Neuausrichtung an der Erfüllung von Verpflichtungen in ED/2010/6
Neuausrichtung an der Erfüllung von Verpflichtungen in ED/2010/6
Neuausrichtung an der Erfüllung von Verpflichtungen in ED/2010/6
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Bil<strong>an</strong>zrecht und Betriebswirtschaft<br />
Wüstem<strong>an</strong>n J./Wüstem<strong>an</strong>n S. · Umsatzerlöse aus Kundenverträgen nach IFRS – <strong>Neuausrichtung</strong> <strong>an</strong> <strong>der</strong> Erfüllung <strong>von</strong> <strong>Verpflichtungen</strong> <strong>in</strong> <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6<br />
chen Verträgen zugegriffen werden k<strong>an</strong>n und sich die Umweltzustände<br />
nicht signifik<strong>an</strong>t geän<strong>der</strong>t haben. 36 Hieraus folgt, wie auch nach<br />
geltendem IAS 18, dass die Erfassung <strong>von</strong> Umsatzerlösen zum Zeitpunkt<br />
<strong>der</strong> Warenübergabe nur bei Massentr<strong>an</strong>saktionen, nicht aber<br />
bei E<strong>in</strong>zeltr<strong>an</strong>saktionen möglich ist, weil bei nur gelegentlich auftretenden<br />
Geschäftsvorfällen aussagefähige Erfahrungswerte nicht vorliegen.<br />
37 Während <strong>der</strong>zeit bei verlässlicher Schätzbarkeit <strong>der</strong> Rückgabequote<br />
für e<strong>in</strong>e Gruppe gleichartiger Kaufverträge zunächst die vollen<br />
Umsatzerlöse zu erfassen und <strong>in</strong> Höhe des erwartungsgemäß zurückzuerstattenden<br />
Betrags e<strong>in</strong>e erlösm<strong>in</strong><strong>der</strong>nde Rückstellung zu passivieren<br />
ist, 38 soll <strong>der</strong> erwartete Rückerstattungsbetrag nach <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6 direkt<br />
die zu erfassenden Umsatzerlöse m<strong>in</strong><strong>der</strong>n und die quasi-sichere<br />
Verpflichtung zur Kaufpreisrückerstattung <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Verb<strong>in</strong>dlichkeit<br />
(„refund liability“) berücksichtigt werden. 39 Im H<strong>in</strong>blick auf den<br />
zu vere<strong>in</strong>nahmenden Gew<strong>in</strong>n hätten diese ¾n<strong>der</strong>ungen zunächst<br />
ke<strong>in</strong>e Auswirkung. Allerd<strong>in</strong>gs ist <strong>in</strong> <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.B12 zusätzlich die Aktivierung<br />
e<strong>in</strong>er For<strong>der</strong>ung auf Rückgabe <strong>der</strong> Waren <strong>in</strong> Höhe des<br />
Werts <strong>der</strong> ausgebuchten Vorräte abzüglich etwaiger Rücknahmekosten<br />
vorgesehen. Hierdurch würde <strong>der</strong> bei Ausbuchung <strong>der</strong> Vorräte zu<br />
erfassende Aufw<strong>an</strong>d gem<strong>in</strong><strong>der</strong>t 40 und folglich <strong>der</strong> Gesamtgew<strong>in</strong>n im<br />
Vergleich zu geltenden Regelungen um diesen Betrag erhöht. K<strong>an</strong>n<br />
die Rückgabewahrsche<strong>in</strong>lichkeit nicht verlässlich e<strong>in</strong>geschätzt werden,<br />
so ist <strong>der</strong> Erhalt <strong>der</strong> Kaufpreiszahlung durch die Passivierung e<strong>in</strong>er<br />
Verb<strong>in</strong>dlichkeit zu neutralisieren; die Vere<strong>in</strong>nahmung <strong>der</strong> Umsatzerlöse<br />
ist d<strong>an</strong>n erst bei Ablauf <strong>der</strong> Rückgabefrist geboten. 41<br />
(5) Verkauf mit Gar<strong>an</strong>tie<br />
Bei Kaufverträgen mit Gar<strong>an</strong>tieverpflichtungen werden zum Zeitpunkt<br />
<strong>der</strong> Warenübergabe üblicherweise sowohl das zivilrechtliche Eigentum<br />
als auch <strong>der</strong> physische Besitz <strong>an</strong> <strong>der</strong> Ware auf den Kunden<br />
übertragen. Da aber erfahrungsgemäß e<strong>in</strong> bestimmter Prozentsatz <strong>der</strong><br />
verkauften Waren im Verkaufszeitpunkt fehlerhaft und folglich zu ersetzen<br />
o<strong>der</strong> zu reparieren ist, hat <strong>der</strong> Bil<strong>an</strong>zierende bei diesen Geschäften<br />
