<br />
Schlußwort 68
Einführung<br />
Wer möchte nicht die Fähigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s besitzen? Wer wünscht nicht, den<br />
Schleier der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft zu lüften, um Rätsel des<br />
Daseins, die uns auf Schritt und Tritt im täglichen Leben begegnen, zu lösen, um gefeit<br />
gegen Gefahren des Schicksals zu sein, um sich selbst und den Mitmenschen Beratung,<br />
Leitung und Hilfe zu bringen?<br />
Das Wort <strong>Hellsehen</strong> bezeichnet die Fähigkeit nicht genau. Der Franzose braucht für<br />
diesen Begriff das Wort »Clairvoyance«. Das bedeutet, genau übersetzt, »Klarsehen«.<br />
Die Fähigkeit ist mit diesem Wort schärfer umgrenzt. Im gewöhnlichen Leben gehen<br />
wir mit unseren fünf verstandesmäßig trainierten Sinnen umher ohne irgendwelche<br />
Klarsicht. Ja, wir wissen nicht einmal, was uns die nächste Sekunde bringen kann, wir<br />
sind nicht einmal imstande, ein Gedankenbild, das uns vor fünf Sekunden flüchtig<br />
beschäftigt oder auch unbewußt gestreift hat, zu reproduzieren, geschweige denn zu<br />
schildern. Das verstandesmäßige Denken, das in der Schule in uns hochgezüchtet<br />
worden ist, beherrscht unser ganzes Dasein derart, daß jedes klare Sehen in das Innere<br />
des eigenen Ichs verhindert bzw. verdunkelt wird. Es ist, als ob wir vor einem mit dichtem<br />
Vorhang verhängten Fenster stünden. Wir möchten zu gerne hinaussehen durch<br />
die klaren Scheiben in das goldene Licht des Tages. Weil wir aber nicht gelernt haben,<br />
die Schnur zu ziehen, die den Vorhang öffnet, so stehen wir im <strong>Du</strong>nkel und behaupten,<br />
daß es kein <strong>Hellsehen</strong> gebe, oder wir ergehen uns in philosophischen Abhandlungen<br />
über das Unnütze und Unangebrachte der Versuche, hell zu sehen. Denjenigen aber,<br />
die mit einem spöttischen oder ungläubigen Lächeln über dieses Thema zur Tagesordnung<br />
übergehen, sei gesagt, daß der Mensch außer seinem Verstand auch noch<br />
Vernunft und Gemüt hat. Wer seine göttliche Vernunft vermittels des in ihm wirken-<br />
den Gemüts auf den Verstand, d. h. auf sein körperliches Gehirndenken einwirken<br />
läßt, der erhält von selbst die Fähigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s. Je stärker das Gemüt und die<br />
Vernunft im Menschen zur Herrscha ft gelangen, desto heller wird die Sicht in eine<br />
sonnendurchglühte Welt, die außerhalb unseres reinen Verstands sich befindet, desto<br />
mehr lüftet sich der Vorhang, und die klare Sich t unseres Innenmenschen läßt uns<br />
Dinge schauen von nie geahnter Wirklichkeit und bis dahin nicht gesehener Plastik.<br />
7
8<br />
Ist es nun möglich, durch Übung die Fähigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s zu erlangen? Die Beantwortung<br />
dieser Frage dürfte von grundlegender Bedeutung für die geistige Entwicklung<br />
und Entwicklungsrichtung der europäischen Menschheit sein. Um diese<br />
Frage restlos zu beantworten, ist es erst einmal notwendig, die Arten des <strong>Hellsehen</strong>s<br />
einer Betrachtung zu unterziehen, die uns bis heute bekannt sind, die sich aber von der<br />
Fähigkeit des erübten, bewußten <strong>Hellsehen</strong>s grundlegend unterscheiden.<br />
Die uns bekannten Fähigkeiten des <strong>Hellsehen</strong>s stehen durchweg im Zusammenhang<br />
mit der<br />
Herbeiführung besonderer Bewußtseinszustände,<br />
die eine Offenbarung des im Menschen wirkenden Unterbewußtseins bezwecken. Wir<br />
können diese Bewußtseinszustände nach dem Grad ihrer Äußerungen bzw. Äußerungsmöglichkeiten<br />
einteilen. Es entsteht dann folgende Tabelle:<br />
1. <strong>Hellsehen</strong> in mediumistischer Tieftrance<br />
2. <strong>Hellsehen</strong> im Schlaf<br />
a) im Traum,<br />
b) in Halbtrance (einfacher hypnotischer Schlaf).<br />
3. Ekstatisches <strong>Hellsehen</strong><br />
a) im Rausch,<br />
b) in seherischer Ekstase,<br />
c) religiösen Ursprungs.<br />
4. Mechanisch-automatisches <strong>Hellsehen</strong> a) Pendelmagie,<br />
b) Spiegelmagie,<br />
c) Kartendeutung,<br />
d) Skriptoskop.<br />
5. <strong>Hellsehen</strong> auf Grund von Erfahrung<br />
a) Chiromantie,<br />
b) Phrenologie,<br />
c) Graphologie.
6. <strong>Hellsehen</strong> als Naturgabe (Zweites Gesicht).<br />
7. Klares, bewußtes, konzentriertes <strong>Hellsehen</strong>.<br />
Dieses <strong>Hellsehen</strong> ist es, das jeder durch Erziehung und Übung als Fähigkeit erreichen<br />
kann.<br />
<strong>Hellsehen</strong> in Tieftrance<br />
Diese Art des <strong>Hellsehen</strong>s vermögen nur solche Personen auszuüben, die von Natur aus<br />
stark medial sind und deren Medialität so weit reicht, daß sie vermittels Fremd- oder<br />
Selbsthypnose in einen kataleptischen Zustand geraten. Dieser Zustand läßt sich bezeichnen<br />
als ein Tiefschlaf, der dicht an der Grenze der Agonie, d. h. an der Schwelle<br />
des leiblichen Todes vorüber führt. Nur sehr wenige der Medien vermögen sich so des<br />
eigenen Kontroll-Ichs zu entäußern, daß sie in diesen fast todesähnlichen Schlaf fallen.<br />
Der Zustand der Tieftrance hat aber bezüglich der Fähigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s den<br />
Vorteil, daß er das verstandesmäßige und seelische Kontroll-Ich völlig ausschaltet und<br />
dem Unterbewußtsein die völlige Herrschaft über Körper und Hirn des Betreffenden<br />
einräumt. Es gilt bezüglich des mediumistischen <strong>Hellsehen</strong>s der eine Grundsatz, daß<br />
vergangene, gegenwärtige und zukünftige Dinge um so klarer gesehen, erkannt und<br />
geschildert werden, je mehr das verstandesmäßige Gehirndenken, d. h. das Denken,<br />
das auf logischer Schlußfolgerung und Beweis beruht, ausgeschaltet wird. Der zweite<br />
Grundsatz bezüglich der Fähigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s ist, daß in bezug auf das Erdengeschehen<br />
überhaupt<br />
das Unterbewußtsein des Menschen allwissend<br />
ist. Dieser Grundsatz wird durch experimentelle Erfahrungen bewiesen und gilt für<br />
alle Arten des <strong>Hellsehen</strong>s allgemein.<br />
Um dem Leser ein Bild von der Fähigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s in Tieftrance zu geben,<br />
möchte ich einige Beispiele anführen, die sich aus der Hellsehtätigkeit des verstorbenen<br />
Savary ergeben haben. Voraus bemerken möchte ich hierzu, daß es Savary nicht<br />
immer gelang, durch Selbsthypnose in Tieftrance zu fallen. Wenn also zuweilen seine<br />
Experimente nicht einwandfrei gerieten, so geschah das immer nur, wenn der Zustand<br />
der Katalepsie nicht vollkommen war, so daß das logische Gehirndenken ihm ins<br />
Handwerk pfuschte. Fiel Savary jedoch für jeden sichtbar in Katalepsie (erkennbar<br />
durch den Krampf des Körpers, Verlangsamung des Pulses, Kälterwerden der Hände,<br />
Schaum- und Blutgemisch in der Mundhöhle), so wurde die Fähigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s<br />
bis zur Freiheit vom Irrtum gesteigert.<br />
9
10<br />
Savary experimentierte vor ungefähr 500 Zuhörern. Er befand sich in Tieftrance. Sein<br />
Helfer bat einen der Anwesenden um ein Schreiben. Dieses wurde in einen Umschlag<br />
gesteckt und verschlossen wieder in die Brieftasche des Besitzers getan. Es erfolgte die<br />
Aufforderung an Savary, den Brief zu lesen. Sofort fing er an, die Adresse langsam zu<br />
lesen, dann kam er allmählich in ein schnelleres Tempo und las den Inhalt des Schreibens<br />
(das sich verschlossen in der Brieftasche des Zuhörers befand!) vom Podium aus<br />
fließend vor.<br />
Ein anderes Beispiel von der Fähigkeit Savarys gab folgendes Experiment: Das in Tieftrance<br />
befindliche Medium befand sich auf dem Podium. Der Helfer forderte das<br />
Publikum auf, durch Zuruf Fragen an Savary zu stellen. Einige solcher Fragen und<br />
deren Beantwortung seien an dieser Stelle wiedergegeben.<br />
Frage: Was berührt der Mittelfinger meiner rechten Hand?<br />
Antwort: Den vierten Knopf Ihrer Weste, von oben herab gezählt.<br />
Frage: Wieviel Geld habe ich in meiner Brieftasche?<br />
Antwort: Fünf Milliarden sechzig Millionen Mark. (Es war zur Inflationszeit.)<br />
Frage: Was halte ich in meiner linken Hand?<br />
Antwort: Nichts. Aber in der rechten Hand halten Sie Ihren Schlüsselbund, an dem<br />
sich acht Schlüssel befinden, davon drei große und fünf kleine.<br />
Frage: Wo ist mein Bruder Paul gefallen?<br />
Antwort: Bei Soissons.<br />
Frage: Wo befindet sich meine Schwester Berta?<br />
Antwort: Hier im Saal.<br />
Frage: Wo ist mein Vater?<br />
Antwort: Er ist tot, gefallen.<br />
Frage: Wo?<br />
Antwort: Bei Bapaume.<br />
Frage: Welche Verwundungen habe ich im Kriege erhalten?<br />
Antwort: Keine. Aber Sie wurden gefangengenommen.<br />
Frage: Wie viel Briefe erhalte ich morgen mit der ersten Post?<br />
Antwort: Sechs, davon zwei Postkarten und ein unangenehmer. (Es stellte sich später<br />
heraus, daß es eine Ladung vom Amtsgericht war.)<br />
Alle Beantwortungen stellten sich als völlig den Tatsachen entsprechend heraus. Es<br />
ergibt sich hieraus, daß das <strong>Hellsehen</strong> eines in Tieftrance befindlichen Mediums an<br />
Klarheit des Schauens nichts zu wünschen übrig läßt. Ich
möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hinweisen, daß dieses »<strong>zum</strong> Ausdruck<br />
bringen« einer Sache oder Angelegenheit stets unbewußt durch das Medium vor sich<br />
geht. Das eigentliche Bewußtsein wird gespalten in Unter-und Normalbewußtsein. Das<br />
letzte wird durch den intensiven Tiefschlaf gelähmt bzw. ausgeschaltet, und das Unterbewußtsein<br />
waltet frei. Ob dieser Zustand als »ideal« bezeichnet werden kann, muß<br />
<strong>zum</strong> mindesten bezweifelt werden. Das Medium selbst besitzt nach dem Erwachen<br />
keinerlei Erinnerung mehr an das, was es aussagte.<br />
Doch es ist nicht Aufgabe dieser Schrift, wissenschaftliche Thesen über die inneren<br />
Vorgänge und Funktionen der Spaltungserscheinungen des menschlichen Bewußtseins<br />
zu erörtern, wir müssen aber <strong>zum</strong> Zwecke der späteren Ausführungen über das<br />
»bewußte <strong>Hellsehen</strong>« alle diese Probleme kurz berühren.<br />
<strong>Hellsehen</strong> im Schlaf.<br />
Jeder Mensch übt die Tätigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s im<br />
Schlaf aus. Neben den wirren und<br />
unerklärbaren Bildern unserer Träume erleben wir in ihnen von Zeit zu Zeit Geschehnisse,<br />
die auf eine vorausdeutende und prophetische Tätigkeit unseres Bewusstseins<br />
während des Schlafzustandes schließen lassen. Wer sich darüber genau unterrichten<br />
möchte, lese die »Traumexerzitien« von Heinrich Jürgens. Aus den Ausführungen<br />
dieser Schrift geht unzweifelhaft hervor, daß tatsächlich jeder Mensch imstande ist,<br />
die Fähigkeit einer klaren Schau während des Schlafes auszubilden <strong>zum</strong> seelischen<br />
und physischen Vorteil für sich und andere.<br />
Aber noch ein anderes <strong>Hellsehen</strong> im Schlafzustande gibt es, das zwar auch traumhaft,<br />
aber lebhaft nach außen dokumentierend sich äußert. Während das <strong>Hellsehen</strong> im<br />
Traume des gewöhnlichen Schlafs wort- und – nach außen hin – tatenlos, d. h. schilderungslos<br />
vor sich geht, ist das<br />
<strong>Hellsehen</strong> in Halbtrance<br />
voll von Schilderungen und Erlebnissen für die Umwelt. Man könnte den Zustand der<br />
Halbtrance als einen für alle sieht-, hör- und fühlbaren Offenbarungstraum bezeich-<br />
nen. Es gibt eine ganze Anzahl Medien, die sich im Zustande der Halbtrance zu äußern<br />
vermögen. Auch die Halbtrance wird durch Fremd- oder Selbsthypnose hervorgerufen.<br />
Sie unterscheidet sich von Tieftrance dadurch, daß sie vor dem Zustande der Katalepsie<br />
halt macht. Medien, die in Halbtrance fallen, vermögen nicht immer ihr Gehirndenken,<br />
das auf Schlußfolgerung beruht, auszuschalten. Es ist deshalb nicht immer<br />
11
12<br />
eine klare Hellsicht im Zustand dieser Art der Trance zu erzeugen. Doch gibt es auch<br />
unter diesen Medien hervorragende Könner, die es zeitweise vermögen, das Kontroll-<br />
Ich des Verstandesdenkens ganz <strong>zum</strong> Schweigen zu bringen und nur die Funktionen<br />
ihres Unterbewußtseins in Schwung zu erhalten. Ein solches hervorragendes Medium<br />
hat die Öffentlichkeit in den Jahren 1928/29 stark beschäftigt. Es handelt sich um die<br />
sogenannte »Insterburger Hellseherin«.<br />
Dieser, Frau Günther-Geffers, gelang es im Zustand der Halbtrance, Verbrechen aufzudecken<br />
und die Verbrecher <strong>zum</strong> Teil zu nennen. Ihr Schauen war so klar, daß sie<br />
sogar die Einzelheiten genau zu schildern vermochte. Es war für die <strong>zum</strong> Teil materialistisch<br />
eingestellten Staatsanwälte und Richter ein harter Schlag, während des Prozesses<br />
gegen diese Hellseherin zugeben zu müssen, daß es so etwas wie <strong>Hellsehen</strong> überhaupt<br />
gebe. Der rein materialistischen Weltanschauung ist durch die Enthüllungen,<br />
die der Prozeß brachte, eine böse Scharte zugefügt worden, die auszuwetzen ihr unmöglich<br />
sein dürfte.<br />
Man kann es im allgemeinen zwar nicht als ideal bezeichnen, durch die Fähigkeit der<br />
bewußt gespaltenen Klarschau Verbrechen aufzudecken. Denn für die Medien liegt<br />
immer die Gefahr vor, daß durch die ausschließliche Beschäftigung mit diesen dunklen<br />
Dingen das Unterbewußtsein psychisch derart beschmutzt wird, daß es schwer<br />
;fällt, sich innerlich davon zu reinigen. Die Folgen könnten schwere seelische Depressionen,<br />
furchtbare Träume und starke Störungen auch des Normalbewußtseins beim<br />
Medium sein. Es ist also für Medien, die die Fähigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s in Halbtrance<br />
besitzen, besser, sich nicht mit der Aufdeckung von Verbrechen zu befassen oder sich<br />
dafür gebrauchen zu lassen.<br />
Um dem Leser das <strong>Hellsehen</strong> in Halbtrance etwas zu veranschaulichen, gebe ich einige<br />
kleine Erlebnisse aus eigener Erfahrung wieder.<br />
Mit dem inzwischen im Konzentrationslager umgekommenen Halbtrance-Medium,<br />
Frau J. L. aus C., experimentierte ich des öfteren. Vor zwanzig Jahren beabsichtigte ich,<br />
eine größere Vortragsreise zu machen. Etwa eine Woche vor Beginn dieser Reise experimentierte<br />
ich mit Frau L. Als sie in Trance geraten war, sagte sie neben anderen Dingen<br />
folgendes: »Deine Reise wird gut verlaufen, in F. wird dein Erfolg gering, in K. wird<br />
er groß sein. Es droht dir Gefahr im Zug. Ich werde dann bei dir sein und dich beschützen.«<br />
Als ich fragte, ob die Gefahr auf der Reise im allgemeinen drohe, sagte sie:<br />
»Nein, im Zug! Aber frage mich nicht weiter, ich kann dir jetzt nichts mehr sagen.« –<br />
Tatsache war, daß ich in F. sehr geringen und in K.
