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MM: Warst Du schon mal dabei, als eines Deiner Märchen übergeben<br />
oder das erste Mal vorgelesen wurde<br />
Ruth: Vor ein paar Wochen hat der NDR einen Beitrag über „Edelfrosch“<br />
gemacht. Da durfte ich dabei sein, als ein Märchen das erste<br />
Mal gelesen wurde. Es war sehr faszinierend und wunderschön. Ich<br />
bekomme sehr häufig Rückmeldung, wie die<br />
Geschenkübergabe gelaufen ist. Einmal rief<br />
mich ein Mann an, der ein Märchen für seine<br />
Frau bestellt hatte: „Frau Frobeen, ich hab‘s<br />
heimlich aufgemacht. Es ist so wunderschön!“<br />
Und einmal bekam ich einen Brief von einem<br />
Mann, der das Märchen als Heiratsantrag genommen<br />
hatte. Er schickte mir viele Grüße von<br />
seiner Verlobten!<br />
MM: Wie entsteht ein Märchen bzw. was muss ein Märchenfreund tun,<br />
wenn er dem Edelfrosch eine Geschichte entlocken möchte<br />
Ruth: Um aus einer persönlichen Geschichte ein Märchen stricken zu<br />
können, brauche ich vor allem Zeit. Ich rechne mit 3-4 Wochen Vorlaufzeit.<br />
Für ganz Eilige schreibe ich auch mal in einer Woche, aber je<br />
mehr Zeit wir haben, desto besser. Wir vereinbaren eine „Märchenstunde“,<br />
in der all das erzählt wird, was für die Geschichte bzw. in der<br />
Beziehung wichtig ist. Dann beginnt die kreative Phase, in der ich das<br />
Erzählte wirken lasse. Das klingt vielleicht etwas esoterisch, aber letztlich<br />
schöpfe ich die Bildsprache für die Märchen aus dem, was irgendwo tief<br />
in mir drin durch die Erzählungen ausgelöst wird. Das braucht Zeit.<br />
Neben den Notizen aus der Märchenstunde mache ich Bildnotizen, bis<br />
ich genug Material beisammenhabe. Dann schreibe ich das Märchen<br />
in einem Rutsch und schicke einen Teil davon meinem Kunden. Die<br />
Katze im Sack gibt‘s bei mir nicht. Wenn ein<br />
Märchen nicht gefällt, verkaufe ich es nicht. Das<br />
ist glücklicherweise erst einmal vorgekommen.<br />
Das ungeliebte Märchen, das ich sehr mag, weil<br />
es ein Mutmachermärchen ist, hab ich dann in<br />
meinem Blog veröffentlicht. Vielleicht war es<br />
einfach zu abstrakt für das Paar. Ich habe dann<br />
ein zweites Märchen geschrieben, das mit Kusshand<br />
genommen wurde.<br />
MM: Du öffnest für marryMAG heute Dein Märchenbuch. Was ist<br />
das Besondere an dieser Geschichte<br />
Ruth: Was für eine Frage! Jede Geschichte ist besonders, denn sie handeln<br />
alle von der Liebe. Menschen öffnen ihre Herzen und lassen mich<br />
hineinschauen. Es gibt keine Geschichte, die nicht besonders ist. Ich habe<br />
bei der Märchenstunde gut zugehört und die Essenz der Geschichte<br />
rausgezogen und in eine märchenhafte Bildsprache übersetzt. Die<br />
Geschichte wurde dem Bräutigam von der Braut bei der Hochzeit überreicht.<br />
Was für eine Freude, mit einem Märchen dabei gewesen zu sein!<br />
„Duhu“, sagte der Goldfisch<br />
zum Frosch, „kannst du mir<br />
helfen Da ist eine Kugel<br />
ins Wasser gefallen, und die<br />
schwarze Katze schleicht schon<br />
wieder um den Brunnen herum.“ Die Geschichte, die ich erzählen<br />
möchte, handelt nur am Rande vom Froschkönig – ihr habt ihn sicher<br />
gleich erkannt. Es ist vielmehr die Geschichte einer Prinzessin,<br />
eines Prinzen und einer schwarzen Katze mit goldenen Augen. Diese<br />