se<strong>in</strong>e vertragliche Pflicht zur Übergabe e<strong>in</strong>er fehlerfreien Ware<br />
noch nicht vollständig erfüllt und <strong>der</strong> Kunde nach Auslegung <strong>der</strong><br />
Boards die Kontrolle über die Ware noch nicht erl<strong>an</strong>gt. 42 Während<br />
nach geltendem IAS 18 bei verlässlicher Schätzbarkeit <strong>der</strong> zukünftigen<br />
Gar<strong>an</strong>tieaufwendungen <strong>der</strong> volle Kaufpreis als Umsatzerlös zu erfassen<br />
und <strong>in</strong> Höhe <strong>der</strong> erwarteten Gar<strong>an</strong>tiekosten e<strong>in</strong>e Rückstellung zu<br />
bilden ist, sollen nach <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.B16 Umsatzerlöse bei Warenübergabe<br />
lediglich für die voraussichtlich fehlerfrei übergebenen Waren vere<strong>in</strong>nahmt<br />
und <strong>der</strong> Differenzbetrag als noch ausstehende Verb<strong>in</strong>dlichkeit<br />
passiviert werden. Dies würde zu e<strong>in</strong>em ger<strong>in</strong>geren Umsatzausweis<br />
im Verkaufszeitpunkt führen. Da allerd<strong>in</strong>gs die voraussichtlich<br />
fehlerhaften Waren zunächst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bil<strong>an</strong>z des Veräußerers verbleiben,<br />
wird auch e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gerer Aufw<strong>an</strong>d erfasst. Mit wesentlichen Auswirkungen<br />
auf den Gew<strong>in</strong>n ist demzufolge nicht zu rechnen.<br />
Aus bil<strong>an</strong>zsystematischer Sicht ist das neue Modell dennoch nicht zufriedenstellend.<br />
Auch wenn die übergebene Ware fehlerhaft ist, hat –<br />
<strong>an</strong><strong>der</strong>s als <strong>von</strong> den Boards <strong>an</strong>genommen – bis zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Reklamation<br />
<strong>der</strong> Kunde und nicht das veräußernde Unternehmen die<br />
Kontrolle im S<strong>in</strong>ne des <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6 <strong>in</strong>ne. Weiterh<strong>in</strong> liegt <strong>der</strong> Bil<strong>an</strong>zierungslösung<br />
die Unterstellung zugrunde, <strong>der</strong> Veräußerer müsse im<br />
Gar<strong>an</strong>tiefall die fehlerhafte Ware zurücknehmen und durch e<strong>in</strong> neues<br />
Exemplar ersetzen. Ist <strong>der</strong> Bil<strong>an</strong>zierende jedoch lediglich zur Reparatur<br />
verpflichtet, so lässt sich die Zurückbehaltung <strong>der</strong> Ware <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bil<strong>an</strong>z<br />
des Veräußerers nicht rechtfertigen. Da zukünftige Reparaturkosten<br />
<strong>in</strong> wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Gew<strong>in</strong>nmarge schmälernde<br />
Aufwendungen darstellen, vermag die <strong>der</strong>zeit gebotene Berücksichtigung<br />
<strong>der</strong> erwarteten Reparaturaufwendungen <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er<br />
Rückstellung den wirtschaftlichen Gehalt solcher Tr<strong>an</strong>saktionen besser<br />
wi<strong>der</strong>zuspiegeln. Unverständlich ist darüber h<strong>in</strong>aus, warum nicht<br />
<strong>in</strong> Analogie zu den Rückgaberechten die verlässliche Schätzbarkeit<br />
<strong>der</strong> Gar<strong>an</strong>tiefallwahrsche<strong>in</strong>lichkeit gefor<strong>der</strong>t wird.<br />
bb) Dienstverträge: fortschreitende Leistungserbr<strong>in</strong>gung<br />
Bei Dienstverträgen i.S.d. §§ 611ff. BGB ist das übergeordnete Kriterium<br />
<strong>der</strong> Kontrollübertragung nur „im übertragenen S<strong>in</strong>ne“ <strong>an</strong>wendbar.<br />
Im Diskussionspapier aus dem Jahre 2008 wurde mit H<strong>in</strong>weis<br />
auf IFRS 2 erläutert, dass Dienstleistungen im Zeitpunkt <strong>der</strong> Erbr<strong>in</strong>gung<br />
Vermögenswerte darstellen, die <strong>der</strong> Kunde typischerweise sofort<br />
verbraucht. 43 Folgt m<strong>an</strong> dieser Argumentation, so erl<strong>an</strong>gt <strong>der</strong> Kunde<br />