sehr großen Erfolg mit meinen Vorträgen hatte. Das Interessante aber war, daß ich auf<br />
der Rückreise über B. nach Hause fuhr. Auf der Strecke, direkt hinter einer scharfen<br />
Kurve, an der der Zug infolge Abwärtsfahren in das Tal eine Geschwindigkeit von<br />
hundert Stundenkilometern erreicht hatte, sprang der vor meinem Abteil befindliche<br />
Wagen aus dem Gleis. Steine rasselten wie Maschinengewehrfeuer gegen den Boden<br />
meines Abteils, Eisenstücke flogen umher, und nur der Geistesgegenwart des in meinem<br />
Wagen befindlichen Schaffners, der die Notbremse zog, verdankten die Reisenden<br />
des Zuges, daß sie von einer verheerenden Katastrophe verschont blieben. Als der<br />
Lokomotivführer und der Zugführer sich den Schaden besahen, konnte ich aus ihren<br />
totblassen Gesichtern lesen, welcher Gefahr wir entgangen waren. Da fiel mir der<br />
Spruch von Frau L. ein, den sie in Trance getan. Nachher hatte ich Zeit darüber nachzudenken,<br />
ob es vielleicht doch dem unterbewußten Wirken von Frau L. mitzudanken<br />
sei, daß der aus den Gleisen gehobene Wagen noch ungefähr dreihundert Meter in<br />
rasender Fahrt mitgeschleift worden war, ohne daß dessen Bremsvorrichtung zerstört<br />
wurde. Ich selbst hob nach diesem Erlebnis dankend die Hände zu dem, der unser<br />
aller Vater ist.<br />
Ein anderes Beispiel, das Hellhören und <strong>Hellsehen</strong> – beides miteinander sehr eng<br />
verwandte Fähigkeiten – <strong>zum</strong> Gegenstand hatte. – Ich muß hier <strong>zum</strong> besseren Verständnis<br />
im voraus bemerken, daß Frau L., mit der ich das Experiment ausführte, die<br />
Fähigkeit besaß, im Zustand der Trance ein perfektes und sehr geläufiges Rumänisch<br />
zu sprechen; im normalen Zustande war ihr diese Sprache durchaus fremd. Es waren<br />
aber stets die gleichen Redewendungen und Aussprüche, die immer wiederholt wurden.<br />
Wurde sie während dieses Sprechens ungarisch oder italienisch angeredet, so gab<br />
sie treffende und passende Antworten in rumänischer Sprache. Eines Tages, als Frau L.<br />
gerade wieder rumänisch im Trancezustand sprach, kam ich auf die Idee, sie in spanischer<br />
Sprache anzureden. Wie groß aber war meine Überraschung, als sie in spanischer<br />
Sprache antwortete; allerdings jedesmal erst, nachdem sie einige Sekunden wie<br />
schweigend einer anderen Stimme zugehört hatte. Ich stellte nun folgende Fragen in<br />
spanischer Sprache:<br />
Frage: Wann habe ich Spanien <strong>zum</strong> letzten Male gesehen?<br />
Antwort: Oktober 1922.<br />
Frage: In welchem Ort Spaniens war ich zuletzt?<br />
Antwort: In San Sebastian.<br />
Frage: Wer lehrte dich spanisch sprechen?<br />
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Antwort: Mein Ich (El yo mio).<br />
Frage: Wie <strong>kannst</strong> du das sprechen?<br />
Antwort: Erst höre ich und dann spreche ich nach.<br />
Hier haben wir den typischen Fall, daß das Unterbewußtsein die Fähigkeiten des <strong>Hellsehen</strong>s<br />
und des Hellhörens und des damit verbundenen Zwanges <strong>zum</strong> mechanischen<br />
Nachsprechen durch das Medium gleichzeitig ausübt. Die ersten Fragen waren völlig<br />
richtig beantwortet, also durchaus hellseherisch, die Sprache, und vor allem die Aussprache,<br />
war die einer vornehmen Castilianerin.<br />
Ein anderes, ebenfalls interessantes Beispiel war die Namensnennung eines Mädchens,<br />
das vor langen Jahren einmal den Schwarm meiner reiferen Knabenjahre bildete.<br />
In diesem Falle war Fräulein Leni H. das Medium, das mir auf meine Frage, woher<br />
sie den Namen wisse, antwortete, sie lese den Namen von der Wand ab. Besonders<br />
bemerkenswert ist hierbei die Tatsache, daß das betreffende Mädchen schon seit<br />
ungefähr 26 Jahren tot ist. Auf meine weitere Frage gab dann das Medium eine haargenaue<br />
Beschreibung der Verstorbenen, schilderte ihr Aussehen, Farbe der Haare, des<br />
Gesichts, der Haut usw. Also ein ausgezeichnet gelungenes Hellsehexperiment in<br />
Halbtrance!<br />
<strong>Hellsehen</strong> im Zustand der Ekstase<br />
Die halluzinatorischen Zustände, die durch das Einnehmen von Opium und giftigen<br />
Chemikalien hervorgerufen werden, lassen sich nicht in die Zustände der Hellseh-<br />
Fähigkeiten einreihen. Wirkliches <strong>Hellsehen</strong> ha t immer tatsächliches Geschehen der<br />
Vergangenheit, Gegenwart oder der Zukunft als Grundlage. Dagegen sind die halluzinatorischen<br />
Gaukelbilder, die durch die genannten Gifte hervorgerufen werden, reine<br />
Phantasien, die jeder tatsächlichen Grundlage entbehren und infolgedessen ohne<br />
irgendwelchen Wert für die Betreffenden selbst oder für die Mitmenschen sind.<br />
Anders verhält es sich allerdings mit der Einnahme von Pflanzensäften wie Peyotl und<br />
Haschisch, sowie auch Alkohol, die starke Spaltungszustände im Menschen hervorrufen<br />
und die geeignet sind, in der Psyche Vorstellungsbilder zu erzeugen, die hellseherischer<br />
Art sind und oft treffende und klare Schau geheimer Dinge vermitteln. Ausdrücklich<br />
aber sei hier darauf hingewiesen, daß die sich aus dem Nehmen genannter<br />
Essenzen ergebenden Bewußtseinszustände eine überaus starke Spaltung im Menschen<br />
hervorrufen, die sein bewußtes Normal-Ich derart zu überwuchern imstande ist,<br />
daß
ernste Gefahren für den Körper und die Seele des die Narkotika gebrauchenden Menschen<br />
daraus entstehen können. Es sei daher vor dem Gebrauch dieser Säfte gewarnt.<br />
Im allgemeinen ist uns die Wirkung des Alkohols bekannt. Doch gibt es eine Anzahl<br />
Menschen, die im normalen Zustand keinerlei mediale oder hellseherische Fähigkeiten<br />
verraten. Nehmen sie jedoch nur geringe Mengen Alkohol zu sich, so geraten sie in<br />
einen Zustand höchster Sensitivität und Ekstase und vermögen in diesem Zustande<br />
(der das Normalbewußtsein schweigen heißt, es lähmt und dem Unterbewußten die<br />
Rolle des Führers überläßt) ganz erstaunliche hellseherische Fähigkeiten zu entwickeln.<br />
Ich habe einen Freund, der diese eigentümliche Art der klaren Schau während<br />
des Zustandes ganz geringer Alkoholisierung besitzt. Vor mehreren Jahren<br />
machte ich mit ihm in einem Vorort von Lissabon einen Spaziergang am Tajo entlang.<br />
Es war gegen Abend. Er hatte ein Glas Wein getrunken und befand sich in sensitiver<br />
Ekstase. Er sprach in hochtönenden Worten von seiner Zukunft, seiner Braut und<br />
begann aus dem Stegreif einige Gedichte zu produzieren. Plötzlich hielt er inne. Sein<br />
Blick wurde starr, er erbleichte, und sah starr auf den Fluß hinaus, dessen Ufer im<br />
<strong>Du</strong>nkel verschwammen. Dann packte er mich jäh beim Arm, wies mit dem Finger in<br />
die Richtung des Meeres und sagte: »Siehst du es denn nicht!« »Was?« war meine<br />
Frage. »Da hinten das Schiff!« Jetzt verzog sich sein Gesicht, er schrie laut, sank in die<br />
Knie, rang die Hände und rief: »Hilfe, Hilfe!« Ich beugte mich über ihn, fragte ihn leise:<br />
»Was siehst du? Sag es!« Und nun beschrieb er mir, immer von leisem Wimmern<br />
unterbrochen, den Untergang eines Schiffes. Jede einzelne Phase, das Niederlassen der<br />
Boote, das Ertrinken mehrerer Menschen, das Einsteigen anderer in die Rettungsboote,<br />
die Verzweiflung einer Frau, schilderte er genau. Nach Verlauf einer Stunde fragte ich,<br />
wieviel Menschen ertrunken, wieviel gerettet seien. Die Antwort lautete: »Zwei sind<br />
ertrunken, sechundzwanzig gerettet. Das Schiff selbst ist gesunken.« Er erholte sich<br />
langsam und wir gingen schweigend nach Hause. Am anderen Tage, als ich meinen<br />
Freund traf und ihm von seinen Reden erzählte, konnte er sich nur schwer an das von<br />
ihm Ausgesagte erinnern. Es war, als habe er am Vortage einen Zustand schwerer<br />
Bewußtlosigkeit durchgemacht. – Zwei Tage später lasen wir in der Zeitung von dem<br />
Untergang des Frachtdampfers »St.« an der portugiesischen Küste. Zwei Mann waren<br />
ertrunken, der Kapitän und fünfundzwanzig Mann Besatzung (zusammen also sechsundzwanzig)<br />
waren gerettet. <strong>Hellsehen</strong> im Rausch!<br />
Die Wirkung des Meska inrauschs (Meskalin wird der aus dem Peyotl-Kaktus gewonl<br />
nene Saft genannt) schildert ein Europäer, der in Mexiko längere Zeit lebte, etwa<br />
folgendermaßen:<br />
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16<br />
Peyotl, die Kaktee, kannten früher nur die Indianer Mexikos, die schon vor vielen Jahrhunderten<br />
erstaunliche medizinische Kenntnisse besaßen. So gebrauchten sie zu einer<br />
Zeit, als man in Europa bei Verletzungen die Glieder des Menschen in völlig wachem<br />
Zustande absägte, schon immer örtliche Betäubungen, die wir doch erst seit einigen<br />
Jahrzehnten kennen, um sehr geschickte und außerordentlich gut gelingende Amputationen<br />
vorzunehmen. Bezüglich der Heilpflanzen besaßen sie ebenfalls ganz außerordentliche<br />
Kenntnisse. Interessant dürfte auch in Verbindung hiermit die Erwähnung<br />
sein, daß die Kenntnis der Heilpflanzen und ihrer Verwendung nicht etwa das Vorrecht<br />
einer gewissen Zunft von Medizinmännern war, sondern daß fast jeder Indianer<br />
die Fähigkeit besaß, Heilpflanzen für sich und andere anzuwenden. Seitdem die weiße<br />
Rasse dann Besitz vom Lande genommen, sorgte sie gründlichst für die Ausrottung<br />
dieser Volksheilkunst. Was der Indianer als spärlichen Rest dieser Kunst in die heutige<br />
Zeit hinübergerettet hat, ist das Wissen um die Verwendungsfähigkeit der Peyotl <strong>zum</strong><br />
Zwecke des Rausches. Dieser Rausch bewirkt einen Zustand der Besessenheit im Menschen,<br />
der in der durch Gift bewirkten psychischen Spaltung sich äußert und ganz<br />
außerordentliche hellseherische Fähigkeiten in ihm entwickelt. Es ist also gewissermaßen<br />
die künstliche Herbeiführung eines medialen Zustandes. Die Indianer gebrauchen<br />
den Saft der Peyotl bei Festlichkeiten. Unter großen Feierlichkeiten und vielen<br />
Zeremonien wird der Saft der Peyotl mit Pulque (einem Agavenwein) von den Indianern<br />
gemischt. Auch ich trank bei dieser Gelegenheit davon. Schon nach kurzer Zeit<br />
fühlte ich jedes Schwergewicht verlieren. Es war eine Art von Levitation. Ich ging nicht<br />
mehr auf der Erde, sondern ich schwebte leicht darüber hin. Mein Körper selbst veränderte<br />
sich scheinbar ebenfalls; meine rechte Seite wurde schwerer als die linke,<br />
beide Hände erschienen mir wie Riesentatzen. Während dieser Zeit führten die Indianer<br />
pantomimische Tänze auf, die einen durch Tiere verfolgten Hirsch darstellen sollten.<br />
Ich bin mir allerdings nicht klar, ob diese Tänze in Wirklichkeit . getanzt wurden<br />
oder ob es nur Gedankenbilder waren, was ich sah. Denn die die Raubtiere darstellenden<br />
Indios verwandelten sich zu wirklichen Raubtieren; die Verfolgung des Hirsches<br />
und seine schließliche Erlegung war für mich sensationell und aufregend, ja, ich empfand<br />
vor den Raubtieren wahrhafte Angst. – Als ich dann die Augen schloß, erschienen<br />
mir unglaublich schöne Bilder, voller Farbe und lebendigen Inhalts. Ich sah Menschen,<br />
Landschaften, Tiere, Vorgänge in weit entfernten (vielleicht astralen?) Ländern.<br />
Dauernd wechselten die Bilder, die Farben, die Lichtreflexe. Ich vergaß völlig, daß ich<br />
auf Erden lebte, hatte auch keine Sehnsucht zur Rückkehr und geriet so in den Zustand<br />
heller Verzückung. Als ich
dann nach langer Zeit die Augen öffnete, erschaute ich alles um mich her in veränderter<br />
Form. Alles sah anders aus, die Bedeutung der Dinge war für mich völlig verändert;<br />
die Ausdehnung der Landschaft und der Sachen war anders geworden, was sonst<br />
klein, erschien mir groß, und was groß, wurde klein und unscheinbar, die Dinge hatten<br />
eine andere Farbe angenommen. Es war ein Zustand totaler Besessenheit, es war, als<br />
sei ich in zwei Wesen geteilt: eines, das zuschaute und interessiert sah; das andere, das<br />
all diese Dinge veränderte, von der Akustik angefangen bis zur Optik und dem inneren<br />
Vorstellungs-Erlebnis. Auch der Begriff der Zeit schwindet völlig; man wähnt, der<br />
Zustand dauerte viele Tage und Wochen; in Wirklichkeit dauert der Rausch nur einige<br />
Stunden. Die Erden-Daseins-Gesetze scheinen völlig aufgehoben, ein Glücksgefühl<br />
ohnegleichen beherrscht Körper und Seele.<br />
Wir sehen also, daß durch Peyotl-Saft ein Zustand des <strong>Hellsehen</strong>s auch für solche<br />
Menschen geschaffen wird, die nicht die Gabe der Medialität besitzen. Ähnlich verhält<br />
es sich mit Haschisch (Hanfprodukt), durch das Zustände hervorgerufen werden, die<br />
dem des Peyotl-Safts (Meskal) gleichen. Aber es gibt auch eine<br />
seherische Ekstase,<br />
die dem dionysischen Rausch, dem Rausch der Psyche, dem Rausche des Eros entspringt.<br />
Auch dieser Zustand ist auf psychische Spaltung zurückzuführen. Nietzsche<br />
hat die betreffenden Bewußtseinszustände in seinem Buch »Der Wille zur Macht«<br />
(Abschnitt Dionysos) ausführlich behandelt. In dieser Ekstase schreiben Dichter,<br />
Komponisten, entwerfen Maler und Bildhauer ihre <strong>zum</strong> Teil schönen, von zarter Erotik<br />
durchrauschten Werke. In Wirklichkeit bedeutet dieser Zustand eine unterbewußte<br />
Transmutation sexueller Energien in durch Ekstase bewirkte, verfeinerte erotische<br />
Wirkungen. Das Normalbewußtsein selbst ist während dieser Zeit verdunkelt (es bleibt<br />
kaum eine Erinnerung davon), das Unterbewußtsein schaltet frei, und so entstehen<br />
innere Bilder hellseherischer Art, die sich auf unbewußt mediale Zustände zurückführen<br />
lassen. Die Folge ist <strong>zum</strong> Beispiel die, daß die betreffenden Künstler sich nachher<br />
selbst wundern, daß sie ein solches Werk geschaffen haben. Ich erinnere bei dieser<br />
Gelegenheit an die zahlreichen Aussprüche hierüber von Michelangelo, Leonardo da<br />
Vinci und Nietzsche.<br />
Aber noch eine andere Art der hellseherischen Ekstase gibt es, die sogar entscheidend<br />
in das Dasein der Völker eingegriffen hat und die von eminenter Bedeutung für die<br />
geistige Entwicklung ganzer Rassen gewesen ist. Es<br />
17
18<br />
ist die<br />
Ekstase religiösen Ursprungs.<br />
Diese Ekstase ist heiliger Art. Ein Blick in das Alte und Neue Testament der Bibel, eine<br />
Forschung in der Geschichte der Heiligen der katholischen Kirche, in der Geschichte<br />
der Germanen, der Griechen und anderer Völkerschaften gibt uns Aufschluß über das<br />
Wirken und Schaffen dieser medialen, aus religiöser Überzeugung heraus geborenen<br />
Ekstatiker. Die Pythia im Orakel der Griechen zu Delphi, die Wahrsagerinnen der alten<br />
Germanen am Opferstein, die Propheten des Alten Testaments, sie alle wirkten in der<br />
Ekstase, die religiöse <strong>Du</strong>rchdringung der Psyche erzeugen kann. Und wenn der Apostel<br />
Paulus im 1. Korintherbrief 12, Vers 7 bis 11 über die hellseherischen Fähigkeiten<br />
seiner Gemeindemitglieder schreibt, so sind diese Fähigkeiten ohne Zweifel zurückzuführen<br />
auf die in Gemeinschaft hervorgerufenen Bewußtseinszustände hellseherischer<br />
Medialität, die in der Ekstase religiösen Ursprungs ihre Basis besitzen.<br />
Mechanisch-automatisches <strong>Hellsehen</strong><br />
Unter diese Art des <strong>Hellsehen</strong>s kann man diejenigen Fähigkeiten einordnen, die sich<br />
durch mechanisch-automatische Bewegungen kundgeben und bei deren Gebrauch<br />
eine dem Unterbewußtsein entspringende Gabe der Deutung eine erhebliche Rolle<br />
spielt. Meistens sind die von Natur aus als Medien begabten Menschen leicht imstande,<br />
diese Andeutung von Zahl oder Richtung einer Bewegung vorzunehmen. Aber<br />
auch die Bewegungen selbst entspringen dem Zusammenwirken vom menschlichem<br />
Magnetismus und unterbewußten Reaktionen auf Nerven und Muskeln. Eine der<br />
bekanntesten Arten dieses <strong>Hellsehen</strong>s ist<br />
die Pendel-Praxis bezw. -Magie<br />
Wer sich des näheren über diese sehr interessante und für jeden anzuwendende Hellseherpraxis<br />
vermittels des Pendels unterrichten will, lese das im gleichen Verlage wie<br />
diese Schrift erschienene Werk von Heinrich Jürgens. Der Verfasser zeigt die Wege zur<br />
praktischen Anwendung des sideriscb.en Pendels und weist auch auf die Möglichkeit<br />
der Deutung hin, die durchaus einfach und ohne kompliziertes Nachdenken sich<br />
kundzugeben vermag. Ebenso verhält es sich mit der
Spiegelmagie<br />
Diese wird von medial veranlagten Personen leicht ausgeführt werden können. Aber<br />
auch durch Übung kann jeder Mensch eine gewisse Hellsehfähigkeit vermittels der<br />
Spiegelmagie erhalten. Der vorher erwähnte Verfasser hat über diese Materie eine<br />
Schrift veröffentlicht, die jedem Interessierten Aufschluß über dieses Problem geben<br />
wird. Um dem Leser einen Begriff von der Praxis vor dem Spiegel zu geben, führe ich<br />
als Beispiel ein Experiment an, dessen Ausführende Fräulein Leni H. war. Sie saß vor<br />
dem Spiegel und schilderte die von ihr im Spiegel gesehenen Vorgänge. Sie wurde von<br />
einem der Anwesenden gefragt, ob sie wohl sehen könne, wo sich Herr D. J. zur Zeit<br />
befände, was er tue, was er treibe und ob er geschrieben habe. Einen Augenblick<br />
schwieg Fräulein H., dann gab sie ohne Stockung folgenden Bericht über Herrn D. J.:<br />
Er befindet sich zur Zeit in A., hat dort ein Zimmer im Hotel genommen, das an der<br />
Kurpromenade liegt. Das Zimmer ist mit rotem Teppich und roten Plüschmöbeln versehen.<br />
Herr D. J. hat einen braunen Anzug an. Momentan (vier Uhr nachmittags) ist er<br />
nur mit Weste und Hose bekleidet. Er steht vor dem Spiegel und rasiert sich. Auf dem<br />
Sessel an der Fensterecke sitzt ein Mann, glatt rasiert, hohe Stirn, blond. Mit ihm unterhält<br />
sich Herr D. J. Auf dem Schreibtisch liegt ein fertiger Brief, der die Adresse D. B.<br />
in L. trägt. Er ist also an Sie gerichtet. – Es stellte sich auf briefliche Anfrage heraus, daß<br />
Fräulein H. alles vollkommen richtig gesehen und geschildert hatte.<br />
Kartendeutung<br />
Das Kartenlegen dürfte einwandfrei nur von stark medial veranlagten Personen ausgeübt<br />
werden. Denn bei der Kartendeutung spielt die seherische Gabe eine wichtige,<br />
wenn nicht gar die Hauptrolle. Es findet gewissermaßen eine Kombination unterbewußter<br />
Funktionen mit verstandesmäßigem Hirndenken statt, aus der sich dann die<br />
oft ans Erstaunliche grenzende Fähigkeit der Vorausschau ergibt. Ein Mensch, der aus<br />
der Kartendeutung Nutzen ziehen will, sollte sich also nur zu einer Person begeben,<br />
von der er bestimmt weiß, daß sie mediale Fähigkeiten besitzt. Nur in Gegenwart eines<br />
Mediums wird das Mischen der Karten (eine mechanisch-automatische Bewegung) so<br />
bewerkstellig t, daß die richtige Stellung der Karten zueinander und damit eine klare<br />
Deutung gewährleistet ist. Mit dieser klaren Deutung durch die<br />
19
20<br />
kartenlegende Person aber ist die Fähigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s gegeben. Einige Beispiele<br />
hierfür:<br />
Ich war längere Zeit allabendlicher Gast im Hause der Frau J. L. aus C. Da ich mit Frau<br />
L. auf mannigfache Weise medial experimentierte, ergab es sich oft, daß sie mir für die<br />
Geschehnisse des kommenden Tages die Karten deutete. So sagte sie mir z. B.: <strong>Du</strong> bekommst<br />
morgen mit der ersten Post einen Brief von <strong>deine</strong>m Schwager aus S., ferner<br />
drei Briefe mit der Bitte um <strong>deine</strong>n Rat, außerdem bekommst du einen Brief aus England<br />
und einen aus Spanien. Dann erhältst du noch eine Ansichtskarte aus der<br />
Schweiz und schließlich noch eine Geldsendung, die aber nur einen kleinen Betrag<br />
ausmacht. Morgen werden 24 Leute <strong>deine</strong> Beratung in Anspruch nehmen, du wirst am<br />
Nachmittage eine unangenehme Auseinandersetzung mit einem Herrn haben. Gegen<br />
Abend wird der Brief einer Frau dir eine freudige Überraschung bringen, und um 8.20<br />
Uhr wirst du hier eintreten. – Die Tatsachen belehrten mich jedesmal, daß ihre Kartendeutung<br />
stimmte. Auch auf weitere Zeiträume dehnte sich ihre Kartendeutung aus.<br />
Ich habe immer nur bestätigen können, daß Frau J. L. mit ihrer Deutung das Richtige<br />
getroffen hatte.<br />
Eine andere interessante Kartendeutung erlebte ich bei Fräulein F. in K. Auch sie war<br />
stark medial veranlagt und besaß u. a. die Gabe des natürlichen <strong>Hellsehen</strong>s. Sie legte<br />
mir eines Tages die Karten und sagte mir erschrockenen Gesichts: Sie sind gestern<br />
abend einer großen Gefahr entgangen. Sie werden in nächster Zeit ihres Berufes wegen<br />
mit den Behörden Unannehmlichkeiten haben, werden einen Prozeß bekommen<br />
und ihn glänzend gewinnen. – Tatsache war, daß ich am Vorabend in Gefahr gewesen,<br />
von einem Aussichtspunkt abzustürzen, an dessen Rand ich mich zu nahe herangewagt<br />
hatte. Die weiteren Aussagen stimmten ebenfalls, wie mich die Erfahrung lehrte.<br />
Eine andere Art des mechanisch-automatischen <strong>Hellsehen</strong>s finden wir in der Anwendung<br />
des<br />
Skriptoskop,<br />
eines Apparates, dessen Zeiger mechanisch bewegt werden können und dessen Spitze<br />
an je einem Buchstaben des Alphabetes halt macht. Notiert man diese Buchstaben der<br />
Reihe nach, so ergeben sich bei Gebrauch des Apparates durch mediale Personen<br />
Worte und Sätze. Nur sehr tüchtige Medien vermögen das Skriptoskop sinngemäß<br />
und zweckentsprechend anzuwenden.