Katze hieß Frau Schuhu, und wenn sie etwas gern tat, dann war es<br />
Goldfische angeln!<br />
Frau Schuhu saß am Brunnen vor der Villa und putzte sich. Dann<br />
sprang sie auf den Brunnenrand, sah hinunter und wunderte sich,<br />
dass dort unten in der Finsternis ein goldener Fisch schwamm. Der<br />
Brunnen war sehr tief, und die Katze überlegte, wie sie es anstellen<br />
könnte, den Fisch zu angeln. Frau Schuhu strich sich die Schnurrbarthaare<br />
glatt, kräuselte ihre Nase und schnurrte. Der Fisch würde<br />
ihr nicht davonschwimmen, sie hatte alle Zeit der Welt, um einen<br />
Plan auszuhecken. So sprang sie vom Brunnenrand und ging mit<br />
elegantem Hüftschwung in die Villa, in der sie mit der Prinzessin und<br />
dem Prinzen wohnte. Das verliebte Paar saß gerade am Tisch und aß<br />
Himbeertorte. Sie schauten einander tief in die Augen und bemerkten<br />
die Katze nicht, die sich ein großes Stück Torte nahm und dann ins<br />
Schlafgemach schlenderte, um einen Plan zu schmieden. Doch lasst<br />
mich weiter ausholen! Der rote Faden wird sich dann schon zeigen …<br />
Es war einmal eine Prinzessin, die hatte vor vielen Jahren schon das<br />
Schloss ihrer Mutter verlassen, um auf eigenen Beinen zu stehen und<br />
ein Handwerk zu erlernen. Sie hatte schwarzes Haar, dunkelbraune<br />
Augen und eine Stimme so sanft, dass die Linde zu rauschen aufhörte,<br />
wenn die Prinzessin sprach. Sie konnte mit dem Klang ihrer Stimme<br />
Perlen formen, und so ging sie bei einer weisen Frau in die Lehre,<br />
um Perlenmacherin zu werden. Sie machte tagein, tagaus Perlen und<br />
fädelte sie zu Ketten auf. Die Prinzessin hatte schon viele Schachteln<br />
und Schatullen voll mit Perlen, und sie merkte, dass sie mehr Platz<br />
brauchte. So machte sie sich auf die Suche nach einem schönen Ort,<br />
an dem sie Perlen machen und sie auffädeln konnte.<br />
Sie fand eine alte Villa, in der Platz für ihre Perlen, ihre Katze Frau<br />
Schuhu und für sie selbst war. Und es gab sogar einen echten Rittersaal!<br />
Da sagte die Prinzessin zu ihrer Mutter: „Mama, ich habe ein<br />
Haus gefunden!“ Die Mutter freute sich sehr und bat ihren engen<br />
Freund und Boten, den Hauskauf zu besiegeln. Der Freund und Bote<br />
erklärte sich bereit und der Hauskauf wurde mit Perlwein und Blumen<br />
gefeiert. Nun gehörte zu dem Hauskauf noch ein zweites Siegel,<br />
das die Grundschuld beurkunden sollte. Der enge Freund und Bote<br />
kratzte sich ratlos am Kopf, denn er musste eine Reise antreten, seine<br />
Kutsche wartete schon vor dem Schloss. Da kam eine gute Fee mit<br />
einem Glöckchen und sagte, sie werde sich um alles kümmern. Auch<br />
die Fee trug eine Perlenkette und war der Prinzessin sehr zugeneigt.<br />
Beruhigt trat der Freund und Bote seine Reise an, und die Prinzessin<br />
setzte sich auf einen geblümten Stuhl und wartete. Kurz darauf hörte<br />
sie auch schon das Glöckchen der Fee und folgte dem leisen Klang.<br />
Sie betrat ein Zimmer, und da saß ein Prinz mit schönen Augen und<br />
eleganten Händen. Er strahlte sie an. Sie strahlte ihn an, und dann<br />
besiegelten sie die Grundschuld mit ihrer Unterschrift. Der Prinz<br />
war verzaubert von ihrer sanften Stimme und musste die Prinzessin<br />
die ganze Zeit anschauen. Ihr langer schwarzer Zopf, ihre dunklen<br />
Augen, die Stimme …<br />
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