mit Ausführung <strong>der</strong> Dienstleistungsaktivitäten kont<strong>in</strong>uierlich Kontrolle<br />
durch die unmittelbare Nutzenziehung aus den erbrachten<br />
Dienstleistungen (Vermögenswerten). 44<br />
Der für Dienstverträge maßgebliche Indikator für den Kontrollüberg<strong>an</strong>g<br />
aus <strong>der</strong> „Checkliste“ <strong>in</strong> <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.30 ist die unbed<strong>in</strong>gte Verpflichtung<br />
des Kunden zur Zahlung <strong>der</strong> Gegenleistung. 45 Diese Verpflichtung<br />
entsteht bei Dienstverträgen mit fortschreiten<strong>der</strong> Leistungserbr<strong>in</strong>gung,<br />
weil <strong>der</strong> Vergütungs<strong>an</strong>spruch des Dienstleisters für<br />
die bereits ausgeführten Tätigkeiten unabhängig <strong>von</strong> <strong>der</strong> Erbr<strong>in</strong>gung<br />
zukünftiger Vertragsleistungen gegenüber dem Kunden rechtlich<br />
durchsetzbar ist. 46 Demzufolge s<strong>in</strong>d auch die Umsatzerlöse aus<br />
Dienstverträgen nach <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.32 – im E<strong>in</strong>kl<strong>an</strong>g mit IAS 18.20ff. –<br />
nach Maßgabe des Leistungsfortschritts zu erfassen. Die Methoden<br />
zur Umsatzverteilung über die Vertragslaufzeit entsprechen im Wesentlichen<br />
den Vorgaben des IAS 18.24f. 47<br />
cc) Werkverträge: Abnahme des vollendeten o<strong>der</strong><br />
vollendeter Teile des Werks<br />
Bei Verträgen über die Herstellung o<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>er Sache<br />
i.S.d. §§ 631ff. BGB ist nach <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.B63f. e<strong>in</strong>gehend zu prüfen,<br />
ob die Kontrolle über die unfertigen Erzeugnisse o<strong>der</strong> Leistungen bereits<br />
während <strong>der</strong> Leistungserstellung auf den Kunden übertragen<br />
wird und somit e<strong>in</strong>e Erfassung <strong>der</strong> Umsatzerlöse nach Maßgabe des<br />
Leistungsfortschritts gerechtfertigt ist. Sofern die Werkserstellung<br />
nicht auf fremdem Grund und Boden erfolgt und nicht die Verän<strong>der</strong>ung<br />
e<strong>in</strong>er im Eigentum des Bestellers stehenden Sache geschuldet<br />
wird, erfolgt die Übertragung des zivilrechtliches Eigentums sowie<br />
des physischen Besitzes bei Übergabe des vollendeten Werks. Die unbed<strong>in</strong>gte<br />
Verpflichtung zur Vergütung des Werklohns entsteht erst bei<br />
Abnahme des vollendeten Werks durch den Kunden (§ 641 BGB).<br />
E<strong>in</strong>e Ausnahme besteht nach <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.B66 d<strong>an</strong>n, wenn <strong>der</strong> Kunde<br />
im Falle <strong>der</strong> vorzeitigen Vertragsbeendigung das unfertige Werk übernehmen<br />
und den hierauf entfallenden Teil des Werklohns zahlen<br />
36 Vgl. <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.38 f.<br />
37 Vgl. zu IAS 18 Sessar, Grundsätze ordnungsmäßiger Gew<strong>in</strong>nrealisierung im deutschen Bil<strong>an</strong>zrecht, 2007,<br />
S. 248 und S. 253.<br />
38 Vgl. Adler/Dür<strong>in</strong>g/Schmaltz, Rechnungslegung nach Internationalen St<strong>an</strong>dards, 2002, Abschn. 4, Rn. 118.<br />
39 Vgl. <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.37 i.V. m. B9 (beide Zitate).<br />
40 Vgl. <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.B12.<br />
41 Vgl. <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.37 und 41 i.V. m. B10.<br />
42 Vgl. <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.BC201 f.<br />
43 Vgl. DP 3.13; IFRS 2.BC47.<br />
44 Vgl. <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.26 und 32.<br />
45 Vgl. <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.30(a).<br />
46 Vgl. zur entsprechenden Begründung im deutschen Bil<strong>an</strong>zrecht Döllerer, BB 1974, 1546.<br />
47 Vgl. <strong>ED</strong>/<strong>2010</strong>/6.33.<br />
2038 Betriebs-Berater // BB 34.<strong>2010</strong> // 16.8.<strong>2010</strong>