Ein Beispiel möge die Handhabung des Skriptoskops dem Leser am besten erklären.<br />
Fräulein M., 19 Jahre alt, und Herr N., 20 Jahre alt, beide aus K., sitzen vor dem Skriptoskop.<br />
Fräulein M. hält die linke, Herr N. die rechte Hand auf dem Zeiger. Ich habe auf<br />
fünf Zettel fünf Einzelfragen geschrieben, habe sie mit Nummer 1, 2, 3, 4, 5 bezeichnet.<br />
Die beiden Medien kennen den Inha lt der Fragen nicht. Ich nehme Zettel Nr. 1 und<br />
bitte die beiden um Beantwortung meiner ersten Frage. Sofort bewegt sich der Zeiger<br />
sehr schnell, so daß die Umstehenden alle Aufmerksamkeit anwenden müssen, um die<br />
Buchstaben rechtzeitig zu erfassen. Die Antwort lautet treffend und richtig. Es ergibt<br />
sich nacheinander folgendes Frage- und Antwortspiel:<br />
1. Frage: Wann bin ich geboren?<br />
Antwort: Am 23. November 1880, vormittags l Uhr.<br />
2. Frage: Wo bin ich geboren?<br />
Antwort: In Düsseldorf.<br />
3. Frage: Wieviel Schlüssel habe ich in der Tasche?<br />
Antwort: In der Hosentasche zwei, in der Weste einen.<br />
4. Frage: Wo ist mein Freund Albert?<br />
Antwort: In Lima.<br />
5. Frage: Wo steht der Kilimandscharo?<br />
Antwort: Im Tanganjika-Territorium, früher Deutsch-Ostafrika.<br />
Die Beantwortung der Fragen geschah schnell und mit erstaunlicher Sicherheit. Als<br />
ich bei der dritten Frage absichtlich zur Frage Nr. 4 griff, erhielt ich einen groben<br />
Anschnauzer. Das Skriptoskop schrieb: Schwindler, du hältst die verkehrte Nummer in<br />
der Hand.<br />
<strong>Hellsehen</strong> auf Grund von Erfahrung<br />
Diese Art des <strong>Hellsehen</strong>s beruht auf alten Erfahrungen, die von den Formen der<br />
Handlinien, des Schädels und der Schriftzüge gemacht wurden. Hinzu treten aber<br />
noch Kombinationen von unterbewußten Funktionen der Psyche und logischer, verstandesmäßiger<br />
Deduktion. Diese letztere Kombination tritt besonders in Kraft, wenn<br />
es sich nicht nur um die Ausübung einer Charakterologie handelt, sondern wenn es<br />
gilt, Vergangenheit, Gegen-<br />
21
22<br />
wart und Zukunft zu werten oder zu schildern. Auch hier ist im allgemeinen die Spaltung<br />
der Ich-Psyche unerläßlich, es sei denn, daß es dem Ausübenden gelingt, das<br />
bewußte, konzentrierte Verfahren des <strong>Hellsehen</strong>s anzuwenden.<br />
Die älteste Erfahrung der Erfahrungs-Klarschau wird zweifellos durch<br />
Chiromantie<br />
ausgeübt. Die Formen der Hand und ihrer Linien geben Aufschluß über Charakter-<br />
Veranlagung. Wer jedoch nach den Linien der Hand das Geschehen im Leben des<br />
einzelnen angeben will, muß über ganz bedeutende mediale Fähigkeiten und gleichzeitig<br />
über scharfes Verstandesdenken, das logische Deduktionen in sich birgt, verfügen.<br />
Die Lehre von der<br />
Phrenologie<br />
ist durch den Altmeister Huter volkstümlich und bekannt geworden, sie hat außerordentlich<br />
zur Erweiterung der Menschenkenntnis beigetragen und gibt ziemlich genaue<br />
Aufschlüsse über Charakter und Veranlagung einer Persönlichkeit. Das gleiche läßt<br />
sich über<br />
Graphologie<br />
sagen. Für beide Wissenschaften aber gilt, daß sie nur zur Charakterbeurteilung dienlich<br />
sind. Will jemand dieses Wissen des Verhältnisses von Form und Wesen des<br />
Menschen auch hellseherisch auf das Geschehen verwenden, so benötigt er entweder<br />
eine starke mediale Fähigkeit, die die Spaltung des Ichs als Bedingung hat, oder er<br />
weiß durch Konzentration seines geschlossenen Bewußtseins-Ich auf die Gesamtform<br />
des Schädels oder der Schriftzüge die Transformati on vom Wesen <strong>zum</strong> Geschehen zu<br />
vollziehen. Einer, der auf Grund der Kenntnis der Graphologie, verbunden mit tiefgehender<br />
Medialität, vor mehreren Jahren hervorragendes geleistet hat und von dessen<br />
Wirken alle Tageszeitungen voll waren, ist Raffael Scheermann. Er vermochte durch<br />
konzentriertes Anschauen eines Gesichts die Handschrift der betreffenden Person in<br />
ihren wesentlichen Zügen zu schreiben.
<strong>Hellsehen</strong> als Naturgabe (Zweites Gesicht)<br />
Das zweite Gesicht besitzen viele Frauen des nördlichen Deutschlands und der nordischen<br />
Länder. Es ist eine Naturgabe, die ihren Grund in einer ausgeprägten medialen,<br />
hellseherischen Fähigkeit der betreffenden Personen hat. Das »zweite Gesicht« kann<br />
als Traum in völlig wachem Zustande bezeichnet werden, denn die Bilder, die mit den<br />
leibhaftigen Augen der völlig wachen Medien geschaut werden, kommen trotz allem<br />
traumhaft. Die Erinnerung an diese Gesichte ist bei den damit Behafteten außerordentlich<br />
lebhaft, so daß sie alle erschauten Geschehnisse bis ins einzelne wiederzugeben<br />
vermögen. Einige Beispiele hierfür!<br />
Fräulein Leni H. kam nachts gegen 11 Uhr aus einer Gesellschaft. Sie befand sich in<br />
Begleitung ihrer Mutter, mit der sie sich lebhaft und an nichts Mystisches denkend,<br />
unterhielt. Kurz bevor sie durch das Gartentor zu ihrem Hause schritt, wurde ihre<br />
Aufmerksamkeit durch ein eigenartiges Leuchten auf der anderen Straßenseite abgelenkt.<br />
Wie groß aber war ihr Schrecken, als sie dort, vor einem Hause stehend, ein<br />
riesengroßes, menschliches Gerippe sah, dessen Schulter weit über die erste Etage des<br />
Hauses ragte. Erschreckt wollte sie forteilen. Da sah sie, wie das Gerippe die Knochenhand<br />
hob und auf ein Fenster der ersten Etage wies. – Gleich am anderen Tage erhielt<br />
ich die Nachricht über dieses Gesicht. Nach einer Woche starb in dem Zimmer, zu<br />
dem das betreffende Fenster gehörte, eine junge Frau.<br />
Einem meiner jungen Freunde widerfuhr folgendes Erlebnis: Er geht auf der Straße<br />
spazieren. Plötzlich sieht er auf der anderen Straßenseite ein paar Krankenträger mit<br />
einer Bahre, auf der blutüberströmt, mit zerschmettertem Schädel sein Jugendfreund<br />
liegt. Er erschrickt, will zu ihm eilen. Auf einmal sind Krankenträger, Bahre und Freund<br />
verschwunden. Er hält es für eine haltlose Halluzination, erzählt mir allerdings am<br />
anderen Tage von diesem eigenartigen Erlebnis. Dem Freund könne ja nichts passiert<br />
sein, er befinde sich in Heidelberg, sei wohlauf. Nach drei Wochen geht er zu gleicher<br />
Stunde wieder über die Straße. (Es war am Abend um 7 Uhr.) Plötzlich sieht er auf der<br />
anderen Straßenseite wieder die Krankenträger, die Bahre und den Freund mit blutüberströmtem<br />
Kopf. Und diesmal ist es Wirklichkeit. Der Freund war von Heidelberg<br />
mit einem Motorrad gefahren und kurz vor Erreichung der Heimat mit einem Lastkraftwagen<br />
zusammengeprallt.<br />
23
24<br />
Bisher habe ich dem Leser diejenigen Arten des <strong>Hellsehen</strong>s geschildert, die mehr oder<br />
weniger mit einer Begabung zur Medialität zusammenhängen. Dabei habe ich absichtlich<br />
vermieden, die inneren – feinstofflich-psychischen und magnetischen – Vorgänge<br />
einer Erörterung zu unterziehen. Denn die Kenntnis dieser Vorgänge nützt dem<br />
Leser in keiner Weise für die Praxis des <strong>Hellsehen</strong>s und ist auch bedeutungslos für die<br />
Erziehung <strong>zum</strong> bewußten <strong>Hellsehen</strong>,<br />
der diese Schrift gi lt.<br />
Wichtig ist nur die Feststellung, daß alle bisher geschilderten<br />
Hellsehfähigkeiten auf einer Spaltung des Bewußtseins beruhen, daß immer das<br />
Normalbewußtsein in irgen<strong>deine</strong>r Form gelähmt und dadurch das Unterbewußtsein freigelegt wird. Die Fähigkeit, dies in sich zu bewerkstelligen, haben nur wenige, von<br />
der Natur hierzu besonders veranlagte Menschen.<br />
Gibt es nun eine Möglichkeit, unter Beibehalt ung des vollkommenen Normalbewußt- seins hellseherische Fähigkeiten in sich zu entwickeln und zur Auswirkung zu bringen?<br />
Die Antwort lautet:<br />
Ist die Möglichkeit des bewußten <strong>Hellsehen</strong>s gegeben?<br />
Das bewußte <strong>Hellsehen</strong> wird für denjenigen möglich, der mit Energie und Vertrauen<br />
auf sich selbst, der mit sittlichem Verantwortungsbewußtsein an die Lösung dieses<br />
Problems herantritt!<br />
Wir haben bisher immer nur von normalem Bewußtsein (Gehirndenken) und Unterbewußtsein<br />
(psychischem Denken) gesprochen. Wir wollen uns aber vergegenwärtigen,<br />
daß wir neben diesen beiden Bewußtseinszuständen auch noch ein Überbewußtsein<br />
unser eigen nennen. Es ist im alltäglichen Zustand latent schlummernd in uns<br />
vorhanden und kann durch besondere Anstrengungen geweckt werden. Genau so, wie<br />
der Mensch in seiner Vollkommenheit Körper, Seele und Geist besitzt, genau so<br />
äußern sich diese drei in unserem Bewußtsein als Normal-, Unter- und Überbewußtsein.<br />
Der ideale Mensch wird seinen Körper, seine Seele und seinen Geist zu einem<br />
harmonischen, wachen, wirkenden Ganzen vereinigen können, kraft der in uns wirkenden<br />
drei Bewußtseinszustände. Der alltägliche Mensch hält nur das sogenannte<br />
normale Bewußtsein in sich wach, das Unterbewußtsein
wirkt nur unerkannt und als ein dunkles unbekanntes Etwas, das Überbewußte aber<br />
schlummert vollends in ihm. Erst wo sich die drei Zustände zu einem harmonisch<br />
zusammenwirkenden, dauernden, wachen, ganzen Bewußtsein des Vollmenschen<br />
vereinigen, erst wenn im Menschen die Ei nheit des Bewußtseins vollzogen ist, erst da<br />
und dann kann er von klarer Bewußtheit seines Selbstes, seines Ichs sprechen. Dann<br />
aber hat er von selbst die Fähigkeit des bewußten <strong>Hellsehen</strong>s in sich erweckt und<br />
erzeugt. Und so wird er in ein Land der Wunder und der Klarheit schauen.<br />
Den Weg zu diesem Ziel zu weisen, das ist der Zweck dieser Schrift.<br />
Es entsteht die Frage:<br />
Welchen Bedingungen unterliegt die Fähigkeit des bewußten<br />
<strong>Hellsehen</strong>s?<br />
Um bewußt, d. h. bei vollem, wachem Bewußtsein hellsehen zu können, müssen<br />
gleichzeitig folgende Fähigkeiten entwickelt und eingesetzt werden können:<br />
1. Vollständige Entspannung des Körpers.<br />
2. Scharfes Gedächtnis.<br />
3. Geregelter Atem.<br />
4. Beseitigung jeder Möglichkeit von Ablenkung ode r Störung.<br />
5. Gespannte Aufmerksamkeit gegenüber den eigenen Gedanken und Vorstellungsbildern.<br />
6. Ausschaltung des Intellekts bzw. des Gehirndenkens.<br />
7. Die Möglichkeit intuitiver Umdeutung von symbolisch erschauten, inneren Vor-<br />
stellungen.<br />
8. Festhalten eines Vorstellungsbildes und Unterscheidungskraft.<br />
9. Schnelle plastische Schilderung eines Gedankenbildes.<br />
10. Meditation, d. h. festhaltende Betrachtungsweise einer Vorstellung. Der Leser, der sich über diese Bedingungen klar wird, könnte sich die Frage stellen:<br />
Wie soll ich dazu kommen, alle diese Fähigkeiten zu erwerben? Ich antworte ihm<br />
darauf, daß alles nicht so schwer ist, wie es aussieht. Wenn du dir die Suggestion (siehe<br />
Coué) gibst, daß du alles spielend bewältigen wirst, so ist dami t schon die halbe Arbeit<br />
getan. Für die andere Hälfte aber gilt das Sprichwort: Übung macht den Mei ster.<br />
25
26<br />
Man kann nun nich t alle Fähigkeiten gleichzeitig üben. Im Yoga-Katechismus des<br />
Patanjali heißt es, daß man nie mehrere Gottheiten zu gleicher Zeit anrufen soll. Es gilt<br />
auch hier – wie überall im Leben –, alles hübsch geordnet nacheinander vorzunehmen<br />
und langsam und in großer Geduld mit sich die Fähigkeiten zu erwerben. Ein Klippschüler<br />
kann keine Wahrscheinlichkeitsrechnungen ausführen, sondern er lernt erst<br />
einmal das Addieren, Subtrahieren und das Einmaleins. Und ein Sextaner schreibt<br />
noch keine Zeitungsartikel, sondern ist froh, wenn er ein kleines Diktat fehlerfrei zu<br />
Papier bringt. Ich werde daher die einzelnen, vorher angeführten Fähigkeiten einzeln<br />
besprechen und einer Betrachtung unterziehen. Zugleich gebe ich für diejenigen, die<br />
die Fähigkeit des bewußten <strong>Hellsehen</strong>s erwerben wollen, Übungen an, durch die es<br />
den Betreffenden leichter gemacht wird, den erforderlichen Zustand zu erreichen.<br />
Die vollständige Entspannung des Körpers<br />
ist die Grundbedingung zu jeder Art des Zustandes, der über den sogenannten Normal-Zustand<br />
hinausgeht. Im Katechismus des Patanjali heißt es an einer Stelle: »Eine<br />
vom Yogi angenommene Körperstellung muß beständig und angenehm sein.« Das<br />
heißt mit anderen Worten, daß der Körper in eine Lage gebracht wird, die jede Muskelanstrengung<br />
ausschließt und die gesamten Zellen des Menschen frei macht <strong>zum</strong><br />
<strong>Du</strong>rchfluß feiner seelischer Substanzen, sowie magnetischer Kräfte. Alle elektrischen<br />
und magnetischen Kräfte sollen auf diese Weise frei werden <strong>zum</strong> Gebrauch für einen<br />
anderen Zweck. In diesem Fall für den Zweck der Klarschau. Es ist ja klar, daß sich<br />
anstrengende Muskeln sehr viel magnetische Kraft verbrauchen. Mache ich diese<br />
Kraft frei, um sie in Gedankenbilder umzusetzen, so erhöhe ich damit die Kraft des<br />
inneren Schauens. Ich führe damit dem Geist in mir Substanzen zu, mit denen er<br />
schalten kann. Der Grund, daß so viele bei der Autosuggestion keine oder nur geringe<br />
Erfolge aufzuweisen haben, liegt in der Vernachlässigung des ersten Gebots für die<br />
Suggestion überhaupt: Entspanne dich! Wer die Kunst der völligen Entspannung<br />
beherrscht, hat viel erreicht. Mit dieser Grundlage werden alle noch folgenden zu erwerbenden<br />
Fähigkeiten für den Hellseh-Schüler sehr erleichtert. Diese Grundlage aber<br />
ist auch das A und das O für den weiteren Fortschritt in allen anderen Fähigkeiten.<br />
Man möge daher nicht eher an ihre Übung herangehen, bis die Möglichkeit vollständiger<br />
Körper-Entspannung vorhanden ist.<br />
Übung 1: Lege dich auf ein Ruhesofa oder aufs Bett und übe völlige Entspannung.<br />
Kontrolliere jeden Muskel <strong>deine</strong>s Körpers auf Erschlaffung.
Vor allem richte dein Augenmerk auf die Erschlaffung der Bauch- und Rückenmuskeln;<br />
ebenso achte darauf, daß auch der Hals, die Wangen, die Nasenflügel und Ohren<br />
schlaff hängen. Man hält nämlich im gewöhnlichen Leben wirklich die Ohren steif<br />
und strengt die Muskeln der Wangen an. Daher kommt es auch, daß die meisten<br />
Menschen einen angestrengten Gesichtsausdruck und erzwungene Züge haben. <strong>Du</strong><br />
mußt liegen wie ein Sack, schlaff, hängend und nur der Glanz <strong>deine</strong>r Augen darf verraten,<br />
daß du dich einer Sache hingibst.<br />
Übung 2: Setze dich in einen Sessel, aber so, daß du den Rücken in Kissen einbettest<br />
und den Kopf auf den Rand des Sessels legen <strong>kannst</strong>. Die Hände lege in bequemer<br />
loser Haltung auf die Knie, strecke die Beine lang, laß sie so lose liegen, daß die Fußspitzen<br />
nach außen hängen. Kontrolliere jede Stelle <strong>deine</strong>s Körpers auf ihre Entspannung.<br />
Übung 3: Setze dich auf einen gewöhnlichen Stuhl, lege in den Rücken ein Kissen, laß<br />
die Beine rechtwinklig zu Boden kommen, lege die Hände auf die Knie und entspanne<br />
dich. Vor allem achte auf volle Entspannung <strong>deine</strong>r Rücken-, Bauch-, Gesichts- und<br />
Halsmuskeln. Kontrolliere zuweilen dein entspanntes (maskenloses) Gesicht in einem<br />
Spiegel, vor dem du Platz nimmst.<br />
Für alle drei Übungen schreibe dir eine autosuggestive Formel auf ein Stück Papier<br />
und hänge dieses so an die Wand, daß du den Satz während der Entspannungsübungen<br />
lesen <strong>kannst</strong>. Die aufzuschreibende Formel könnte folgenden Wortlaut haben:<br />
»Ich entspanne mich, die Muskeln meiner Beine, meines Leibes, meines Rückens werden<br />
ganz schlaff, meine Arme hängen schlaff, ich bin völlig entspannt – entspannt und<br />
schlaff, ich fühle mich schwer und schlaff, ganz entspannt.« – Es ist nicht notwendig,<br />
diese Autosuggestion laut zu sprechen, sondern es genügt das Lesen. Die Hauptarbeit<br />
während dieser Übung ist die Kontrolle über <strong>deine</strong>n Körper, ob die völlige Entspannung<br />
zur Tatsache geworden ist. Es hat keinen Zweck, zu einer anderen Übung überzugehen,<br />
wenn nich t die ersten drei Übungen, die Entspannung des Körpers betref-<br />
fend, in jeder Beziehung erfüllt sind.<br />
Ein<br />
scharfes Gedächtnis<br />
im allgemeinen ist Grundbedingung für die Hellsehfähigkeit. Denn wie soll ich etwas<br />
klar und einwandfrei schildern können, wenn ich leicht Situationen, Begriffe und<br />
innere Vorstellungsbilder vergesse? Im besonderen aber<br />
27
28<br />
muß das scharfe Gedächt nis in bezug auf die Reihenfolge der Vorstellungen, die doch<br />
blitzschnell einander abzulösen vermögen, geübt werden. Was das Gedächtnis betrifft,<br />
so sind wir Tagesmenschen ja eigentlich alle mehr oder weniger »hell« sehend. Denn<br />
die Hervorhebung von Gedankenbildern, Begriffen und Erinnerungen aus unserem<br />
Innern ist tatsächlich eine niedere Art von Hellsehtätigkeit. Wenn wir einen Gedanken<br />
oder einen Begriff aus unserer Vorratskammer hervorholen, so spielt das Gehirndenken<br />
dabei eine nur untergeordnete Rolle. Der Gedanke steigt aus unserem Bewußtsein<br />
als ein neues Rewußtwerden wie ein »Tischlein deck dich« hoch und präsentiert sich<br />
dem Gehirn <strong>zum</strong> gefälligen Gebrauch. Daß zuweilen etwas Verkehrtes herauskommt,<br />
liegt an den geringen Gedächtnisübungen, die der Betreffende vorgenommen bzw.<br />
nicht vorgenommen hat. Die Gedanken des Gedächtnisses werden lediglich im Gehirn<br />
photographiert und von dort aus mechanisch zu Worten und Schilderungen geformt.<br />
Patanjali sagt in seinem Yoga-Katechismus über das Gedächtnis: »Gedächtnis ist das<br />
Nichtloslassen eines Gegenstandes, den man wahrgenommen hat.« Je intensiver wir<br />
uns für einen Gegenstand interessieren, desto stärker haftet er im Gedächtnis. Mit<br />
diesem »Gegenstand« sind natürlich nicht nur die figürlichen Dinge unserer Sinnenwelt<br />
gemeint, sondern es werden auch »Gegenstände« subtiler Natur, wie Begriffe und<br />
abstrakte Wahrheiten und Äußerungen des Willens damit umfaßt. Folgende Übungen<br />
mögen dem Hellseh-Schüler zur Schärfung derjenigen Art von Gedächtnis dienen,<br />
die die Fähigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s fördert und imstande ist, unterscheidende Erkenntnisse<br />
zu vermitteln.<br />
Übung 1: Nimm ein Gedichtbuch zur Hand und lies fünfmal hintereinander ein vierzeiliges<br />
Gedicht. <strong>Du</strong> darfst dabei flüsternd die Worte sprechen. Dann klappe das Buch<br />
zu und sage den Vierzeiler dir auswendig vor. Gerat es das erstemal nicht, schlage das<br />
Buch wieder auf, nimm ein anderes vierzeiliges Gedicht vor und wiederhole die Übung.<br />
Achte auf entspannten Körper während der Übung. Wiederhole die Übung mit stets<br />
einem anderen vierzeiligen Gedicht so lange, bis es dir gelingt, nach fünfmaligem Lesen<br />
die vier Verse herzusagen.<br />
Übung 2: Nimm die Bibel zur Hand, schlage Jesajas 40 auf. Entspanne dich. Dann lies<br />
den ersten Vers des genannten Kapitels schweigend dreimal durch. Schließe die Bibel<br />
und sprich den Vers auswendig. Gelingt es dir nicht, übe weiter mit dem zweiten Vers<br />
in gleicher Weise. Nimm so oft jedesmal einen neuen Vers vor, bis es dir gelingt, einen<br />
Vers nach dreimaligem schweigendem <strong>Du</strong>rchlesen fehlerfrei aus dem Gedächtnis<br />
herzusagen.
