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Lebenserinnerungen - BAS Services Schiel

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zu gliedern und logisch einwandfrei und sprachlich richtig abzuhandeln, dass eine<br />

vernünftige, den geistigen Horizont des Schreibenden wiedergebende Abhandlung<br />

herauskam,- natürlich im Rahmen dessen, was in einer solchen Prüfungssituation<br />

erwartet werden konnte. Durch geschickt angewandte Aufsatztechnik kamen hier<br />

erstaunliche Leistungen zustande, die den Schreibenden selber überraschten,- eben<br />

weil er daran gewöhnt worden war, so und nicht anders vorzugehen. Mancher<br />

Ehemalige legte dankbar Zeugnis dafür ab, wie sehr ihm im späteren Studium diese<br />

Schulung genützt habe. Da in den zur Auswahl vorgelegten Abituraufsätzen meistens<br />

Themen vorkamen, die während des letzten Jahres in der Öffentlichkeit (also in den<br />

gehobenen Zeitungen) diskutiert worden waren, bewirkte diese Prüfungsform - da<br />

man ja informiert sein wollte! - auch eine intensivere private Beschäftigung mit der<br />

allgemein erörterten Problematik, (- was die heute gängige Abkapselung im eher<br />

vergnüglich Privaten verhinderte -). Was damals noch ein seltener Aufsatztyp war:<br />

die sogenannten Interpretationen von Gedichten und Prosatexten, die ja im heutigen<br />

Prüfungsverfahren überwiegen. Ich schätzte sie nie, weil sie mir zu wenig kreativ<br />

blieben,- meist nur eine leicht angereicherte Wiederholung des Originals mit eigenen<br />

Worten,- eben keine eigenschöpferische Leistung, wie sie einer Abhandlung eignet.<br />

In der Geschichte hielt ich es ähnlich: Natürlich war die Faktenaneignung unumgänglich,<br />

um überhaupt über so etwas wie ein einigermaßen solides und vielleicht<br />

sogar vorgeklärtes Geschichtswissen zu verfügen; aber damit wollte ich es nicht belassen.<br />

Mir schwebte vor, dass der Schüler möglichst in jeder Geschichtsstunde Bezüge<br />

zur Gegenwart herstellen konnte, nicht im Sinne eines höchst zweifelhaften<br />

Lernens-aus-der-Geschichte, sondern im Sinne nachzuvollziehender Entscheidungsprozesse,<br />

die ihn, als Bürger, in diesem durch Kriege und andere Übel heimgesuchten<br />

Lande persönlich angingen, ihn gewissermaßen erfahrener machten. Natürlich<br />

ging es auch um Kultur-, besonders um Kunstgeschichte,- aber die politische<br />

Perspektive stellte ich absichtlich in den Vordergrund. Es durfte niemals wieder dahin<br />

kommen, dass ein gebildetes Bürgertum geistreich historische Prozesse interpretieren<br />

konnte, darüber aber übersah, wo man selber zu stehen hatte, wem „die Gasse“<br />

gehörte und wie sehr nötig es ist, Freiheit und Recht täglich zu durchdenken und<br />

selbst zu praktizieren und so zu festigen. Um unmissverständlich zu bleiben: „Geschichte“<br />

nicht als Anhängsel einer politischen Bildung (mit oft allzu vorschnellen<br />

Tendenzschlüssen), sondern vielmehr als Erfahrungsarsenal für jedwedes politische<br />

Handeln. Wer das im Unterricht versuchte, musste täglich Stellung beziehen und<br />

auch werten; dass ich das nicht getan hätte, dürfte mir kaum einer meiner ehemaligen<br />

Gymnasiasten vorwerfen; ob ich immer recht hatte oder im Recht war, ist eine<br />

andere Frage,- besonders anregend fand ich jene Schulstunden, wo sich Widerspruch<br />

regte und sich eine längere Aussprache anschloss,- ich habe dabei viel gelernt, war

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