Neu!
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kolumne Liebesworte<br />
Lieschen schreibt ...<br />
Verstehen Sie Hochzeit<br />
Foto: Paola Cermak - Pink Pixel Photography<br />
G<br />
enau in dem Moment als meine Mutter am Telefon fragte:<br />
„Getting-waaahaas!“, war mir klar, dass die Zeit reif ist.<br />
„Getting-READY.“<br />
Fragende Stille am anderen Ende.<br />
„Da wird die Braut fertig gemacht.“<br />
„Aber wieso wird die Braut denn fertig gemacht!“ Außerordentliche<br />
Entrüstung schwingt durch die Leitung.<br />
„Nein, nein, also die Braut zieht sich an.“<br />
„Ach so, es geht um das Ankleiden. Sag das doch gleich!“<br />
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist Zeit dem „Denglisch“<br />
im Hochzeitsdeutsch ein wenig Einhalt zu gebieten.<br />
Nehmen wir mal die Isländer: Die versuchen so wenig Fremdwörter<br />
wie möglich in ihre Sprache zu übernehmen, sondern kreieren<br />
aus vorhanden Wörtern einen neuen Begriff. Beispiel: Ein Laptop<br />
heißt dort Fartölva. Aber wer von uns würde denn bitte Klapprechner<br />
oder Schoßcomputer sagen Da bedient man sich lieber schnell an<br />
englischen Wörtern. Und auf Hochzeiten wird’s noch schlimmer, es<br />
wimmelt nur so von diesem neudeutschen Kram!<br />
Klar, manche Dinge gehen in Englisch einfach so viel schöner von den<br />
Lippen. Und was sollte man auch statt „Save-the-Date“ schreiben<br />
So kurz, so praktisch. Haltet euch den Tag frei, reserviert den Tag<br />
für uns – im Deutschen stapeln sich die Buchstaben. Daneben hört<br />
sich das Englische auch viel mondäner an: Styling, Shooting, Fitting.<br />
Engagement. DIY, Drinks, Dresscode. Bridal Shower, Cake Pops und<br />
Candy Bar. Alles klar<br />
Am Hochzeitstag werden lustig „Mr & Mrs“-Schilder in die Kamera<br />
gehalten, am Kleiderbügel findet sich ein „Bride“, unter der Schuhsohle<br />
ein „I do“ und auf der Girlande steht „Just married“. Wie wäre<br />
es einfach mit einem klaren „Frisch verheiratet“<br />
Wir könnten auch eine kurze Terminankündigung oder Vorabeinladung<br />
verschicken. Hätten einen Anprobetermin für das Brautkleid.<br />
Würden Verlobungs- und Paaraufnahmen mit dem Fotografen machen.<br />
Da gäbe es „Braut“ und „Bräutigam“-Schilder an den Stühlen<br />
des Brautpaares. Der kleine Ringträger würde eine „Hier kommt die<br />
Braut“-Flagge tragen. Unsere Hochzeitstorte und das Kuchenbuffet<br />
wären mit Tortensteckern verziert. Könnten eine „Süße Tafel“ mit<br />
Schlickersachen anbieten, Kuchenstücke am Stil inklusive. Und wenn<br />
der Plattenaufleger das Tanzvergnügen einläuten würde, dann gäbe<br />
es auf der Hochzeitsfeier kein Halten mehr! Super Hochzeit, und das<br />
alles ohne ein englisches Wort.<br />
Aber nein, so einfach ist das nicht. Da ist noch viel mehr. Denn nach<br />
der vom Wedding Planner organisierten Trauung, natürlich mit selbst<br />
geschrieben Vows im Kreise der Bridal Party und der Bridesmaids,<br />
geht es in den Honeymoon. Falls man im Rahmen des Elopements<br />
und seiner Destination Wedding nicht eh schon unter der Palme sitzt<br />
und sich auf das After Wedding Shooting vorbereitet. Bei aller Liebe,<br />
geht’s noch<br />
Und wahrscheinlich wird in 2015 bald zum nächsten Trendthema,<br />
dem „Rehearsal Dinner“ eingeladen. Aber nun wirklich: Stop! So sehr<br />
die englischsprachigen Hochzeiten uns inspirieren, so unterschiedlich<br />
gestalten sich doch die Hochzeitstraditionen. Und bevor wir Ideen<br />
und Begrifflichkeiten eins zu eins in unseren Wortschatz und den<br />
Einladungstext übernehmen, weil sie sich vielleicht gerade furchtbar<br />
hip und cool anhören, sollten wir kurz innehalten und uns fragen, ob<br />
Oma Erna dann überhaupt versteht, dass sie zum Familienessen am<br />
Vorabend kommen soll. Gibt es nicht einfach eine für alle verständliche<br />
Bezeichnung<br />
Denkt zum Schluss einmal an die guten alten Flitterwochen: Dieses<br />
wunderschöne Wort schlummert schon seit geraumer Zeit im Duden<br />
vor sich hin, während sein neudeutsches Pendant immer öfter auf<br />
Reisen ist. Schade, oder Na los, gehen wir es aufwecken!<br />
Liebe Grüße vom Lieschen<br />
Susanne Rademacher ist leidenschaftliche Denglisch-Liebhaberin und<br />
arbeitet als Kommunikationsberaterin und Bloggerin in Hamburg. Seit<br />
Anfang 2012 schreibt sie – immer mit einem charmanten Augenzwinkern<br />
– als Lieschen auf ihrem Hochzeitsblog über die eigene Hochzeit mit<br />
Herrn Richtig. Daneben gibt sie praktische Tipps und zeigt DIY-Ideen<br />
sowie moderne Hochzeitsreportagen für eine einzigartige Hochzeitsfeier.<br />
www.lieschen-heiratet.de<br />
39