Übung 3: Entspanne dich! Nimm den Katechismus des Patanjali zur Hand. Lies zweimal<br />
schweigend Buch 1, Vers 13. Dann schlage das Buch zu und sprich den Vers<br />
auswendig. Gelingt es dir nicht, wiederhole die gleiche Übung mit Vers 19. Eventuell<br />
weiterüben mit Buch 1, Vers 21 – Vers 26, Buch 2, Vers 1 – Vers 2 – Vers 3 – Vers 4 –<br />
Vers 5 – Vers 11 – Vers 14 – Vers 16 – Vers 20 – Vers 26 – Vers 30 – Vers 32 – Vers 33<br />
– Vers 36 – Vers 37 – Vers 38 – Vers 39 – Vers 52 usf.<br />
Übung 4: Schneide aus einem Stück Papier acht rechteckige Stücke, färbe sie weiß,<br />
schwarz, rot, blau, violett, braun, grün, gelb. Lege sie vor dich auf den Tisch, betrachte<br />
.eine Minute lang ihre Reihenfolge. Tue es in entspannter Körperhaltung. Sieh bei<br />
allem auf die Uhr, damit du die bunten Schnitzel nicht länger als eine Minute betrachtest.<br />
Dann drehe dem Tisch den Rücken zu und schreibe die Reihenfolge der<br />
Farben auf. Gelingt es dir nicht, so lege die Farbenschnitzel in anderer Reihenfolge hin,<br />
betrachte sie wieder eine Minute lang und wiederhole die Übung. Auf jeden Fall ist<br />
diese Übung so lange zu wiederholen, bis es dir gelingt, mindestens zehnmal hintereinander<br />
die Reihenfolge der Farben aus dem Gedächtnis niederzuschreiben.<br />
Übung 5: Nimm ein Buch, einen Federhalter, ein Lineal, ein Tintenfaß, einen Bleistift,<br />
ein Blatt Papier, ein Trinkglas, eine Tasse, ein Stück Seife, ein Handtuch und ein Taschentuch;<br />
lege alle diese Dinge nebeneinander auf den Tisch, entspanne dich und<br />
betrachte die Reihenfolge der Sachen eine Minute lang. Dann wende dich um und<br />
schreibe die erblickte Reihenfolge nieder. Falls du einem Irrtum unterlegen sein solltest,<br />
ändere die Reihenfolge, betrachte sie wieder eine Minute lang und wiederhole das<br />
Experiment. Die Übung ist erfüllt, wenn es dir gelingt, die stets veränderte Reihenfolge<br />
der Sachen fehlerfrei mindestens zehnmal hintereinander aufzuschreiben.<br />
Übung 6: Schreibe auf ein Stück Papier folgendes auf: Katze, Hund, Pferd, Maus,<br />
Mann, Frau, Kind, Haus, Baum, Blume, Buch, Gras, Straße, Wagen, Stuhl, Lampe, Glas.<br />
Lies die Worte langsam dreimal durch (mit entspanntem Körper) und merke dir die<br />
Reihenfolge. Dann lege den Zettel aufs Gesicht und schreibe die Worte in der gleichen<br />
Reihenfolge auf ein Stück Papier. Gelingt dir die Übung nicht, schreibe die Worte neu<br />
auf, doch in anderer Reihenfolge. Die Übung ist erfüllt, wenn es dir zehnmal hintereinander<br />
gelingt, die Worte in der von dir vorher aufgeschriebenen Reihenfolge zu Papier<br />
zu bringen.<br />
29
30<br />
Übung 7: Schreibe folgende Worte auf: Licht, <strong>Du</strong>nkel, Freiheit, Seele, Geist, Gott, Luft,<br />
Gas, Gesundheit, Schauen, Güte, Gnade, Kraft, Schwäche, Dasein, Leben, Tod. Im<br />
übrigen wie Übung 6.<br />
Die Regulierung des Atems<br />
ist für denjenigen, der die Kunst des bewußten <strong>Hellsehen</strong>s ausüben will, unerläßlich.<br />
Denn durch eine reguläre, bewußt vorgenommene Einteilung der Tiefatmungsrhythmen<br />
wird jede Konzentration und ebenfalls die vollständige Entspannung leichter<br />
gewährleistet. Einige Sätze aus dem Yoga-Katechismus des Patanjali seien hier als<br />
Leitsätze für die Wichtigkeit des geregelten Atems angeführt. Es heißt: »Ferner sollte –<br />
– – – eine Regulierung des Atems in Ausatmung, Einatmung und Atemanhalten erfolgen.<br />
– Diese Regulierung des Atems, die in Ausatmung, Einatmung und Atemanhalten<br />
besteht, wird noch weiter begrenzt durch Bedingungen von Zeit, Ort und Zahl, von<br />
denen jede lang oder kurz sein kann. – Es besteht eine besondere Art der Atemregulierung,<br />
die sich sowohl auf das in den beiden angeführten Leitsätzen Gesagte, als auch<br />
auf die innere Sphäre des Atems bezieht. – Mittels dieser Regulierung des Atems wird<br />
die Verdunkelung des Bewußtseins, die dem Einfluß des Körpers entstammt, entfernt.«<br />
Wir sehen also, welch weittragenden Einfluß die Regulierung des Atems auf die Fähigkeit<br />
des <strong>Hellsehen</strong>s besitzt. Aus den Leitsätzen des Patanjali geht hervor, daß eine<br />
gewisse Einteilung bezüglich Perioden, Stärkegrade und Anzahl der wechselnden<br />
Wiederholungen der drei Einteilungen des Atems angebracht ist. Ferner ist es wichtig,<br />
daß wir auch die innere Sphäre des Atems beherrschen, d. h. wir müssen fähig werden,<br />
unsere Atemzüge nach gewissen Nervenzentren (z. B. Solarplexus) zu leiten, um dadurch<br />
eine Herrschaft gerade über diese Zentren auszuüben zwecks Verhinderungen<br />
unter- oder normalbewußter Störungen von dort aus. Das Wichtigste aber ist, daß wir<br />
durch ein geregeltes Atmen die Entfernung der Verdunkelung unseres Bewußtseins<br />
(die im sogenannten Normalbewußtsein ein Dauerzustand bedeutet) erreichen, mit<br />
anderen Worten, wir erreichen eine gewisse geistige Klarheit unseres Gesamtbewußtseins,<br />
die dem Zustand bewußten <strong>Hellsehen</strong>s sehr nahe kommt.<br />
Übung 1: Lege dich hin, entspanne dich, schließe die Augen. Atme tief und langsam<br />
ein! Atme nicht mit dem Brustkorb allein, sondern mit dem Bauch. Pumpe die Lungen<br />
ganz voll, stoße <strong>zum</strong> Schluß den Leib etwas vor. Dann halte eine Sekunde den Atem an.<br />
Atme langsam, sehr langsam aus,
indem du mit leicht geöffneten Lippen die Luft ausbläst. Pause darauf eine halbe Minute<br />
und beginne von neuem. In der ersten Zeit führe die Übung nicht länger als insgesamt<br />
10 Minuten aus. Später erweitere die Dauer auf eine halbe Stunde.<br />
Damit die zu machenden Atemübungen erleichtert werden, bezeichne ich die einzelnen<br />
Atemzüge mit verschieden kenntlichen Strichen. Man lasse nie außer acht, daß<br />
die Pause zwischen den Atemzügen immer mindestens 5 bis 10 Sekunden betragen<br />
soll, es sei denn, daß Atemanhalten statt der Pause angezeigt ist. Ich bemerke noch,<br />
daß ich keine Übung zur Leitung des Atems nach gewissen Nervenzentren angebe.<br />
Hierauf wird der Hellsehschüler von selbst kommen, wenn er meine Atemübungen<br />
gewissenhaft durchführt.<br />
Die Striche für Atemübungen sehen folgendermaßen aus:<br />
Langes Einatmen //<br />
Langes Ausatmen \\<br />
Kurzes Einatmen /<br />
Kurzes Ausatmen \<br />
Atemanhalten zwischen Ein- und Ausatmung �<br />
Atemanhalten zwischen Aus- und Einatmung �<br />
Pause mit gewöhnlichen Atemzügen ca. 10 Sekunden lang _<br />
Übung 2: Entspannung.<br />
Das Ganze siebenmal wiederholen!<br />
Übung 3:<br />
Das Ganze siebenmal wiederholen!<br />
/�\_/�\_/�\_/�\<br />
/\�/\�/\�/\�/\<br />
//�\\_//�\\_//�\\_//�\\<br />
/�\_/�\_/�\_/�\<br />
/\_/\_/\_/\_/\_/\<br />
/\�/\�/\�/\�/\�/\<br />
//�\\/�\//�\\/�\//�\\/�\<br />
/\_/\_/\_/\_/\_/\<br />
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32<br />
Übung 4:<br />
Das Ganze siebenmal wiederholen!<br />
Übung 5:<br />
Das Ganze siebenmal wiederholen!<br />
Übung 6:<br />
Das Ganze siebenmal wiederholen!<br />
//�\\�//�\\�//�\\<br />
/\_/\_/\_/\_/\_/\<br />
//�\\�//�\\�//�\\<br />
/\_/\_/\_/\_/\_/\<br />
/\_/\_/\_/\_/\_/\<br />
/\�/\�/\�/\<br />
/\_/\_/\_/\_/\_/\<br />
/\�/\�/\�/\<br />
/\_/\_/\�/\�/\_/\<br />
//�\\_//�\\_/\_/\_//�\\_//�\\<br />
//�\\�//�\\�//�\\�//�\\�/\_/\_/\_/\<br />
//�\\�//�\\�/�\�/�\�/\_/\_/\_/\_<br />
Beseitigung jeder Möglichkeit von Ablenkung oder Störung<br />
Es gibt eine Unzahl von Dingen, die den Hellseher in seiner Tätigkeit stören oder ablenken<br />
können. Doch wird er manches schon zu überwinden vermögen, wenn er die<br />
drei bisher erörterten Fähigkeiten erworben und durch fleißige tägliche Übungen sich<br />
zu eigen gemacht hat. Vor allem sind es von außen her an ihn dringende Geräusche,<br />
Unterhaltungen, Musik; es können ihn auch Gegenstände, die glänzen oder besondere<br />
Formen besitzen, ablenken, es können ihn stören nur durch Bewegungen: seine Angehörigen,<br />
sein Hund, seine Katze, seine Uhr und ähnliches. Es können ihn stören: Gedanken<br />
der Furcht, der Erwartung, der Freude. Alle diese bisher genannten Störungsmöglichkeiten<br />
können durch Anwendung gedanklich entgegengesetzter Autosuggestion<br />
beseitigt oder <strong>zum</strong> Schweigen gebracht werden.
Eine der wichtigsten Fähigkeiten für den angebenden Hellseher aber ist die Beseiti-<br />
gung des begierdenhaften Wunsches und des Leidenschaftsausbruchs. Dieser beiden<br />
Triebeigenschaften, die nur menschlich, allzu menschlich sind, muß der angehende<br />
Hellseher Herr werden, wenn er das bewußte <strong>Hellsehen</strong> in sich zur Entfaltung und zur<br />
vollen Auswirkung bringen will. Daran sind sehr viele Yogis und Hellseher gescheitert.<br />
Wie soll ich <strong>zum</strong> Beispiel mein eigenes Karma erkennen können, wenn mein Inneres,<br />
mein denkendes Gemüt, sich dauernd verändert, wenn es hin- und hergeschüttelt wird<br />
von Erregungen und Wünschen triebhafter Art? Denn das Endziel des bewußten<br />
<strong>Hellsehen</strong>s ist doch vollständige Klarheit, die auf der Unveränderlichkeit des denkenden<br />
Gemüts, auf dem ruhigen, konzentrierten Bewußtwerden aller inneren Vorstellungsbilder<br />
beruht. Patanjali sagt hierzu: »Das Verhindern der Veränderungen des<br />
denkenden Gemüts muß durch Übung und Leidenschaftslosigkeit bewirkt werden.«<br />
Es ist doch für jeden einleuchtend, daß das Gemüt desjenigen am unbewegtesten sein<br />
wird, dessen Bewußtsein, dessen Seele frei von Leidenschaften ist, daß derjenige am<br />
besten eine klare Schau seiner inneren Bilder erlangt, dessen einheitliches, geistig<br />
geleitetes Vollbewußtsein nicht verdunkelt wird von den Begierden der eigenen Psyche,<br />
des eigenen Gedanken-Elements. Nur ganz frei wird der Hellseher dem Geschehen<br />
des eigenen Ichs und des Mitmenschen mit der <strong>zum</strong> <strong>Hellsehen</strong> notwendigen<br />
Neutralität entgegen treten können.<br />
Wie Leidenschaftslosigkeit, Begierdenfreiheit erreicht werden können, will ich für den<br />
Leser in einigen Übungen anführen.<br />
Übung 1: Nimm eine Schale Reis – es kann auch eine Schüssel voll sein –, stelle dich in<br />
die Mitte des Zimmers und streue den Reis nach allen Seiten ins Zimmer. Dann setze<br />
dich auf einen Stuhl, mache einige rhythmische Atemübungen und gib dir die Autosuggestion:<br />
»Ich werde in Geduld, Ruhe, Schweigen und ohne Leidenschaft den Reis<br />
Körnchen für Körnchen auf den Teller legen.« Dann stehe gemächlich auf, nimm den<br />
Teller zur Hand und lege Körnchen für Körnchen ruhig und sachlich auf den Teller.<br />
Dabei betrachte in Ruhe die verschiedenen Körner. Die Übung ist erfüllt, wenn du alle<br />
Körner einzeln auf den Teller gelegt hast, ohne die geringste Ungeduld in dir verspürt<br />
zu haben. Fühlst du dagegen während der Übung Leidenschaft, die sich in der Sucht<br />
zeigen kann, den Reis handvollweise auf den Teller zu bringen, unterbrich die Übung<br />
und gib<br />
33
34<br />
dir die Suggestion: »Ich werde volle Ruhe, Geduld und Leidenschaftslosigkeit.« «Wenn<br />
du fühlst, daß du ruhig geworden bist, setze die Übung fort. <strong>Du</strong> mußt sie so oft wiederholen,<br />
bis sie in Wirklichkeit und gemäß <strong>deine</strong>m Wahrheitsempfinden dir selbst gegenüber<br />
ganz erfüllt ist.<br />
Übung 2: Nimm eine Schüssel Reis, verstreue ihn in der vorher beschriebenen Art im<br />
Zimmer. Dann stelle die leere Schüssel in die Mitte des Zimmers und trage jedes Reiskörnchen,<br />
das du aufsammelst, einzeln in die Schüssel. Im übrigen gilt für diese Übung<br />
das in Übung 1 Gesagte.<br />
Gespannte Aufmerksamkeit gegenüber den eigenen Gedanken und<br />
Vorstellungsbildern<br />
Um diese Fähigkeit zu entwickeln und hoch zu steigern – eine unbedingte Notwendigkeit<br />
für den bewußten Hellseher – bedarf es der vollkommenen Einsetzung der bisher<br />
erörterten Fähigkeiten: Entspannung, scharfes Gedächtnis, regulierter Atem und Beseitigung<br />
von Störung oder Ablenkung. Vor allern ist es der rhythmische Atem, der den<br />
Menschen in den Zustand der gespanntesten Aufmerksamkeit versetzt. Man muß<br />
aufpassen wie ein Schießhund auf jedes innere Gedankenbild, das das Gehirn passiert.<br />
Das geschieht aber nicht etwa dadurch, daß man den Atem anhält oder die Fäuste<br />
ballt oder gar die Muskeln der Waden, Arme und des Gesichts verkrampft und verdreht<br />
(wie ich das einmal bei einem »hellsehenden« Magnetopathen sah, der auf diese<br />
Weise Diagnosen stellen wollte), sondern der Zustand der vollkommenen Aufmerksamkeit<br />
wird einzig und allein durch völlige körperliche Entspannung, völlige innere<br />
Ruhe und Ausgeglichenheit und geregelten Atem erzeugt.<br />
Übung 1: Laß dir von einem Freunde oder Anverwandten zwanzig landschaftliche<br />
Ansichtspostkarten kaufen. Sieh sie dir unter keinen Umständen vorher an, sondern<br />
verpacke sie gut so lange in Papier, bis du diese Übung vornimmst. – Lege das Päckchen<br />
Karten auf den Tisch, jedoch so, daß du nur den weißen Rücken der Karten<br />
siehst. Numeriere die Karten auf der weißen Seite von l bis 20. – Nimm Karte 1, drehe<br />
sie um, besieh dir das landschaftliche Bild eine Sekunde lang. Dann lege die Karte mit<br />
dem Bild nach unten beiseite und schreibe auf ein Stück Papier, was du gesehen
hast. So z. B.: Rechts ein großer Baum, anschließend nach links zwei Häuser, davor ein<br />
Teich mit Schwänen, noch weiter links eine weiße Bank, ein Park zur Seite, vorn auf<br />
dem Weg geht eine Frau mit blauem Kleid. Im Hintergrund Berge. – Hast du die Beschreibung<br />
des Geschauten fertig, nimm die Karte zur Hand und prüfe das Geschriebene<br />
auf seine Richtigkeit. Hast du nicht richtig gesehen oder wichtige, hervorstechende<br />
Punkte des Bildes nicht bemerkt, vollführe dieselbe Übung mit Karte Nr. 2<br />
und so fort. Die Übung ist erfüllt, wenn dir die Beschreibung der Bilder wenigstens<br />
fünfmal hintereinander einwandfrei gelungen ist.<br />
Übung 2: Mische zwanzig neu gekaufte numerierte Karten, natürlich mit dem »Gesicht«<br />
nach unten. Wenn das geschehen, nimm die fünf oberen Karten zur Hand, die<br />
anderen lege beiseite. <strong>Du</strong> siehst <strong>zum</strong> Beispiel bei der <strong>Du</strong>rchsicht der Nummern folgende<br />
Reihenfolge: 8, 2, 17, 19, 4. Nimm zuerst Karte 8, besieh dir die Landschaft eine<br />
Sekunde lang, dann lege sie mit dem Bild nach unten auf den Tisch; dann nimm Karte<br />
2, besieh sie dir und lege sie neben 8 auf den Tisch. Das gleiche tue mit Nr. 17, 19, 4.<br />
Sodann nimm Papier und beschreibe zuerst die Landschaft Nr. 8, dann in der gleichen<br />
Reihenfolge Nr. 2, 17, 19, 4. Die Übung mit stets neu gemischten Karten ist so oft zu<br />
wiederholen, bis es dir gelungen ist, das Experiment fünfmal nacheinander einwandfrei<br />
durchzuführen.<br />
Übung 3: Wenn du unterwegs bist, bleibe vor dem Schaufenster eines Ladens dreißig<br />
Sekunden lang stehen. Besieh dir schnell, scharf und genau die Auslage. Dann geh<br />
nach Hause, schreibe das Geschaute auf. Wenn du am Nachmittage oder am anderen<br />
Tage am Laden vorüberkommst, vergleiche die Richtigkeit des von dir Geschriebenen.<br />
Wiederhole die Übung – jedesmal mit einem anderen Laden – so lange, bis es dir einige<br />
Male gelungen ist, die Auslage eines Schaufensters richtig zu beschreiben.<br />
Mit der Möglichkeit der vorübergehenden<br />
Ausschaltung des Intellekts bezw. des Gehirndenkens<br />
kommen wir zu einer der wichtigsten Fähigkeiten, die zu den grundlegenden Notwendigkeiten<br />
des bewußten <strong>Hellsehen</strong>s gehören. Der Ausdruck »Ausschaltung des Intellekts«<br />
soll nicht besagen, daß der Intellekt oder das<br />
35
36<br />
Verstandes- bzw. Gehirndenken lahmgelegt oder gar <strong>zum</strong> Schweigen gebracht werden<br />
soll. Im Gegenteil, der Intellekt muß bei der Tätigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s wach gehalten<br />
werden, er muß ein integrierender Bestandteil des Gesamt-Bewußtseins bleiben. Aber<br />
er soll eben nur wach und überwachend gehalten werden; es muß dagegen die Möglichkeit<br />
im eigenen Bewußtsein geschaffen werden, den Intellekt so weit auszuschalten,<br />
daß ein Nichtgebräuch des reinen Verstandesdenkens, das ja schlußfolgernder<br />
(argumentativer) Natur ist, eintritt. Das rein Geistige im Menschen wird durch die<br />
vorher geschilderten Fähigkeiten und Übungen so weit erweckt, daß es die völlige<br />
Herrschaft über das Gesamt-Bewußtsein antritt. Und wo das rein Geistige im Bewußt-<br />
sein dominiert, bedarf es nur eines »Zur-Verfügung-Stehens« des Intellekts, damit<br />
dieser, der durch dauernd materielles Training im täglichen Leben, in Schule und<br />
Universität, ganz einseitig eingestellt ist, lediglich zur Wiedergabe des geistdurchflute ten und plastisch-geformten Vorstellungsbildes benutzt wird. In Wirklichkeit wird also<br />
durch das Nicht-Gebrauchen des wachen und wachenden Intellekts ein<br />
nicht überlegender Zustand des Bewußtseins<br />
geschaffen. Und hier sind wir am Kernpunkt der Erörterung angelangt. Die Psyche, das<br />
Unterbewußtsein, ist bezüglich des Erdengeschehens, der Geist aber bezüglich des<br />
Geschehens im Raum bis zur Unendlichkeit allwissend.<br />
Im Katechismus des Patanjali heißt es bezüglich dieses Zustandes: »Der Lernende,<br />
dessen Gemüt auf diese Weise gefestigt wird, erlangt eine Meisterschaft, die sich vom<br />
Atom bis <strong>zum</strong> Unendlichen ausdehnt. – Wenn aber Name und Bedeutung des für die<br />
Meditation ausgewählten Gegenstandes von der Ebene der Betrachtung verschwinden,<br />
wenn das abstrakte Ding selbst, frei von Unterscheidung, sich dem Gemü t lediglich als<br />
eine Einheit darbieten, so ist dies das, was der nicht argumentative Zustand genannt<br />
wird. – Wenn durch das Erwerben des nichtüberlegenden Bewußtseinszustandes Weisheit erreicht worden ist, dann besteht geistige Klarheit. – Aus der Beherrschung<br />
des Denkprinzips ergibt sich die Beruhigung des eigentlichen Selbstes. – In diesem Fall<br />
besteht dann jene Erkenntnis, die absolut von Irrtum frei ist. – Diese Ar t der Erkenntnis<br />
unterscheidet sich von dem Wissen, das auf Beweis und Schlußfolgerung beruht,<br />
dadurch, daß im Verfolge der auf die letzteren gegründeten Erkenntnis das intellektu elle Bewuß t-
sein viele Einzelheiten zu betrachten hat und sich mit dem allgemeinen Felde der Erkenntnis<br />
selbst nich t befaßt.«<br />
Für diese Sprüche bedarf es bezüglich des bewußten <strong>Hellsehen</strong>s einiger kurzer Erklärungen.<br />
Wenn sich das Ding, das sich dem Gemüt (der geistigen Schau in diesem Falle)<br />
lediglich als eine Einheit darbietet, ohne die verstandesmäßige, intellektuell begriffene<br />
Bedeutung dieses Dings zu spezialisieren oder zu spezifizieren, so schaltet damit das<br />
intellektuelle Denken insofern aus, als es zwar wach ist, aber nicht gebraucht wird. Mit<br />
anderen Worten: Das intellektuelle Denken unterwirft sich der geistigen Schau zwecks<br />
Herbeiführung des nichtargumentativen Bewußtseinszustandes. Ist dieser Zustand<br />
durch Übung vollkommen geworden, so erwirbt der Lernende diejenige Weisheit, die<br />
geistige Klarheit und Irrtumsfreiheit im Gefolge hat. Das heißt: er sieht klar, er wird<br />
<strong>zum</strong> Hellseher, der alles erschaut, so plastisch und wirklich, wie selbst im Leben die<br />
alltäglichen Dinge nicht gesehen werden. Der Unterschied zwischen diesem nichtüberlegenden<br />
Schauen und Erfassen einer Vorstellung und dem intellektuellen, verstandesmäßigen<br />
Betrachten eines Gegenstandes besteht darin, daß das letztere alle<br />
Einzelheiten gesondert betrachte t,<br />
um dann durch logische Schlußfolgerung die Be-<br />
deutung dieses Gegenstandes zu ermessen, während beim nicht überlegenden Schauen Einzelheiten völlig fortfallen und nur das allgemeine Feld der Erkenntnis ein<br />
Bild der Substanz des Dings an sich ergibt. Ein drastisches Beispiel besteht im Hellse-<br />
hen durch Graphologie. Der nich t hellsehende Graphologe schildert den Charakter<br />
eines Menschen, indem er die Einzelheiten der Schriftzüge einer genauen, detaillierten<br />
Prüfung unterzieht, um dann auf Grund wissenschaftlicher Er fahrung in Verbindung<br />
mit Argumenten und logischen Schlußfolgerungen ein Charakterbild des Schreibers<br />
zu entwerfen. – Dagegen läßt der Hellseher nur das Gesamtbild der Schrift auf sein<br />
geistig beherrschtes Bewußtsein wirken, ohne irgendwie auf Einzelheiten einzugehen<br />
und ohne irgendwelche intellektuelle Schlußfolgerungen zu ziehen. Er wird aber<br />
schnell fließend eine verblüffende Charakterschilderung geben, ohne seine Aussagen<br />
auch nur einen Augenblick zu überlegen.<br />
Die wichtigsten Bedingungen zur Herbeiführung dieses ni cht überlegenden Bewußt-<br />
seinszustandes bestehen in der strengen Erfüllung und Übung der bisher erläuterten Fähigkeiten. Ich gebe dem Leser nachstehend einige Übungen an, die zwar nich t ganz<br />
die Ausschaltung des Intellekts bzw. die<br />
37
38<br />
Herbeiführung des nicht überlegenden Bewußtseinszustandes bewerkstelligen, die<br />
jedoch geeignet sind, bei restlosem Gelingen der Übungen, den Weg zu dem gewünschten<br />
Zustand zu ebnen. Es sei noch hinzugefügt, daß die größte Störung für den<br />
bewußten Hellseher das sich stets meldende intellektuelle Denken ist, das das geistig<br />
Geschaute in den Bereich verstandesmäßiger Logik einbeziehen will. Es gilt also unbedingt,<br />
das schlußfolgernde, verstandesmäßig trainierte Denken unter die Herrschaft<br />
der nicht überlegenden geistigen Schau zu bringen. Geschieht dies nicht oder auch nur<br />
halb, so wird das sogenannte bewußte <strong>Hellsehen</strong> (in diesem Fall nur) einen hellen<br />
Unsinn ergeben.<br />
Übung 1: Stelle eine elektrische Stehlampe auf den Tisch, entzünde sie. Nimm ein Blatt<br />
Papier zur Hand und einen Bleistift. Entspanne dich vollkommen, atme eine Weile<br />
rhythmisch. Dann schreibe auf das Blatt Papier die Frage: »Was sagt mir das Licht?«<br />
Entspanne dich nochmals gründlich. Dann betrachte das Licht. Den ersten Gedanken,<br />
der dir »hoch« kommt, schreibe hin! Schreibe ihn hin, auch wenn er dir vorerst unsinnig<br />
erscheint!!! Kümmere dich auch nicht mehr um ihn, sondern schreibe sofort den<br />
zweiten Gedanken auf, der dich als Vorstellungsbild beschäftigt! Verfahre damit, wie<br />
mit dem ersten Gedanken! Dann schreibe den dritten, vierten, fünften Gedanken auf,<br />
ganz gleich, wie sein Sinn dir auszufallen scheint. Kommt dir der Gedanke: Schluß, so<br />
mache einen Strich! Dann erst lies die Sätze! Ergibt das Ganze einen klaren Sinn, ist die<br />
Übung erfüllt. Sonst ist sie so lange zu wiederholen, bis die Gedanken über das Licht,<br />
was es dir sagt usw., klar und rein ausgedrückt sind.<br />
Immer aber entspannen, nicht überlegen, atmen!<br />
Übung 2: Stelle eine Topfpflanze vor dich auf den Tisch! Nimm Papier und Bleistift,<br />
entspanne dich, atme rhythmisch! Dann halte die Hände mit der Handfläche in 10 cm<br />
Entfernung vor die Blume. Die Frage lautet: »Was sagt mir diese Blume?« Verfahre in<br />
gleicher Weise wie in Übung 1.<br />
Weitere Übungen: Stelle dir von allen Gegenständen, Tieren, Pflanzen, Steinen, Flüssigkeiten<br />
usw., die du erblickst, die Frage, was sie dir zu sagen haben. Verfahre stets so,<br />
wie vorher angegeben! Übe, übe, übe!!! Übe dauernd, auch dann noch, wenn du längst<br />
die Fähigkeiten des bewußten <strong>Hellsehen</strong>s erlangt hast. Denn nichts ist wichtiger, als<br />
diese Übungen für die Fähigkeit
intuitiver Umdeutung von symbolisch erschauten inneren<br />
Vorstellungen.<br />
Erblickst du dann einmal bei der Tätigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s Gegenstände, Tiere, Pflanzen<br />
usw., so hast du die Möglichkeit sofortiger Umdeutung, kraft der von dir bei früheren<br />
Übungen erworbenen Fähigkeit des scharfen Gedächtnisses. <strong>Du</strong> wirst dich sofort<br />
dessen erinnern, was du bei den Übungen über die Dinge gesagt hast. Sollte dich aber<br />
dein Gedächtnis verlassen haben, so <strong>kannst</strong> du auch so verfahren, daß du nach dem<br />
Erscheinen des Symbols dich kurze Zeit dem Schweigen hingibst, indem du autosuggestiv<br />
denkst: »Mein Geist wird mein Bewußtsein erleuchten, damit ich die Umdeu-<br />
tung des symbolisch Geschauten erkenne! Ich erkenne es!« Der Heilseher wird immer<br />
erfahren, daß sein göttlicher Geist dem in der Autosuggestion überzeugt ausgespro-<br />
chenen festen Glauben Erfüllung gibt.<br />
Patanjali sagt daher in seinem Katechismus: »Bei der Meditationsübung derer, die<br />
fähig sind oder fähig sein mögen, bis <strong>zum</strong> reinen Geist zu unterscheiden, geht voraus:<br />
Glaube, Energie, gespannte Aufmerksamkeit und Urteilsfähigkeit oder durchgreifende<br />
Unterscheidung dessen, was erkannt werden soll.«<br />
Damit kommen wir auf eine andere Fähigkeit, die der angehende Hellseher erwerben<br />
muß:<br />
Festhalten eines Vorstellungsbildes und Unterscheidungskraft<br />
Die Möglichkeit dieses Festhaltens eines Bildes im Bewußtsein des Hellsehers bedeutet<br />
den Anfang und das Ende des gesamten bewußten <strong>Hellsehen</strong>s. Es beruht auf der Erzeugung<br />
der<br />
Konzentration oder Gedankenstarre<br />
im eigenen Bewußtsein. Diese Konzentration wird geübt, geübt und immer wieder geübt, mit zäher Ausdauer, mit Energie, mit Geduld und nie erl ahmendem Mut. Die<br />
Gedanken jagen sich in unserem Bewußtsein wie hochquirlende Kohlensäureblasen<br />
im Glas Selterswasser. Erklärung über die<br />
39
40<br />
Tätigkeit dieses Gedankenelements, des Denkprinzips im Menschen, findet der Leser<br />
im »Geheimnis Coués«. Doch die Erklärung nützt dem angehenden Hellseher wenig;<br />
für ihn gilt es, die unruhige, hin- und hergeworfene Gedankenmasse erst einmal in<br />
gleichbleibenden Fluß zu bringen. Das geschieht durch Erzeugung von Körperentspannung,<br />
geregeltem Atem, gespannte Aufmerksamkeit, Leidenschaftslosigkeit, Be-<br />
gierdenfreiheit, Beseitigung von Störungen, alles Fähigkeiten, die geübt und, unter<br />
Voraussetzung sittlichen Ernstes, erworben werden können und deren Erwerbung ich<br />
bisher geschildert und gelehrt habe. Die Herbeiführung der Gedankenstarre aber muß<br />
geübt werden.<br />
Und nur Übung macht den Meister.<br />
Ist erst einmal die Fähigkeit der Konzentration vorhanden, so ist die Kraft der Unterscheidung<br />
ein leichtes. Es handelt sich für den Hellseher nämlich nur darum, während<br />
der Hellsehtätigkeit zwischen denjenigen Gedankenbildern zu unterscheiden, die dem<br />
Intellekt oder der geistigen Schau entstammen. Das aber ist an einem bestimmten<br />
Merkmal zu erkennen, das untrüglich die Möglichkeit der Unterscheidung gibt und<br />
das während der Konzentrationsübungen schon dem Schüler erkenntlich wird. Wenn<br />
ich nämlich eine Sache rein gehirntätig erfasse bzw. begreife, so sehe ich sie, wenn ich<br />
die Augen schließe, mit meinen Augen, bzw. mit der Stelle des Gehirns, der die Sehnerven<br />
entspringen. Erschaue ich dagegen innerlich ein Vorstellungsbild unter Hervorrufung<br />
des geistigen Bewußtseinszustandes, d. h. halte ich die konzentrierte geistige<br />
Schau in meinem Gemüt aufrecht, so sehe ich eine Sache oder Person in der Gegend<br />
der Schilddrüse, d. h. etwa einen Meter senkrech t vor derjenigen Stelle des Körpers, an<br />
der unterhalb des Halses das Schlüsselbein beginnt. Ich sehe bzw. schaue mit dem<br />
Herzen, dem Gemüt, mit dem innersten Gefühl. Der Hellsehschüler wird also bei<br />
fleißiger Konzentrationsübung bald erkennen können, welches Vorstellungsbild dem<br />
Intellekt und welcher Gedanke dem Geist, d. h. dem höheren Selbst, dem göttlichen Ich<br />
entstamm t.<br />
Hat nun der Schüler die Fähigkeit zur vollendeten Konzentration erwor-<br />
ben, so erwirbt er damit auch gleichzeitig die Fähigkeit der schnellen plastischen
Schilderung eines Gedankenbildes.<br />
Die Möglichkeit dieser Schilderung ist für denjenigen Lernenden vonnöten, der die<br />
Fähigkeit des bewußten <strong>Hellsehen</strong>s im Interesse seiner Mitmenschen verwenden will.<br />
Er muß also imstande sein, alles Geschaute schnell in Worte zu kleiden und das symbolisch<br />
Gesehene in sinngemäße Sätze zu formen, so daß der Mitmensch auch Nutzen<br />
davon hat. Ich weise diesbezüglich auf die Übungen betr. »Aufmerksamkeit« hin.<br />
Für diejenigen, die Konzentrationsübungen zur Erzeugung der Gedankenstarre vornehmen<br />
wollen, seien folgende Übungen angegeben:<br />
Übung 1: Schneide aus einem Blatt Papier ein ungleichseitiges Dreieck und lege es vor<br />
dich auf den Tisch. Entspanne dich, atme! Schau dir das Dreieck und seine Form eine<br />
Minute lang genau an. Schließe sodann die Augen, und versuche die Form des Dreiecks<br />
zu schauen; ich meine innerlich erfühlend zu schauen. Die Übung ist erfüllt,<br />
wenn es dir gelingt, die Form des Dreiecks richtig in <strong>deine</strong>m Denken zwanzig Sekunden<br />
lang derart festzuhalten, daß dich außer dem Dreieck zwischendurch keine andere<br />
Vorstellung beschäftigt hat. Um dies zu erreichen, heißt es üben und nochmals<br />
üben. Ohne Fleiß kein Preis!<br />
Übung 2: Nimm die Photographie einer Person. Sieh sie dir längere Zeit an. Dann<br />
schließe die Augen und halte sie so in <strong>deine</strong>r Vorstellung fest, daß du. eine Minute lang nichts anderes siehst als die Person. <strong>Du</strong> darfst sie dir allerdings während dieser<br />
Zeit genau betrachten, darfst feststellen, welches Kleid bzw. welchen Anzug sie trägt,<br />
<strong>kannst</strong> auch sehen, ob sie Ringe am Finger hat, welche Augenfarbe, welche Haarfarbe<br />
sie besitzt, ob sie jung, alt oder in den mittleren Jahren ist, usw. usw. Doch darf dich<br />
während dieser Übung kein Gedanke unterbrechen, der nichts mit der Person zu tun<br />
hat.<br />
Übung 3: Kaufe dir eine Ansichtspostkarte, die das »Abendmahl« von Leonardo da<br />
Vinci darstellt. Lege diese Karte vor dich auf den Tisch, betrachte das Gesamtbild eine<br />
Minute lang. Dann schließe die Augen und reproduziere es konzentriert in <strong>deine</strong>m<br />
Innern. Hast du das Gesamtbild eine Minute lang in <strong>deine</strong>m Gemüt festgehalten, so<br />
gehe an die Einzelbetrachtung des festgehaltenen Bildes. Besieh dir Jesus, besieh dir<br />
jeden Jünger, so wie du ihn innerlich erschaust, genau. Sieh dir die Kleider,<br />
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Schuhe, Augen, Haare, Gesicht scharf an. Dieses genaue Betrachten aller Einzelheiten<br />
während des konzentrierten Festhaltens des Bildes muß exakt und ausführlich ge-<br />
schehen, obwohl du bei dem vorherigen Ansehen des Bildes mit <strong>deine</strong>n Augen keinerlei<br />
Einzelbetrachlungen vorgenommen hast. Die Übung ist erfüllt, wenn du das Bild<br />
des Abendmals fünf Minuten lang konzentriert ohne Unterbrechung in <strong>deine</strong>m<br />
Bewußtsein festgehalten hast, und wenn die von dir erschauten Einzelheiten mit den<br />
Einzelheiten des Bildes übereinstimmen.<br />
Weitere Übungen kann der Schüler selbst bilden. Nur einmal nachdenken, dann wird<br />
dir schon der richtige Übungsstoff einfallen!<br />
Sind diese letzten zwei Übungen restlos gelungen, so hat der Hellsehschüler angefangen,<br />
sich mit der<br />
Meditation,<br />
d. h. dem betrachtungsweisen Festhalten einer inneren Vorstellung zu befassen. Er<br />
wird mit zunehmendem Fleiß eine ebenso zunehmende Fähigkeit <strong>zum</strong> <strong>Hellsehen</strong><br />
erhalten. Damit kommen wir zur Erläuterung der eigentlichen<br />
Praxis des <strong>Hellsehen</strong>s.<br />
Für diese Praxis des bewußten <strong>Hellsehen</strong>s gibt es, genau wie bei Erwerbung der einzelnen<br />
Fähigkeiten, nur eins: Üben!<br />
Wir auf der Erde lebenden Menschen sind in unserer innersten Wirklichkeit Teile des<br />
All-Einen, wir tragen in uns den göttlichen Lichtfunken, der das höhere Selbst ausmacht,<br />
der aus Ewigkeiten kommt und in Ewigkeiten weiter lebt. Wir tragen daher die<br />
Erinnerung aus Ewigkeiten in uns, wir erschauen das Zukünftige in uns. Wenn unser<br />
Bewußtsein eins wird mit dem Ewigen, Einen, so werden wir fähig, das Ewige in uns zu<br />
spiegeln, wir werden fähig, Vergangenes und Zukünftiges zu schauen, in uns <strong>zum</strong><br />
Bewußtwerden zu bringen.<br />
So sind wir lebendige Spiegel der Ewigkeit. In uns spiegelt sich die gesamte Welt und<br />
ihr Geschehen. Das gilt sowohl im einzelnen als auch für das Ganze. Das gilt sowohl<br />
für die Vergangenheit als auch für die Zu-
kunft. Das gilt vor allem für die Gegenwart. Die gesamte Menschheit bildet eine<br />
lebende Seele. Das bezieht sich auf Verstorbene wie auf Lebende. So erlebt die gesamte<br />
Menschheit jedes Geschehnis auf Erden und im Weltall gemeinsam. Daß dies nicht in<br />
unser waches Bewußtsein dringt, liegt an dem Umstand, daß wir die Einheit in uns<br />
verloren haben, daß wir durch falsches intellektuelles Denken zur getrennten und<br />
gespaltenen Vielheit geworden sind. Alles Geschehen spiegelt sich in der gemeinsamen<br />
Menschheitsseele. Der einheitliche, vom vollen, wachen, geeinten Bewußtsein<br />
beherrschte Mensch ist fähig, dieses Geschehen zu lesen, es in sich bewußt werden zu<br />
lassen. Alle, die uns innerlich nahe stehen, spiegeln sich in unserer Seele, in allen spiegeln<br />
wir uns wider. So sind wir alle lebendige magische Spiegel.<br />
Aber wir sind, modern technisch ausgedrückt, auch alle wandelnde Radio-Apparate.<br />
In uns befindet sich der Sender, in uns befindet sich der Empfänger. So empfangen wir<br />
dauernd, uns unbewußt, Gedankenbilder, die unsere Mitmenschen erzeugten, so senden<br />
wir stets Gedanken aus, die wir selber – ewig als Assoziationen neu gebärend –<br />
erzeugten und die in anderen Menschen empfangen, verarbeitet werden und als eigene<br />
Gedanken dort hochsteigen. Es braucht uns der innere feintechnische Vorgang<br />
dieser Tatsache nicht zu beschäftigen. Die telepathischen Experimentatoren beweisen<br />
uns alltäglich die Wahrheit dieses Vorganges.<br />
Wichtig ist für den angehenden Hellseher die Frage:<br />
Zu was kann ich die erübte Fähigkeit des bewußten <strong>Hellsehen</strong>s<br />
verwenden?<br />
Der Beantwortung dieser Frage sind die nachstehenden Erläuterungen, die ich mit<br />
Beispielen und Übungen aus eigener Praxis dem Leser vor Augen führe, gewidmet.<br />
Da die Absicht besteht, eine Sonderabhandlung über die protokollierten bewußt-hellseherischen<br />
Experimente herauszugeben, die ich in Gegenwart und unter Aufsicht von<br />
ernsten Wissenschaftlern vornahm, so führe ich nur Beispiele von Experimenten an,<br />
die ich in Gegenwart anderer Personen ausführte.<br />
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Charakterbeurteilung hellseherischer Art.<br />
Die Charakterologie nach Handschriften, Kopfform, Handlinien und anderen Erfahrungswissenschaften<br />
ist außerordentlich weit verbreitet. Sie unterscheidet sich aber<br />
scharf durch die Merkmale ihrer Handhabung von der Charakterologie, die auf Grund<br />
hellseherischer Fähigkeiten zur Ausübung gelangt. Während die wissenschaftliche<br />
Charakterologie <strong>zum</strong> Beispiel Einzelheiten der Schrift, der Kopfform genau beachtet,<br />
während bei Ausübung der Phrenologie sogar Messungen des Schädels vorgenommen<br />
werden, genügt beim bewußten <strong>Hellsehen</strong> oft nur das Besehen des Objekts für<br />
den Bruchteil einer Sekunde, um durch konzentriertes Betrachten innerlicher Art das<br />
Charakterbild des Betreffenden lückenlos zu entwerfen und zu schildern. Bei dem sehr<br />
kurzen Besehen einer Schrift oder einer Person oder Sache nimmt der Seher nur das<br />
Gesamtbild in sich auf, ohne Einzelheiten wissenschaftlicher Art zu erfassen. Er hat<br />
lediglich die Aufgabe, bei diesem ganzen Vorgang das Gesamtbild durch Herstellung<br />
des konzentrierten Bewußtseinzustandes zur Verfügung seines geistigen Schauens zu<br />
halten. Ist das geschehen, dann lösen sich in seinem Innern von selbst die Worte, die<br />
ins Gehirn steigen und von dort aus ohne Überlegung durch den Hellseher ausgespro-<br />
chen werden. Dabei ist zu beachten: Entspannung bewahren! Intellekt ausschalten!<br />
Ihn nicht ins Handwerk pfuschen lassen! Aufpassen auf jedes Gedankenbild, das<br />
hochkommt, und es bedenkenlos aussprechen!<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Charakterologie nach Handschrift.<br />
Ein Beispiel gebe ich hierfür, das den Vorgang am besten kennzeichnet und aus dem<br />
der Lernende am besten ersieht, wie er vorgehen kann. – Mein Freund A. gibt mir eine<br />
mit der Hand geschriebene Postkarte und bittet mich um hellsehende Beurteilung. Ich<br />
entspanne mich in meinem Sessel sofort, atme einigemal, nehme die Karte zur Hand; –<br />
ich lese nichts von dem was geschrieben ist, sondern lasse das Bild der Handschrift auf<br />
mich wirken. Drei Sekunden lang betrachte ich das Gesamtbild, dann schließe ich die<br />
Augen und schon sehe ich deutlich die geschriebene Karte in meinem Innern, bzw. vor<br />
mir in der Gegend des Kehlkopfes. Ich lasse das Bild nicht los, sondern halte es scharf<br />
im Auge. Vorläufig schweige ich,
ich warte auf ein Gedankenbild oder auf das Hören von Worten. Plötzlich kommt der<br />
erste Gedanke. Ich spreche ihn laut und sofort unbedenklich aus. Und dann jagt ein<br />
Wort das andere, ein Gedanke folgt schnell dem andern. Ich sage: Der Schreiber ist ein<br />
Mann, hochgewachsen, schlank, glatt rasiert. Er ist 26 Jahre alt. Er ist Schreiber am<br />
Amtsgericht; er gibt sich anders, als er in Wirklichkeit ist. Es ist viel Verlegenheit in<br />
ihm. Er hält sein Gesicht in den Falten ehrbaren Aussehens. Aber er ist falsch und<br />
hinterlistig von Natur. Er hintergeht seine Braut mit schlechter Gesellschaft. Manchmal<br />
ist er sentimental, ohne Einsicht über sich. Er ist ein scharfer Rechner, vergeudet<br />
aber sein Geld, kann es nicht zusammenhalten. Eigensinnige Natur, manchmal brutal;<br />
rücksichtslos gegen die Schwachen, schleichend und kriechend vor Vorgesetzten. Er ist<br />
krank an der Lunge. Hat auch Blutkrankheit. Wird nicht alt. Leidenschaftlich, aber<br />
ohne Halt sittlicher Natur. Vorsicht beim Umgang mit ihm!<br />
Wie es sich später herausstellte, entsprach die gesamte Schilderung den Tatsachen.<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Charakterbeurteilung durch Ansehen.<br />
In einem Zimmer befindet sich ein Vorhang. In diesem Vorhang ist ein Loch von der<br />
Größe eines Fünfmarkstückes. Hinter dem Vorhang befindet sich eine Person, die ich<br />
nicht kenne. Ich sehe von ihr ein Stückchen Stirn, die dicht hinter dem Vorhang an<br />
dem Loch liegt. Ich werde um Charakterbeurteilung der Person gebeten, zu der das<br />
Stückchen Stirn gehört. Ich entspanne mich, atme, konzentriere mich zwanzig Sekunden<br />
lang auf die Stirn, die ich im Loch des Vorhangs erblicke. Dann schließe ich die<br />
Augen und halte das Gesehene im Bewußtsein fest. Die Gedanken und Bilder lassen<br />
auch nicht lange auf sich warten. Ich spreche schnell hintereinander folgendes: Frau,<br />
schwarzes Haar, dunkle Augen, feine weiße Hand; gepflegt; sehr schönes Gesicht,<br />
doch Narbe hinter dem linken Ohr. Ohrringe aus Gold und Smaragden. Am Finger<br />
rechter Hand ein Ehering, darüber ein Ring mit Perle. Sehr künstlerische Natur, viel<br />
Temperament, aber auch viel unbeherrschte Leidenschaft. Steht in Gefahr, sich<br />
manchmal zu verlieren; doch besteht Halt in Religion. Sie ist sehr, sehr gutmütig, läßt<br />
sich leicht übers Ohr hauen. Kennt den Wert des Geldes nicht und kann<br />
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auch nicht rechnen. Hat immer zu wenig Geld. Sie pumpt gern, ohne sich Gedanken<br />
darüber zu machen. Sie kann aber vieles gutmachen durch ihre hervorragende Kunst.<br />
Besitzt große Kombinationsgabe, spekuliert! Vorsicht! Die Dame ist in ihrer Ehe<br />
unglücklich. Sie möchte ein Kind haben. Doch es ist vergeblich. Es wäre besser, sie<br />
wäre nicht verheiratet.<br />
Es ergab sich nachher, daß die Beurteilung vortrefflich gewesen war und die Angaben<br />
gestimmt hatten.<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Charakterbeurteilung durch Handschlag.<br />
Ich werde gebeten, eine Person, die mir für eine Sekunde lang die Hand reicht, hiernach<br />
zu schildern und zu charakterisieren. Ich entspanne mich stehend, mir werden<br />
die Augen verbunden. Ich halte die Hand hin, die für eine Sekunde lang von einer<br />
fremden Hand gedrückt wird. Während man mir die Binde von den Augen nimmt,<br />
halte ich das Gefühl des Händedrucks gedanklich fest, ich leite es bewußt unter starken<br />
Atemübungen den Arm hinauf bis <strong>zum</strong> Hals. Jetzt sehe ich eine Hand, davor entwickelt<br />
sich eine Person; ich sehe einen Jungen im Alter von 14 Jahren. Ich halte das<br />
Bild fest und verharre im Schweigen. Dann stellen sich die ersten Bilder ein und ich<br />
spreche – erst langsam, stockend – dann schneller und immer schneller – folgendes:<br />
Junge, 14 Jahre alt, blond, blaue Augen, schmales, blasses Gesicht, vorstehende Zähne,<br />
schmächtige Figur, hat ein kürzeres Bein, mit dem er hinkt. Hat vor einem Jahr neben<br />
einer Lungen- und Rippenfell-Entzündung auch eine Hüftgelenkentzündung gehabt.<br />
Ist schüchtern, sogar stark verschüchtert durch zu strenge Erziehung. Daher voller<br />
Hemmungen und in der Schule ein schlechter Schüler. Da die Lunge noch angegriffen,<br />
redet er leise. Der Junge ißt zu wenig. Muß viel an die frische Luft. Er hat Anlage <strong>zum</strong><br />
Lügen, kann nur durch liebevolle Behandlung anders werden. Überhaupt braucht der<br />
Junge viel Liebe. Er ist sehr musikalisch, hat Anlage <strong>zum</strong> Musikkünstler. Es fehlt ihm<br />
an Energie, sich zu behaupten oder durchzusetzen. Er ist schwach im Rechnen, könnte<br />
aber in Sprachen Gutes leisten. Der Junge leidet außerdem stark unter der beginnenden<br />
Pubertät. Seine gesamte Vorstellungswelt ist sehr triebhaft. Ist nur durch viel Liebe<br />
und Sorgfalt zu innerer Kraft zu erwecken. Seelisch sehr zart besaitet, daher Vorsicht<br />
bei aufklärender Erziehung.
Mir wurde bestätigt, daß das entworfene Bild der Veranlagung und der Person richtig<br />
war.<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Charakterbeurteilung nach Photographie.<br />
Zur Beurteilung wird mir eine Photographie überreicht, die das Bildnis eines jungen<br />
Mädchens im Alter von zwanzig Jahren darstellte. Nach der üblichen Entspannung<br />
und Atmung nehme ich das Bild zur Hand, präge mir das gesamte Dargestellte ein,<br />
ohne auf Einzelheiten zu achten. Dann lege ich das Bild zur Seite, schließe die Augen.<br />
Sofort tritt die gemütsmäßige Schau ein. Ich halte die Vorstellung fest in meinem Bewußtsein.<br />
Der erste Gedanke kommt, ich spreche bedenkenlos: Das Bild ist vor 17<br />
Jahren gemacht. Die Person, die es darstellt, war damals ein Mädchen von 21 Jahren.<br />
Heute also 38. Sie hat sich mit 21 ½1/2½ Jahren verlobt, diese Verlobung wurde gelöst<br />
nach zwei Jahren. Mit 27 Jahren hat die Dame geheiratet, mit 31 bekam sie ihr erstes,<br />
mit 32 ihr zweites Kind. Mit 35 Jahren wurde sie Witwe. Seitdem lebt sie in beschränkten<br />
Verhältnissen. Sie könnte sich jetzt wieder verheiraten, sie wird es nicht<br />
tun. Sie ist gutmütig, jedoch zu kurzsichtig. Das tritt vor allem bei der Erziehung ihrer<br />
Kinder zutage, denen sie jeden Willen läßt. Gegenüber dem männlichen Geschlecht ist<br />
sie schwach. Sie ist zu leichtgläubig und trotz der immer wieder erlebten Enttäuschungen<br />
optimistisch. Eine Eitelkeit bezüglich ihrer Kleidung beherrscht sie. Doch fehlt ihr<br />
der gute Geschmack, daher wirkt sie manchmal lächerlich. Sie soll auch die unechten<br />
Schmuckgegenstände nicht immer anlegen. Sie hat Sinn für Schönliteratur, liest aber<br />
alles wahllos. Religiös ist sie stark beherrscht von dem Gedanken der Gnade, auf deren<br />
Konto sie sündigen kann. Sie ist im Haushalt fleißig, kann nicht rechnen, ist gutmütig,<br />
wahrheitsliebend, offen. Neigt aber zu narkotischen Mitteln. Geistige Einstellung könnte sie vor vielen Gefahren bewahren.<br />
Ich hatte richtig gesehen.<br />
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<strong>Hellsehen</strong>de Charakterisierung durch Fühlungnahme mit einer Person.<br />
Ein Herr kommt zu mir und bittet um seine Charakterisierung. Ich bitte ihn, Platz zu<br />
nehmen, ich setze mich ihm gegenüber, sehe ihn eine Minute schweigend an, dann<br />
sage ich: Sie haben sich als Kaufmann H. vorgestellt, Sie sind Kriminalbeamter und<br />
sind auf Anweisung Ihrer Behörde hier, um zu erforschen, ob ich nichts Gesetzwidriges<br />
tue. Sie haben die Absicht, morgen Ihren Kollegen herzuschicken, um dasselbe zu<br />
tun, was Sie jetzt hier tun. Sie sind an sich von gutmütiger Natur, jedoch hat die dauernde<br />
Beschäftigung mit den schlechten Eigenschaften anderer Sie mißtrauisch gemacht.<br />
Sie waren ursprünglich Kaufmann, sind aber durch Ihren Vater, der Polizeibeamter<br />
ist, in diese Ihnen an sich unsympathische Laufbahn gedrängt worden. Sie werden<br />
noch viel Gütiges in Ihrem Charakter unterdrücken müssen, wenn Sie ein tüchtiger<br />
Kriminalbeamter werden wollen. Sie sind ehrgeizig und möchten schnell hochkommen.<br />
Sie werden es nie erreichen auf dem Wege der Unterwürfigkeit, den Sie zur<br />
Zeit beschreiten. In Ihnen finden zur Zeit starke Gewissenskämpfe statt, die ihren<br />
Grund im Zwiespalt Ihrer Psyche bezüglich Ihrer Liebe zu einer Frau haben. Die Frau<br />
ist noch verheiratet, will sich aber Ihretwegen scheiden lassen. Sie selbst hegen bezüglich<br />
Ihrer eigenen Gefühle starke Zweifel. In Wirklichkeit sind Sie einer starken Liebe<br />
zu einer Frau nicht fähig, weil das leidenschaftliche Moment in Ihnen jedes reine<br />
Gefühl der Liebe überwuchert bis zur Erstickung. Sie werden außerdem in Ihrem Tagesdenken<br />
stark gestört von Triebgedanken, deren Grundlage auf eine frühe Pubertät<br />
zurückzuführen ist. Sie werden im übrigen im Leben Ihren Mann stehen, sind solide,<br />
begabt, fleißig, ehrgeizig, sparsam.<br />
Das schweigende Erstaunen im Gesicht des Herrn belehrte mich, daß ich das Richtige<br />
gesehen hatte.<br />
Ein anderes Beispiel!<br />
In einer Gesellschaft, die ein mir befreundeter Herr gab, saß ich neben einer Dame, die<br />
sich hochinteressant und philosophierend unterhielt. Ich konnte leider dem Gespräch<br />
nicht folgen, weil ich immer durch Bilder, die äußerst häßlich waren, gestört wurde.<br />
Nach Beendigung der Gesellschaft sprach ich mit Freunden über diese Dame. Ich<br />
machte die Bemer-
kung, daß ich den Glauben hege, die Dame sei in ihrem Triebleben stark pervers veranlagt.<br />
Mein Freund lachte und sagte: Ich habe dich neben sie gesetzt, um zu erfahren,<br />
ob du es merktest.<br />
Bewußtes <strong>Hellsehen</strong> auf Grund unsichtbar gemachter Dinge usw.<br />
Diese Art des <strong>Hellsehen</strong>s hat für den Hellseher den Vorteil, daß er nicht in Gefahr<br />
gerät, sein Gutachten bzw. seine Aussagen so zu geben, daß sie mit logischem Verstandesdenken<br />
durchsetzt sind. Er kann sich einzig und allein auf seine geistige Schau<br />
konzentrieren, ohne daß der schlußfolgernde Zustand, der allzu leicht sich zwischen<br />
die innere Schau mengt, diese letztere stört oder gar umwirft. Ich muß aber diesen<br />
Zustand des <strong>Hellsehen</strong>s von unsichtbar gemachten Dingen einer kurzen Erörterung<br />
unterziehen, damit der Lernende weiß, welche inneren Vorgänge der Psyche hierbei in<br />
Betracht kommen. Jede Photographie besitzt die gleichgerichtete Ausstrahlung von<br />
Feinstoffen wie der Photographierte selbst. Wenn ich schreibe, so leitet der Federhalter<br />
den von meinen Händen ausgestrahlten Feinstoff (Od) in die Tinte und so in die<br />
Schrift hinein. Die Schrift behält also die feinstoffliche Ausstrahlung des Schreibers so<br />
lange, wie die Schrift ihre Leserlichkeit behält. Ein Gegenstand, der von einer Person in<br />
der Tasche oder auf dem Körper getragen worden ist, wird von den feinstofflichen<br />
Ausstrahlungen des Trägers so durchsetzt und durchströmt, daß er die feinstofflichen<br />
Ausstrahlungen noch lange Zeit behält. Bringe ich diese Gegenstände nun in meine<br />
Nähe – gleichviel ob sie verpackt, unsichtbar gemacht worden oder sichtbar sind – so<br />
entst eht zwischen mir und dem Gegenstand eine Art magnetischer Induktion, die bei<br />
gleichzeitiger Konzentration auf das Ding bzw. dessen Inhalt eine Transformati on zu<br />
einer inneren Vorstellung bewirkt und auf diese Weise im nichtüberlegenden Be-<br />
wußtseinszustand eine vollendete und plastische geistige Schau gewährt. Diese Ar t des<br />
<strong>Hellsehen</strong>s sollte vor allem geüb t werden, weil sie meistens sicherer und klarer ausfällt<br />
als die auf sichtbare Dinge erzeugte. Die folgenden Beispiele aus eigener Erfahrungs-<br />
praxis werden das dem Strebenden erläutern.<br />
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50<br />
<strong>Hellsehen</strong> nach verschlossener Schrift.<br />
Ich erhalte einen verschlossenen unbeschriebenen Briefumschlag, von dem ich nicht<br />
weiß, was er enthält. Ich entspanne mich, lege den Briefumschlag in die Gegend des<br />
Plexus solaris, atme und verharre mit geschlossenen Augen schweigend. Ich konzentriere<br />
mich auf den Briefumschlag. Plötzlich sehe ich einen Brief mit genau kenntlicher<br />
Handschrift, dann sehe ich eine Person, ihre Bewegungen usw. Ich sage erst langsam,<br />
dann schneller werdend, aus: Ein Brief, steile, etwas unregelmäßige Schrift, doch groß<br />
geschrieben. Der Schreiber ist von Beruf Professor an einer technischen Hochschule.<br />
Architekt, hat einen etwas komisch wirkenden schlürfenden Gang, schleift mit dem<br />
einen Bein nach. Er trägt Harmonika-Hosen, breite Stiefel und nennt einen langen<br />
wallenden Bart sein eigen. Zuweilen bohrt er bedächtig in der Nase. Das tut er auch bei<br />
Vorlesungen. Er trägt Intellektuellen-Brille, hat kleinen Bauch, auf der Weste prangt<br />
eine dicke goldene Uhrkette. Aber ein sehr gemütlicher alter Herr. Auch beim Examen.<br />
Jovial, gerne einen Witz machend. Verlangt aber Beifall durch Lachen. Hat in der Jugend<br />
schwere Zeiten durchgemacht. Vater früh verloren. Mit 28 Jahren geheiratet,<br />
reiches Mädchen. Die Frau vor acht Jahren gestorben. Sein Sohn, ein Elegant, wohnt in<br />
Paris, verbraucht Vaters Geld gründlich. Der alte Professor geht gerne <strong>zum</strong> Abendschoppen,<br />
trinkt Bier, ich sehe ihn vor einem großen Humpen sitzen. Ist sonst ein<br />
tüchtiger Mathematiker und vorzüglicher Architekt, hat jetzt einen großen Staatsbahnhof<br />
im Bau. Der Schädel ist breit, besitzt starken Intellekt. Er liebt Musik, besonders<br />
Wagner, philosophiert gerne. Liest auch Weiße Fahne. Religiöses Streben vorhanden,<br />
doch nicht stark ausgeprägt. Ehrlich, offen, wahr, im Sinnenleben beherrscht,<br />
das Ganze eine starke Persönlichkeit, suggestiv, freundlich, das Gute im Menschen<br />
suchend und voraussetzend. Ein durchaus sympatischer Mensch, Sanguiniker.<br />
Meine Klarsieht hat das Richtige ergeben.<br />
Ein anderes Beispiel!<br />
In einer Gesellschaft von Freunden wurde mir ein neutraler, verschlossener Briefumschlag<br />
übergeben. Nach Konzentration und Atmen sah ich eine blasse Schrift, die der<br />
meinen ähnelte (ich schreibe immer mit Bleistift). Dann erschaute ich einen Mann, der<br />
mir den Rücken zudrehte. Auf einmal wandte er den Kopf und ich sah mein eigenes<br />
Gesicht mir freund-
lich und ermunternd zuwinken. Dann sah ich, wie mein Mund etwas sprach, ungefähr<br />
etwa »Sei doch nicht so dumm!« Ich sagte dann laut: Ich bin es selbst, es ist ein Brief<br />
von mir.<br />
Es stimmte.<br />
<strong>Hellsehen</strong> nach verschlossener Photographie.<br />
Mir wird durch einen Freund ein verschlossener Briefumschlag überreicht. Den Inhalt<br />
kenne ich nicht. Nach Entspannung, Atmung, Konzentration, schweige ich längere<br />
Zeit, weil es mir nicht gelingt, das Vorstellungsbild einer Person zu erfassen. Jedesmal,<br />
wenn ich das eine Bild festzuhalten vermeinte, kommt ein anderes Gesicht dazwischen.<br />
Schließlich kommt die Erleuchtung und ich spreche: Eine Photographie, zwei<br />
Personen darstellend. Zwei Frauen, die blonde mit Bubikopf ungefähr 30 Jahre, die<br />
dunkle mit geflochtenem Haar 24 Jahre alt. Die Frauen sind Schwestern. Die Blonde<br />
klein und dick, die schwarze schlank. Die Blonde verheiratet, ich sehe Ehering am<br />
Finger, die Schwarze ledig, sie zeigt mir einen Siegelring mit rotem Stein. Die Blonde<br />
hat einen recht eigensüchtigen Charakter, außerordentlich triebhaft, egoistisch, geizig,<br />
eitel, hemmungslos, zudringlich, das Geltungsbedürfnis ist bei ihr stark entwickelt. Sie<br />
ist unwahr, falsch. Vor Verkehr mir ihr ist zu warnen. Die <strong>Du</strong>nkle ist fröhlicher Natur,<br />
etwas leichtsinnig, aber gutherzig, zu gutherzig. Sie trinkt gern Wein, raucht viel, ißt<br />
wenig. Kleidung sehr elegant, ist eitel, furchtsam, manchmal schnippisch, ohne tieferen<br />
Gehalt und ohne Suchen nach Verinnerlichung. Offen, ehrlich, manchmal zu ehrlich,<br />
insbesondere im Bekennen ihrer Triebe Männern gegenüber. Das Mädchen hat den<br />
Keim einer schweren Lungenkrankheit in sich. Man sollte sie warnen, sonst muß sie in<br />
14 Monaten sterben.<br />
In 14 Monaten starb sie.<br />
<strong>Hellsehen</strong> eines verschlossenen Bildes.<br />
Es wird mir eine in Papier gewickelte Rolle überreicht. Ich lege sie nach Entspannung<br />
und konzentrierter Einstellung auf die Stirn. Ich sage nach kurzer Zeit aus: Der Inhalt<br />
der Rolle stellt eine Zeichnung dar. Der Zeich-<br />
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ner selbst ist gestorben vor ungefähr 30 Jahren. Er war ein Mann mit Knebelbart,<br />
graumeliert, trug Brille. War klein von Natur und untersetzt. Er hatte etwas knochige<br />
und knorplige Hände. Er war berühmter Maler und ebenso berühmter Bildhauer. Ich<br />
sehe sehr schöne Marmorbildnisse, aber auch schöne Gemälde, etwas eigenartig allerdings.<br />
Der Mann war jähzornig, sehr ehrgeizig, konnte schroff werden, konnte zu<br />
Freunden aber auch sehr gemütlich sein. Außerordentlich offener, wahrheitsliebender<br />
Mensch. Er schwieg aber viel. Die Zeichnung, die ich auf dem Kopfe habe, stellt tanzende<br />
Frauen dar. Es sind vier Frauen – oder auch fünf – ja, es sind fünf. Sie machen<br />
lachende Gesichter. Von einer kann ich das Gesicht nicht sehen. Er hat die Rückseite<br />
der Frau gemalt. Ich sehe den Maler wieder, er legt den Finger auf den Mund, ich soll<br />
nichts mehr sagen.<br />
Wie es sich später herausstellte, handelte es sich um eine Zeichnung von Max Klinger.<br />
<strong>Hellsehen</strong> nach einem verborgen getragenen Gegenstand.<br />
Ich werde gefragt, ob ich versuchen wolle, einen verpackten Gegenstand hellzusehen<br />
und den Charakter des Trägers dieses Gegenstandes zu schildern. Als ich bejahte,<br />
gehen einige Personen ins Nebenzimmer, um den Gegenstand zu verpacken. Derweilen<br />
entspanne ich mich, schließe die Augen, atme rhythmisch. Plötzlich sehe ich alles<br />
und spreche: Was Sie da verpacken, ist ein Amulett in Form eines grünschillernden<br />
Käfers mit goldenen Beinen. Es befindet sich eine goldene Kette daran. Das Amulett<br />
trägt außerdem auf der Innenseite eine indische Inschrift. Ich kann sie aber nicht<br />
lesen, sie ist sehr klein. Es wurde im Jahre 1629 von einem hinduistischen Goldschmied<br />
angefertigt, von einem Kind getragen, das aber mit 12 Jahren starb. Dann lag<br />
es lange ungetragen. Im Jahre 1852 kam es nach Frankreich, wurde von einer schönen,<br />
jungen Frau getragen, 1870 erbte das Amulett ein Engländer, der es 1882 einer deutschen<br />
Dame <strong>zum</strong> Geschenk machte. Nachdem diese 1911 gestorben, liegt das Amulett<br />
in diesem Hause in B. Die letzte Trägerin war, als sie das Amulett <strong>zum</strong> Geschenk erhielt,<br />
ein Mädchen von 22 Jahren. Es hat viel Herzeleid durchgemacht, heiratete 1889<br />
einen Pastor, bekam fünf Kinder, von denen vier starben. Die Dame
wurde sehr krank und starb 1911 an Krebs. Sie war gutmütig, sehr religiös und fromm,<br />
immer opferbereit. An ihrem Sohn hatte sie Freude.<br />
Die Angaben stimmten.<br />
<strong>Hellsehen</strong> durch Hören von Schritten.<br />
Man bittet mich, den Versuch zu machen, durch Hören von Schritten hellzusehen.<br />
Zwei Zimmer nebenan befindet sich die zu beurteilende Person, das Hören der Schritte<br />
wird durch das halbe öffnen der Zimmertüren bewerkstelligt. Ich bestimme, daß die<br />
betreffende Person, die ich nicht kenne, genau eine Minute im Zimmer auf- und abgehen<br />
solle. Es tritt aufmerksames Schweigen ein; ich lege mich auf das Schlafsofa, entspanne<br />
mich, atme und lausche den Schritten konzentriert. Die Schritte haben aufgehört,<br />
ich behalte den Klang mit scharfem Gedächtnis in den Ohren. Plötzlich sehe ich<br />
die Füße einer Dame schreiten, es dauert nicht lange, so entwickelt sich in meiner<br />
Vorstellung das Gesamtbild der Frau. Die Gedankenbilder überstürzen sich, so daß ich<br />
große Aufmerksamkeit anwenden muß, um alles klar zu schildern. Ich sage aus: Frau,<br />
32 Jahre alt, hochgewachsen, blond, blaue Augen, mit traurigem Ausdruck im Gesicht.<br />
Das Antlitz weist edle Züge auf, aber auch Züge des Leids. Sie hat sehr viel durchgemacht,<br />
lebt von ihrem Manne geschieden, der sie betrogen und ihr beträchtliches<br />
Vermögen durchgebracht hat. Ihre kleinen Kinder sind ihr Trost. Sie trägt zur Zeit ein<br />
dunkelblaues Kleid mit Stickereien am Rock. Ihre Sinne sind zur Zeit sehr belastet, da<br />
sie blutarm ist und unter dem Druck der Verhältnisse nicht genügend Nahrungseinnahme<br />
stattfindet. Sie ist sehr opferbereit, religiös, offen, ehrlich, schweigsam, weint oft<br />
heimlich. Hat Hemmungen, kann ihre Gefühle nicht so <strong>zum</strong> Ausdruck bringen, wie sie<br />
gerne möchte. Sie ist sehr anlehnungs- und liebebedürftig. Sie hat ein Herz voller Liebe<br />
und könnte einen Mann sehr glücklich machen. Sie soll den großen, blonden Mann,<br />
der ihr die Hand <strong>zum</strong> neuen Lebensbunde bietet, ruhig heiraten. Sie kann sehr glücklich<br />
mit ihm werden. Sie wird in vier Monaten heiraten. Sie wird ein schönes Heim<br />
haben und noch einen Jungen und ein Mädchen bekommen.<br />
Nach dem Experiment kam ein blonder Mann auf mich zu und drückte mir warm die<br />
Hand. Sie heiratete ihn nach vier Monaten und der Junge ist inzwischen angekommen.<br />
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54<br />
Der Backenzahn.<br />
Man gibt mir ein Paket. Ich soll den Inhalt einer Charakterbeurteilung unterziehen.<br />
Nach der üblichen Entspannung und Konzentration sage ich aus: In dem Paket ist ein<br />
Zahn, ein Backenzahn. Zu ihm gehört ein länglicher Kinnbacken. Der Kinnbacken<br />
gehört zu einem Schwein, das in diesem Hause verspeist worden ist.<br />
Das Lachen der Anwesenden bestätigte mir die Richtigkeit meiner Angaben.<br />
<strong>Hellsehen</strong> von Geldstücken.<br />
Ich werde in ein Zimmer geführt, in dessen Mitte ein mit einer Tischdecke bedeckter<br />
Tisch steht. Man bedeutete mir, ich möge hellsehen, was unter der Tischdecke liege.<br />
Ich entspanne mich, breitbeinig stehend, und projiziere meine Gedanken auf den<br />
Tisch: Für einen Augenblick schließe ich die Augen, dann sehe ich deutlich, was sich<br />
unter der Tischdecke befindet. Ich gebe an: Unter der Tischdecke befinden sich ein<br />
Einmarkstück, ein Zweimarkstück, ein Dreimarkstück, ein Zehnmarkschein, eine englische<br />
Pfundnote, ein Hundertfrankenschein schweizerischer Währung und eine<br />
Kupfermünze von 5 Cents spanischen Geldes. Dann sage ich: die Kupfermünze liegt<br />
hier, das Einmarkstück dort usw. Jedesmal zeige ich über der Decke die genaue Lage<br />
des unter der Tischdecke liegenden Geldstückes.<br />
Da meine Aussage das Richtige getroffen, wurde ich gebeten, noch einmal das Zimmer<br />
zu verlassen. Nach meinem Wiedereintritt sagte man mir, ich möge jetzt noch einmal<br />
hellsehen, was unter der Tischdecke sei. Ich hielt einen Augenblick lang meine Hände<br />
über die Tischdecke, dann sagte ich: Es hat sich nicht viel verändert. Die Münzen sind<br />
mit Ausnahme des Dreimarkstückes alle noch da. Und zwar liegt jetzt das Einmarkstück<br />
hier, das Zweimarkstück da, die Pfundnote dort usw. Wieder bezeichnete ich mit<br />
den Händen die genaue Lage des Geldes. Das Experiment war vollkommen gelungen.
Wie sieht es jetzt bei mir zu Hause aus?<br />
fragte mich ein Herr, der zufällig bei einem Experiment, das ich in einer mir bekannten<br />
Gesellschaft ausführte, etwas spöttisch. Da ich gar keine Ahnung hatte, wer der Herr<br />
war und auch nicht wußte, in welcher Stadt und welcher Straße er wohnte, konzentrierte<br />
ich mich nach der üblichen Entspannung und Atmung auf das Unterbewußtsein<br />
des Betreffenden. Nachdem ich die Augen geschlossen hatte, sah ich eine schöne Villa<br />
in der Nähe einer schönen Stadt. Sie lag tief in einem Garten. Ich sagte aus: Ich sehe<br />
eine Villa aus grauem Sandstein. Sie liegt in einem Garten, in dem vor dem Hause ein<br />
sehr schönes Blumenbeet gepflanzt ist. Die Blumen haben rote und blaue Farbe. Der<br />
Eingang ins Haus liegt an der linken Seite. Die Tür steht offen. Es scheint aber niemand<br />
im Haus zu sein, denn es ist sehr still.<br />
Als ich sagte, die Tür stehe offen, sprang der Herr erregt auf, fuchtelte mit den Händen<br />
in der Luft und rief, das könne nicht möglich sein. Seine Frau sei verreist, sein Personal<br />
sei in den Ferien, und nur der Gärtner passe auf die Wohnung auf. – Ich stellte mich<br />
nochmal ein, konzentrierte mich scharf, besah mir vor allem die Haustür. Sie stand<br />
weit offen. Ich sagte daher: Die Tür steht offen. Ich sehe es nicht anders. Aber ich<br />
werde jetzt in das Haus eintreten und nachsehen, ob was Besonderes vorgefallen ist.<br />
Vorn im Vestibül befinden sich zwei Klubsessel aus braunem Leder, ein runder Tisch,<br />
ein weißer Korbsessel. Ein Teppich steht aufgerollt in der Ecke vor einer Tür, die ebenfalls<br />
offen steht. Das Zimmer, in das ich eintrete, ist ein Eßzimmer. Der Teppich ist dort<br />
ebenfalls aufgerollt. Er steht neben dem Büfett. Das Büfett ist gebraucht worden, die<br />
Schranktüren sind geöffnet. Überhaupt sieht es sehr unordentlich und wüst in dem<br />
Zimmer aus. Sämtliche Schubladen des Büfetts und auch des stummen Dieners sind<br />
aufgezogen. Alles liegt durcheinander. Tische und Stühle sind verrückt. Im Nebenzimmer<br />
sehe ich zwei elegant aussehende Männer stehen, sie packen mit Hilfe eines<br />
sehr bösartig aussehenden Mannes (karierte Mütze, rotes Gesicht, struppiges Haar,<br />
klein, untersetzt) Silberzeug in einen Korb. Mir scheint, Diebe sind eingedrungen in Ihr<br />
Haus, mein Herr.<br />
Weitere Ausführungen wartete der Herr nicht ab. Er stürmte aus dem Zimmer. Am<br />
andern Tage erhielt ich die Nachricht, daß Diebe in die Wohnung des betreffenden<br />
Herrn gedrungen seien und alles Silberzeug hätten mitgehen heißen.<br />
Meine Aussagen stimmten.<br />
55
56<br />
Rechnen im nicht überlegenden Zustand.<br />
Können Sie hellsehend rechnen? fragte man mich. Ich bejahe. Man bringt mir darauf<br />
eine Kolumne von 20 untereinanderstehenden zehnstelligen Zahlen. Ich präge mir das<br />
Gesamtbild der untereinanderstehenden Zahlen bzw. der Zahlenreihe ein. Dann<br />
schließe ich einen Augenblick lang die Augen, ergreife den Bleistift, ziehe einen Strich<br />
unter die Zahlenreihe und schreibe das Ergebnis sofort bedenkenlos hin.<br />
Die Prüfung ergab die Richtigkeit meiner Schau. Es ist hierbei zu beachten, daß man<br />
unter keinen Umständen versuchen soll, wirklich zu rechnen. Sondern es gilt das<br />
Resultat zu sehen und dann sofort hinzuschreiben. Nur nicht überlegen, ob es auch<br />
wohl richtig sei! Denn dann kommt Unsinn heraus.<br />
Mir wird darauf eine Wurzelrechnung vorgelegt. Es ist eine fünfte Wurzel zu ziehen.<br />
Man sagt mir, man habe das Resultat deswegen nicht jetzt schon ausgerechnet, damit<br />
mein sogenanntes Rechnen nicht ein Lesen im Unterbewußtsein würde. Ich entspanne<br />
mich, konzentriere mich, schließe die Augen und lese sofort das Resultat. Ich schreibe<br />
es hin. Nach langwierigem Ausrechnen mit der Logarithmentafel wird festgestellt, daß<br />
meine »Ausrechnung« stimmt.<br />
Ich möchte hinzufügen, daß ich während meiner Schulzeit in Mathematik immer<br />
kaum genügend oder mangelhaft hatte.<br />
<strong>Hellsehen</strong>des Zeichnen.<br />
Man reicht mir in geschlossenem Briefumschlag eine Zeichnung (ich konnte immer<br />
gut zeichnen), mit der Bitte, sie hellsehend nachzuzeichnen. Ich entspanne mich, atme<br />
tief und lang, konzentriere mich ganz auf die im Umschlag liegende Zeichnung und<br />
sehe nach geraumer Zeit – es dauerte diesmal etwa eine Minute – eine kleine Landschaft,<br />
die aber nicht gezeichnet, sondern gedruckt ist. Ich gebe dieser Schau Ausdruck,<br />
man bestätigt mir, daß ich richtig sähe. Ich setze mich hin und zeichne die von<br />
mir im Bewußtsein festgehaltene Landschaft auf. Es dauert etwa im ganzen eine<br />
Stunde, bis ich fertig bin.
Ein Vergleich ergibt, daß die Zeichnung mit dem Druckbild in den Hauptlinien übereinstimmt.<br />
Kleinere Abweichungen bestehen in der Schattierung und in Bezug auf die<br />
Form des Waldes und eines im Hintergrunde befindlichen Höhenzuges. Das Experiment<br />
ist gelungen.<br />
<strong>Hellsehen</strong>des Schreiben.<br />
Eine Dame möchte wissen, was der Brief enthalte, den sie diesen Morgen vom Bräutigam<br />
erhalten habe. Als ich die Bitte ausspreche, sie möge mir den Brief in einem neutralen,<br />
geschlossenen Umschlag übergeben, fragte sie, ob es nicht möglich sei, die Wiedergabe<br />
dieses Briefes so vorzunehmen. Der Brief sei in ihrer Tasche, die sie hier bei<br />
sich trage. Ich sage zu, es zu versuchen. Nach üblicher Entspannung und Konzentration<br />
nehme ich ein Blatt Papier und schreibe schnell und leicht den gesamten Inhalt<br />
des Briefes hin, dessen Text ich deutlich, in der Handschrift des Mannes, vor mir geschrieben<br />
sehe. Ich brauche also nur abzuschreiben. Dazwischen taucht zuweilen das<br />
Bild des betreffenden Mannes vor mir auf, den ich der Dame während des Schreibens<br />
schildere. Aus der Schilderung erkennt sie ihren gewesenen- Bräutigam, denn sein<br />
Brief ist ein Absagebrief.<br />
<strong>Hellsehen</strong>des bezw. hellhörendes Sprechen fremder Sprachen<br />
Ich spreche sieben Sprachen. Das bedeutet aber nicht, daß ich auch die Muttersprache<br />
aller lebenden Sprachen, das Sanskrit, spreche. Denn die ist schwer zu lernen. Während<br />
einer mediumistischen Sitzung mit Fräulein S. als Medium, fing diese plötzlich an,<br />
Sanskrit zu sprechen. Und zwar sehr fließend und zuerst etwas zänkisch. Um sie zu<br />
beruhigen – sie war sehr aufgeregt –, konzentriere ich mich auf ihr Unterbewußtsein,<br />
und plötzlich höre ich und sehe ich, wie an der Wand geschrieben, zu gleicher Zeit die<br />
Antworten, die ich Fräulein S. erteilen kann. Es war gutes, fließendes Sanskrit. Ich<br />
versuche es, bewußt zu sprechen. Es klappt. Ich spreche fließend und geläufig Sanskrit,<br />
das ich nicht vollständig beherrsche.<br />
Das Merkwürdige war, daß ich kraft meines scharfen Gedächtnisses alles behielt, was<br />
ich gesprochen, während Fräulein S. nach dem Erwachen aus<br />
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58<br />
der Halbtrance gar nicht wußte, daß sie eine fremde Sprache gesprochen hatte. Ich<br />
habe die damals gesprochenen Sätze oft wiederholt und weiß sie auch heute noch. Ich<br />
kann sie also jedem, der es wünscht, wiederholen.<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Kopfuhr zu jeder Tageszeit.<br />
Nicht allein nachts, wo es viele können, wenn sie aus dem Schlaf geweckt werden, sage<br />
ich die genaue Tageszeit auf die Minute, sondern auch zu jeder Stunde des Tages. Ich<br />
konzentriere mich einfach einen Augenblick lang, schaue nach innen und spreche<br />
dann ohne irgendwelche Überlegung die Zeitangabe aus. Ich trage seit 25 Jahren keine<br />
Uhr, bin noch nie zu spät <strong>zum</strong> Zug gekommen und weiß auch immer, wieviel die Uhr<br />
geschlagen hat. Selbst im Urwald wußte ich stets die genaue Tageszeit. Ich schaute<br />
einfach in mich hinein. Dann wußte ich Bescheid. Vieltausendfache Prüfungen, die<br />
meine Mitmenschen mit mir in dieser Beziehung vornahmen, haben die Richtigkeit<br />
meiner Angaben bestätigt. Heute fragen meine Freunde, die mich genau kennen, mich<br />
nach der Tageszeit, wenn sie eilig sind oder <strong>zum</strong> Zug müssen. Sie wissen, daß ich die<br />
Bahnzeit immer genau »im Kopfe« habe.<br />
<strong>Hellsehen</strong>des Lesen von Büchern.<br />
Man legt ein Buch neben mich. Es ist ein Roman von Krischanowski. Ich habe ihn<br />
noch nicht gelesen. Ich werde gebeten, zu versuchen, ob es mir gelinge, einen Teil der<br />
Seite 152 zu lesen, ohne das Buch zu öffnen. Wieder entspanne im mich gründlich,<br />
mache einige Minuten lang rhythmische Atmungen und konzentriere mich auf die<br />
genannte Seite des neben mir liegenden Buches. Langsam erscheint vor meinem inneren<br />
Auge die Seite des Buchs, die ich konzentriert und mit aller mir zur Verfügung<br />
stehenden Aufmerksamkeit festhalte. Langsam und deutlich rückt die gedruckte Seite<br />
des Buches ins Licht und ich kann schon einige Buchstaben entziffern. Es dauert<br />
ziemlich lange, ehe ich es vermag, das erste Wort der Seite zu entziffern (ich schätze<br />
etwa eine Viertelstunde), doch ich lasse das Bild nicht los. Ich fange nun an, langsam<br />
zu lesen. Nach dem vierten oder fünften gelesenen Wort
wird die Schrift in meinem Innern plötzlich klar, und rasch gelingt es mir, die Seite<br />
fließend zu lesen.<br />
Das Experiment gelang.<br />
<strong>Hellsehen</strong>des Lesen von Briefen.<br />
Ein Herr bat mich, einen Brief zu lesen, der auf dem Schreibtisch liege, der im zweiten<br />
Zimmer entfernt von dem Zimmer, in dem ich saß, stehe. Er habe vor einer Stunde den<br />
Brief geschrieben. Nachdem ich gründliche Atemübungen vorgenommen, mich entspannt<br />
und ausgiebig konzentriert habe, erscheint vor meinem inneren Auge ein<br />
Schreiben. Ich fange an, es laut zu lesen. Es enthält eine geschäftliche Auseinandersetzung<br />
mit einer bekannten Firma. Als ich fertig bin, schüttelt der Herr den Kopf und<br />
sagt, daß dies nicht der Brief sei, den er meine. Das Schreiben, das ich vorgelesen, sei<br />
vor einer Stunde zur Post gebracht worden. Trotzdem fühlte er sich bemüßigt, mich<br />
wegen meiner fabelhaften Tätigkeit des <strong>Hellsehen</strong>s zu belobigen. Denn der von mir<br />
vorgelesene Brief entspreche tatsächlich dem Inhalt des Briefes, den er zur Post gegeben<br />
habe. Ich stellte mich nochmals ein, sehe aber kein anderes Schreiben als das<br />
Vorgelesene. Ich sage dem Herrn, daß auf seinem Schreibtisch nur das geschäftliche<br />
Schreiben liege. Er eilt in das betreffende Zimmer, findet das geschäftliche Schreiben<br />
dort und ruft entsetzt aus: »Nun habe ich doch den Brief für meine Frau an die Firma<br />
geschickt!«<br />
Hellseh-Diagnose bei Kranken.<br />
Diese Art der Diagnose gebrauche ich seit vielen Jahren in meiner ausgedehnten Praxis<br />
und habe damit stets großen Erfolg. Kommt ein Kranker zu mir und klagt über<br />
Schmerzen usw., so bitte ich ihn, sich auf ein Liegesofa zu strecken. Ich entspanne<br />
mich dann gänzlich, atme einigemale und konzentriere mich auf das Unterbewußtsein<br />
des Kranken. Ich sehe dann während der inneren Schau genau die kranken Körperteile,<br />
sehe ihre Anschwellungen und Verletzungen etc. Ich sehe sie vor mir, wie ich<br />
alles während der klaren Schau erblicke. Im völlig nichtüberlegenden Bewußt-<br />
59
60<br />
seinszustand sage ich dann dem Kranken seine Leiden, ohne daß dieser sich auch nur<br />
einen Augenblick bezüglich der Schilderung seines krankhaften Zustandes zu bemühen<br />
braucht. Ich sehe auch genau, ob er operiert wird, sage ihm den Tag und die<br />
Stunde seiner Operation, sage ihm, wann er wieder aufstehen darf u.a.m. Aber auch<br />
die sonstigen Möglichkeiten der Heilung sage ich ihm. Unter diesen Arten der Heilung<br />
nimmt natürlich die Suggestion und der Magnetismus den ersten Platz ein. Will ich bei<br />
besonders schwer Erkrankten mir bezüglich der Krankheit noch ein Bild machen, so<br />
gebe ich mir den Gedanken: Ich bin der Kranke. – Ich tue dies im allgemeinen nicht<br />
gern deswegen, weil ich während des nun folgenden Bewußtseinszustandes genau die<br />
gleichen Schmerzen empfinde wie der Kranke. Ich habe aber auf diese Weise eine<br />
vorzügliche Selbstkontrolle meiner hellsehenden Diagnose. Ich kann dann dem Kranken<br />
genau sagen: Da und dort tut es Ihnen weh. Hier, wo Sie Schmerzen zu empfinden<br />
meinen, ist die Sache nur ein Reflex von einem weit entfernt liegenden Organ her. Aber<br />
ich habe auch die Möglichkeit zu kontrollieren,, ob der Kranke nicht die Wahrheit<br />
sagt, was besonders bei Hypochondern leicht vorkommt. So habe ich vor kurzem einem<br />
Manne gesagt, der behauptete, Blinddarmreizung zu haben, daß er die Schmerzen<br />
durch eine vernachlässigte Geschlechtskrankheit bekommen habe. Ich habe ihn<br />
dann, laut Gesetz, fortgeschickt zu einem Arzt, von dem ich wußte, daß er den Mann in<br />
die richtige naturgemäße Behandlungsweise nehmen würde. – Ich versage es mir,<br />
Sonderbeispiele für meine Hellsehdiagnosen hier anzuführen. Das Gesagte dürfte<br />
genügen, um dem Leser ein Bild von den Fähigkeiten zu geben, die der Hellsehschüler<br />
bewußter Art sich durch Übung erwerben kann.<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Wetterprognose.<br />
Meine Freunde wissen, daß ich das Wetter auf Wochen und Monate klar und richtig<br />
voraussage. Deshalb fragen sie mich stets, wann sie in die Ferien gehen sollen usw.<br />
Hierfür einige Beispiele.<br />
Im Frühjahr 1929 ließ der Lenz lange auf sich warten. Eine meiner Bekannten (Gutsbesitzerin)<br />
wartete sehr auf schönes Wetter. Erstens ihres Gesundheitszustandes,<br />
zweitens ihrer Saat wegen. Es war an einem Apriltage. Regen, Schnee und Hagel wechselten<br />
in lieblicher Reihenfolge einander
ab. Eiskalter Wind wehte. Ich wurde gefragt, wann es schönes Wetter gebe. Ich schloß<br />
die Augen für einen Augenblick, atmete tief und sagte ohne Überlegung: Am Samstag<br />
in einer Woche hört es auf zu regnen. Es wird einige Tage neblig sein. Am Dienstag in<br />
acht Tagen wird das Wetter glänzend schön sein. Es wird dazu eine angenehme Wärmezeit<br />
eintreten. Dann ist der Frühling da.<br />
Genau wie ich vorausgesagt, traf es ein.<br />
Im Herbst 1926, nach einem sehr schlechten und nassen Sommer, fragte man mich,<br />
wann es wohl wieder einen guten Sommer geben würde. Ohne zu überlegen, antwortete<br />
ich nach kurzer Konzentration: Der Sommer 1927 wird feucht und kalt, erst im<br />
Sommer 1928 wird richtiger Sommer eintreten. Im Juli des Jahres 28 wird es vor Hitze<br />
kaum auszuhalten sein. Diejenigen, die dieser Aussage beiwohnten, werden sich beim<br />
Lesen dieser Zeilen erinnern.<br />
Die Wetterprognosen werden so vorgenommen, daß der Hellseher sich auf <strong>Hellsehen</strong><br />
und eventuell auch auf Hellhören zu gleicher Zeit einstellt. Er wird bei seiner Konzentration<br />
sich die Landschaft, in der er sich gerade befindet, mit schönem Wetter vorstellen.<br />
Die Zeitangabe kann durch einfache Gedanken hochkommen. Diese werden dann<br />
überlegungslos sofort ausgesprochen. Es kann aber auch sein, daß seine innere<br />
Stimme sich meldet und er die Vorauskündigung des Wetters hört. Der Hellseher muß<br />
eben ganz konzentriert sein und aufpassen auf jeden Gedanken, jede Vorstellung,<br />
jedes Bild, jede Stimme.<br />
<strong>Hellsehen</strong> von Erdbeben.<br />
Wenn Erdbeben irgendwo auf der Erde stattfinden, erlebe ich sie fast immer mit. Dieses<br />
Erleben geschieht bei mir spontan und ist zurückzuführen auf die durch Übung<br />
äußerst membranhaften Nerven. Ein Beispiel hierfür.<br />
Ich sitze abends in einer recht fröhlichen Gesellschaft. Wir unterhalten uns über die<br />
verschiedensten Dinge, denken sicher nicht an Erdbeben. Plötzlich fühle ich in meinem<br />
Solarplexus ein leises Zittern. Ich kann es mir nicht sofort erklären, schließe die<br />
Augen, konzentriere mich auf das Geschehen. Sofort sehe ich einstürzende Häuser,<br />
fliehende Menschen, Feuer und Blitze<br />
61
62<br />
in der Luft. Die Erde reißt, heißes Wasser schießt hoch. Ich bin sehr erschreckt und<br />
sage sofort laut: Es ist augenblicklich in größerer Entfernung von hier ein furchtbares<br />
Erdbeben. Es ist eine große Katastrophe. Meine Freunde ringen an zu lachen und<br />
meinten, ich habe Halluzinationen. Ich sagte: Bitte sehen Sie auf die Uhr. Es ist jetzt<br />
11.35 Uhr abends. Merken Sie sich bitte die Zeit. – Am anderen Tage, nachmittags 4<br />
Uhr, kam zwischen den Radioberichten folgende Meldung: Gestern abend um 11.35<br />
Uhr registrierte der hiesige Seismograph ein sehr heftiges Erdbeben in einer Entfernung<br />
von ungefähr 3000 Kilometern.<br />
Am anderen Tage berichteten die Zeitungen über ein heftiges Erdbeben, das in Chile<br />
stattgefunden habe. – So geschehen im Dezember 1927.<br />
Vor einiger Zeit saß ich zu Tisch im Hause eines bekannten Gelehrten. Während der<br />
Mahlzeit spürte ich plötzlich wieder das zitternde Etwas im Solarplexus. Und weil ich<br />
gerade beim Essen war, wurde es mir regelrecht übel. Ich schloß die Augen und sah<br />
wieder brennende Häuser, einstürzende Gebäude usw. Nur war die Gegend eine andere.<br />
Am anderen Morgen wurde über ein Erdbeben berichtet, das in Japan stattgefunden<br />
und starke Verheerungen angerichtet hatte.<br />
Auch Sturmfluten, Tornados und Taifune erlebe ich auf gleiche Weise mit.<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Entdeckung von verlorenen, versteckten oder gestohlenen<br />
Gegenständen.<br />
Mir wurde eine kleine Muschel gezeigt. Es wird mir bedeutet, sie würde versteckt. Ich<br />
möchte den betreffenden Ort ausfindig machen. Ich schließe die Augen, atme und<br />
konzentriere mich. Sofort tritt ein Bild ein, und noch ehe die Muschel an dem Ort des<br />
Versteckes untergebracht worden ist, sage ich: Sie brauchen sich nicht zu bemühen.<br />
Sie verstecken die Muschel im dritten Zimmer von hier aus in einer alten Schuhschachtel,<br />
die dort auf dem Nußbaumkleiderschrank steht.<br />
Es war richtig.
Eine Nadel, blaufarben, sei in diesem Zimmer versteckt, so sagte man mir; ob ich den<br />
Ort bestimmen könne. Nach Entspannung, Atmung, Konzentration sehe ich eine<br />
dunkle Übergardine. Unten an der linken Seite, in der Nähe des dicht dabeistehenden<br />
Schreibtisches sehe ich sie stecken. Ich sage demgemäß aus. Man bestätigt mir, daß<br />
ich richtig gesehen.<br />
Einer Dame war während des Spazierganges eine Schildpatthaarspange abhanden<br />
gekommen, die sie sehr vermißte. Um ihr zu helfen, konzentrierte ich mich auf diese<br />
Spange, die ich schon einmal an ihr gesehen hatte. Nach Ausübung der üblichen Vorbedingungen<br />
gab ich an: Ich sehe die Haarspange eine Viertelstunde von hier entfernt<br />
an einer Mauer eines Hauses am Rhein liegen. Bitte gehen Sie von hier aus am Fluß<br />
entlang bis <strong>zum</strong> Hotel X., von dort aus führt ein schmaler Pfad rechts landeinwärts; vor<br />
der Mauer des zweiten Hauses, das dort steht, müssen Sie an derjenigen Stelle suchen,<br />
an der etwas Efeu über die Mauer hängt. Genau senkrecht darunter liegt die Spange<br />
auf der Erde.<br />
Die Dame gelangte wieder in den Besitz ihrer Haarspange.<br />
Einem mir gut bekannten Manne war ein Gartenschlauch gestohlen worden. Er kam<br />
zu mir und bat mich, ob ich ihm helfen wolle, den Schlauch wieder zu erhalten. Ich<br />
ging mit ihm an die Stelle, wo gewöhnlich der Schlauch aufbewahrt wurde, hielt meine<br />
Hände über das Gestell, wo er sonst hing, schloß die Augen und sah kurz darauf ein<br />
kleines Holzhaus, mitten im Garten liegend. Ich verfolgte nun den Weg von diesem<br />
Haus zurück bis an die Stelle, wo ich stand. Danach wußte ich, in welcher Himmelsrichtung<br />
ich das Haus zu suchen hatte. Ich machte mich mit meinem Bekannten auf<br />
den Weg, es dauerte etwa eine halbe Stunde, als ich an der richtigen Stelle ankam.<br />
Alles war so, wie ich es gesehen. Wir gingen ruhig in den Garten, sahen einen Mann<br />
arbeiten und nicht weit davon erkannte mein Bekannter seinen Schlauch auf der Erde<br />
liegend. Mit den Worten: »Ach, Sie erlauben wohl«, hob mein Bekannter seinen<br />
Schlauch auf und trug ihn fort. Der im Garten arbeitende Mann erbleichte, faßte sich<br />
aber und ließ es ruhig geschehen. Er sah, daß er entdeckt war. Ich nahm meinem Bekannten<br />
als einzige Belohnung für meine Mühewaltung das Versprechen ab, keine<br />
Anzeige zu erstatten.<br />
Auch die Entdeckung von Quellen ist mir auf ähnliche Weise, wie vorher geschildert,<br />
also hellsehend, gelungen.<br />
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64<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Beobachtung von bekannten Personen.<br />
Eine mir eng befreundete Dame fragte mich eines Sonntags, als ich sie besuchte: Bitte<br />
willst du mir sagen, wo meine Schwester L. zur Zeit ist und was sie tut. Ich entspannte<br />
mich gründlich und konzentrierte mich auf Fräulein L., die ich ebenfalls sehr gut<br />
kannte. Ich hatte also ihr Bild sehr schnell, doch fehlte mir noch die Umgebung, also<br />
der Ort, an dem sie sich befand. Mit dem inneren Festhalten des Bildes von Fräulein L.<br />
wurde auch allmählich deren Umgebung klar und deutlich. Ich erkannte bald die<br />
Stadt, in der sie sich befand, dann sah ich die Straße und das Haus, dann das Zimmer.<br />
Ich sagte dann schnell hintereinander aus: Fräulein L. befindet sich in Essen, zur Zeit<br />
D'straße Nr. X. Das Haus ist modern gebaut, hat hübschen Eingang, die Wohnung ist<br />
auf der zweiten Etage. Dort befindet sie sich gerade beim Mittagessen. Sie trägt ein<br />
braunes Kleid, das ihr gut zu Gesicht steht. Sie haben auf dem Tisch Hähnchen und<br />
Kompott stehen. Jetzt spricht sie mit einem Herrn, der an ihrer Seite sitzt. Er ist dunkelhaarig,<br />
hat braune Augen und ist der Gatte der Frau, die auf der anderen Seite des<br />
Tisches sitzt. Fräulein L. sitzt mit dem Rücken nach dem Fenster. Rechts von ihr steht<br />
ein Klavier in der Ecke des Zimmers, aber überquer gestellt. Schräg gegenüber in der<br />
anderen Ecke steht eine weiße Wiege, in der ein Kind liegt und schläft. Jetzt nimmt sich<br />
Fräulein L. vom Hähnchen etwas, dann Kartoffeln, der Herr neben ihr macht einen<br />
Witz, sie lacht. Sie essen, unterhalten sich lebhaft. Jetzt hält sie die Hand vor die Augen<br />
und betrachtet ein auf der Wand vor ihr hängendes Bild. Es wird sehr lebhaft um eine<br />
Sache diskutiert. Auch die andere Frau nimmt lebhaft an der Unterhaltung teil.<br />
Nach einigen Stunden fragte mich meine Freundin nochmals, was jetzt ihre Schwester<br />
mache. Ich stellte nach Herbeiführung der Konzentration fest, daß sich Frl. L. auf der<br />
Straße befand, mit Pelzmantel und braunem Hut bekleidet. Neben ihr zur Linken<br />
schritt der Herr, zu ihrer Rechten ging die Frau. Es war im dichtesten Menschengewühl<br />
vor einem Theater. Ich sah sie ins Theater eintreten und Billets lösen. Alles dies teilte<br />
ich meiner Freundin mit.<br />
Am anderen Tag traf sie mit ihrer Schwester zusammen. Es stellte sich heraus, daß<br />
meine Schau klar und richtig gewesen war.
Schau in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einer Person.<br />
Diese Schau ist das, was die meisten Menschen unter <strong>Hellsehen</strong> verstehen; sie ist<br />
leichter zu bewerkstelligen, als viele andere Dinge des bewußten <strong>Hellsehen</strong>s.<br />
Ein Herr kommt zu mir und bittet mich, ihm Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft<br />
zu sagen. Ich sehe ihn einen Augenblick an, schließe die Augen, atme tief, dann sage<br />
ich: Ihre Jugend war unruhevoll, Sie haben schon als Kind Not leiden müssen. Ihr<br />
Vater war Trinker, er schlug Sie viel, und einmal, als Sie sieben Jahre waren, mißhandelte<br />
er Sie furchtbar. Ihre Mutter haben Sie nicht gekannt, sie starb nach Ihrer Geburt.<br />
Mit acht Jahren bekamen Sie eine Stiefmutter, es ging Ihnen besser, sie wurden ruhiger,<br />
wurden auch besser gepflegt, besuchten das Gymnasium. Mit 12 Jahren blieben<br />
Sie in der Quarta sitzen. Es gab Krach, Sie kamen auf eine andere Schule mit Internat.<br />
Dort wurden Sie durch schlechte Kameraden zur Onanie verführt. Mit 20 Jahren bestanden<br />
Sie Ihr Abiturium, waren aber schon damals hypernervös. Sie besuchten die<br />
Universität, studierten Jura, wurden mit 23 Jahren hautkrank, machten eine schwere<br />
Kur durch. Vor zwei Jahren wurden Sie Beamter am Justizministerium. Vor 33<br />
Wochen haben Sie einen Selbstmordversuch unternommen. Sie schnitten sich die<br />
Pulsadern auf. (Der Herr springt bleich auf und zeigt auf seine Narben an den Armen.)<br />
Gegenwärtig sind Sie ruhiger. Ihre Stellung ist gut. Sie werden Sie aber in acht Monaten<br />
aufgeben, um dem Ruf Ihrer inneren Stimme zu folgen. Sie werden nach Indien<br />
fahren und dort Erlösung suchen und finden. Sie kehren nach fünf Jahren zurück,<br />
werden sich dann ganz der Sache des Veda in Wort und Schrift widmen und geistig<br />
ein sehr hochstehender Mensch werden. Sie werden viele Bücher schreiben und<br />
Großes leisten. Sie werden ein Alter von weit über siebzig Jahren erreichen und immer<br />
ziemlich gesund bleiben.<br />
So weit sich die Aussage kontrollieren ließ, stimmte alles.<br />
Ich befand mich in einer Gesellschaft. Baronin Y., eine sehr bekannte Dame der<br />
Großen Welt, war meine Tischdame. Wir kamen im Laufe des Gesprächs allgemein<br />
auf das Thema des <strong>Hellsehen</strong>s. Als Freifrau von J. von meinen Fähigkeiten erzählte,<br />
fragte Baronin Y. mich mit einem sar-<br />
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66<br />
kastischen Lächeln: »Nun, können Sie mir auch meine Vergangenheit und Zukunft<br />
sagen?« Ich antwortete: »Wenn Sie es wünschen, Baronin, sofort!«<br />
»Bitte jetzt nicht, vielleicht nachher«, dabei glitt wieder das sarkastische Lächeln über<br />
ihr Gesicht.<br />
Nach Tisch erzählte ich der Baronin ihre Vergangenheit bis ins einzelne. Sie lächelte<br />
nicht mehr.<br />
<strong>Hellsehen</strong>de Beobachtung fremder Personen, auch auf weite<br />
Entfernung.<br />
Einer meiner Freunde kommt zu mir und macht ein finsteres und nachdenkliches<br />
Gesicht. Nachdem ich ihn gefragt habe, was ihm fehlt, bekennt er mir, er mache sich<br />
Sorgen wegen seiner Braut. Sie sei in ihre Heimat gereist, habe seit Wochen nicht geschrieben.<br />
Er wisse nicht, was los sei und er bitte mich, wenn es mir möglich sei, doch<br />
einmal hellzusehen, was sie beginne. Ich bemerke hierzu, daß es an einem Sommerabend<br />
war, als mein Freund mich besuchte. Ich sagte ihm zu, es zu versuchen, er dürfe<br />
es mir aber nicht übelnehmen, wenn ich alles sagen werde, was ich sehe. Ich stelle<br />
mich ein, indem ich mich ganz entspanne, eine Zeitlang rhythmisch atme, und konzentriere<br />
mich auf das Unterbewußtsein meines Freundes. Es dauert längere Zeit, ehe<br />
ich das erste greifbare, d. h. deutlich plastische Bild erblicke. Ich mache folgende Aussage:<br />
Ich sehe eine Straße, die lauter Einzelhäuser enthält. Diese sind umgeben von<br />
Gärten. Es sind sehr viele Heckenzäune da. Jetzt stehe ich vor einem Eckhaus aus roten<br />
Ziegeln und herüberhängendem Dach. Es scheint aber eine schöne Villa zu sein. Statt<br />
des Heckenzaunes umgibt dieses Haus ein schmiedeiserner Zaun. Vor dem Eingang<br />
des Hauses ist ein Blumenbeet. Von der Querstraße her kommt ein Mann geschritten,<br />
er hat eine grüne Jägerjoppe an, besitzt schmales, gesundes Gesicht, über der Lippe<br />
kleiner, gestutzter, blonder Schnurrbart. Er ist hochgewachsen. Er hält vor dem Eckhaus<br />
und pfeift leise. Er steht und wartet. Jetzt geht er hin und her. Die Tür vom Hause<br />
öffnet sich, heraus tritt ein Mädchen im Alter von etwa 22 Jahren. Sie hat bleiches,<br />
schönes Gesicht, dunkle Augen, dunkles
Haar, die Flechten liegen seitwärts am Kopf. Sie ist von gutem Wuchs. Sie tritt aus dem<br />
Gartentor, begrüßt den Mann. Jetzt gehen die beiden die Straße hinunter. Sie benehmen<br />
sich wie alte Bekannte. Er faßt sie unter. Ich befinde mich hinter ihnen und gehe<br />
ihnen nach. Jetzt biegen sie am Ende der Straße um eine Ecke. Sie gehen durch hübsche<br />
Anlagen, die mit Birken und Tannen bepflanzt sind. Am Ende der Anlagen steht<br />
eine Kirche mit einem dicken, vierkantigen Turm, der aber kein Dach hat. Sie gehen<br />
um die Kirche herum und befinden sich in einer Heide, auf der viel Erika, Birken, Tannen<br />
stehen, sie gehen zusammen einen schmalen Pfad, biegen nach links in einen<br />
anderen Weg, der zu einem Walde führt. Sie gehen jetzt sehr langsam, er hat den Arm<br />
um sie gelegt. Jetzt stehen sie still. Er küßt sie lange. Sie läßt es geschehen. Es dauert<br />
sehr lange, dieses Küssen. Sie gehen noch ein Stück weiter. Sie will die Arme, die sie<br />
umspannen, lösen. Er hält sie fest. Er küßt sie leidenschaftlich. Sie läßt es willenlos<br />
geschehen. Nein, jetzt küßt auch sie und schlingt die Arme um ihn.<br />
Das Stöhnen meines Freundes läßt mich meine Tätigkeit unterbrechen. Ich bedaure<br />
schon, alles offen gesagt zu haben. Wir sitzen eine Viertelstunde im Schweigen. Dann<br />
fragt er wieder: Wo sind sie jetzt! Ich stelle mich ein. Ich antworte: Sie sitzen beide auf<br />
einer Bank in den Anlagen, halten einander die Hände. Ich sehe genau, der Mann ist<br />
eine Jugendbekanntschaft Ihrer Braut. Sie erheben sich und gehen langsam, miteinander<br />
sprechend, dem Hause zu. Sie verabschieden sich kurz, sie geht ins Haus, er winkt<br />
noch und geht die Straße hinauf. Sie tritt in den Hausflur, öffnet die zur Linken liegende<br />
Tür. Es ist ein Wohnzimmer. Tisch in der Mitte, zwei Sessel zur Seite, viel Bilder<br />
an den Wänden, Bücherschrank dunkel eichen, ebenfalls die Stühle. Eine ältere Frau<br />
sitzt am Tisch, handarbeitend. Sie spricht jetzt mit dem Mädchen. Dieses setzt sich<br />
ebenfalls an den Tisch, nimmt ein Buch zur Hand und liest.<br />
Mein Freund hat nach der Rückkehr seiner Braut ihr alles auf den Kopf zugesagt. Sie<br />
war völlig konsterniert, sprach von Spionage und derartigen Dingen, gab aber alles zu.<br />
Es kam dann aber nach sehr großer seelischer Zerknirschung eine Versöhnung zustande.<br />
Sie macht aber um den »Hellseher« einen großen Bogen und hat einen heillosen<br />
Respekt vor ihm.<br />
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Ich könnte noch viele Beispiele ähnlicher Hellseh-Experimente anführen, so u. a. die<br />
Beobachtung mir völlig fremder Personen in Amerika, Buenos Aires, Rio und anderen<br />
Ländern. Aber es würde zu weit führen. Wichtig bei diesen Experimenten ist die Tatsa che, daß mir das Unterbewußtsein der be i mir anwesenden Person oder ein verschlos-<br />
senes Schreiben der zu beobachtenden Person als radioartiger Empfänger dient.<br />
Das Erschauen von Wesenheiten Verstorbener bei mediumistischen<br />
Sitzungen<br />
vermag ich ebenfalls auf die gleiche Art zu vollbringen. Bei dieser Gelegenheit tritt der<br />
eigenartige Umstand ein, daß ich diese Wesenheiten nicht nur innerlich, sondern auch<br />
mit meinen leibhaftigen Augen sehe. Es vollzieht sich in den Sitzungen wahrscheinlich<br />
eine Projektion vom inneren <strong>zum</strong> äußeren Bild. Oder aber die feinnervigen, durch<br />
lange Übung geschärften Augen sehen die tatsächlich fluidale<br />
Wesenheit genau so,<br />
wie sie<br />
die magnetischen Strahlen und die Aura des Menschen<br />
erblicken. Ich bin mir selbst über diesen Vorgang noch nicht ganz klar, und es wird<br />
wohl noch längerer exakter Selbstbeobachtung bedürfen, ehe darüber Abschließendes<br />
gesagt werden kann.<br />
Zum Schlusse dieser Schrift möchte ich aber noch auf eine Art des <strong>Hellsehen</strong>s hinweisen,<br />
das auf<br />
Hervorrufung höherer Bewußtseinszustände<br />
zurückzuführen ist und das nur durch streng durchgeführte<br />
verwirklicht werden kann.<br />
Yoga-Praxis<br />
Dieses <strong>Hellsehen</strong> ist heiliger Natur und gewährt ein Schauen in höhere Welten; es ist<br />
eine Klarschau überaus glückhaften, von heiligem Brausen des
Höheren Selbstes durchfluteten Seins. Der Blick in das Jenseits, die hohe Verklärung<br />
gotterfüllten Daseins wird in uns zur vollkommenen Wirklichkeit Wir werden in die<br />
höchsten Ebenen des Bewußtseins emporgehoben und in der '<br />
schweigenden Versenkung<br />
des Yoga finden wir Den, der in uns wohnt und der der feste Grund unseres ewigen<br />
Lebens ist, den<br />
Christus,<br />
der sich in uns klar und rein offenbart. So wie der große, heilige Meister und Herr,<br />
Jesus, den Christus in sich vervollkommnete bis zur völligen Einswerdung mit der<br />
Gottheit, so können auch wir eins werden mit Ihm, der in uns wirkt und lebt und<br />
schafft:<br />
Gott!<br />
Wenn wir diesen Zustand des höchsten Bewußtseins erreichen so wird das Wort<br />
Wahrheit:<br />
Und das andere:<br />
Eure Jünglinge sollen Gesichte sehen.<br />
Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen!<br />
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