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24 Reportage<br />
Anker werfen und den Taschenknipser<br />
aus der Kombi kramen:<br />
Meine Fahrspur ist auf mehrere<br />
hundert Meter mit weißen Streifen<br />
wie sie sonst nur als Fahrbahnmarkierung<br />
verwendet<br />
werden, übersät. Was zunächst<br />
wie die Amokfahrt eines zugerauchten<br />
Straßenmarkierers<br />
aussieht, entpuppt sich dank einer<br />
Infotafel als Versuchsfeld<br />
für verschiedene Materialien zur<br />
Fahrbahnmarkierung.<br />
Der Vormittag ist ins Land gezogen,<br />
und selbst hier oben im<br />
Harz wird es nun angenehm<br />
warm. Als sich die B4 südlich<br />
von Braunlage wieder bergab<br />
windet, verlasse ich sie und gebe<br />
als direktes Ziel Bad Langensalza<br />
ins Navi ein<br />
Die Ampelfrauen im Wald<br />
Was nun folgt, ist eine Zeitreise.<br />
Ich fahre durch einen dunklen<br />
Wald auf einer einsamen und<br />
schmalen Straße nach Süden.<br />
Irgendwann wird es mir mulmig.<br />
Ist das hier Militärgebiet,<br />
habe ich ein Sperrschild übersehen<br />
Nein, es ist alles in Ordnung,<br />
schließlich steht ein Lada<br />
am rechten Straßenrand und ein<br />
Mann schlichtet Holz in einen<br />
Anhänger. Ich bin als doch nicht<br />
allein auf dieser Welt.<br />
Kurz darauf klappt mir der<br />
Kinnladen herunter: Mitten in<br />
der Walachei steht eine einsame<br />
Baustellen<strong>amp</strong>el, auf deren<br />
Batteriekasten eine ebensolche<br />
Frau mit Buch und Funkgerät<br />
sitzt. Ich habe grün und passiere<br />
diese unvermittelt aufgetauchte<br />
Verkehrsregelung. Deren Grund<br />
ist ein abgerutschter Berghang,<br />
der die Straße nur in eine Richtung<br />
passierbar macht.<br />
Nach ein paar hundert Metern<br />
das gleiche Bild: Wieder eine<br />
funkgerätbewehrte Frau, dieses<br />
Mal ohne Buch, die wie ihre Kollegin<br />
wohl den ganzen Tag nichts<br />
weiter zu tun hat, als die Reihenfolge<br />
der Fahrtrichtungen zu<br />
klären, falls es im wahrscheinlich<br />
nie eintretenden Fall dazu<br />
kommt, dass gleichzeitig zwei<br />
Fahrzeuge passieren wollen.<br />
Während ich weiter die übrigens<br />
wunderschön fahrbare<br />
Straße Richtung Zorge rolle,<br />
denke ich mir, dass es auf dieser<br />
Welt sicher viele interessantere<br />
Jobs als die an der Verkehrs<strong>amp</strong>el<br />
gibt, aber darunter nur wenige,<br />
die stressfreier sind.<br />
Hinter Walkenried passiere ich<br />
unbemerkt die ehemalige Grenze.<br />
Hier gibt es nichts spektakuläres,<br />
nicht einmal einen alten<br />
Wachturm hat man stehen gelassen.<br />
Die Grenze scheint hier<br />
abseits aller Verkehrsströme<br />
längst abgehakt, auf 10 Kilometern<br />
sieht man gerade einmal<br />
einen Trabbi stehen. Die Leute<br />
haben sicher andere Sorgen als<br />
sich in Ostalgie zu sonnen.<br />
Über Bad Langensalza bis<br />
nach Gotha geht die Strecke fast<br />
Eine der umweltfreundlichen, weil mit Solarstrom betriebenen<br />
Radaranlagen im Harz.<br />
parallel zur B4, und hier entdecke<br />
ich an diesem schönen<br />
Frühsommertag auch die blühenden<br />
Landschaften, die einst<br />
ein bundesdeutscher Kanzler<br />
aus den gebrauchten Bundesländern<br />
den zurückkehrenden Zonis<br />
versprochen hatte.<br />
Was hier allerdings blüht,<br />
ist Raps, der sich auf riesigen<br />
Feldern knallgelb bis zum Horizont<br />
zieht. Und während ich<br />
Kilometer für Kilometer durch<br />
die gelb wabernde und penetrant<br />
süßlich riechende Masse<br />
fahre, frage ich mich, wie lange<br />
man mit all diesem Raps, wenn<br />
er zu Biodiesel geworden ist, eigentlich<br />
fahren kann. Und ob es<br />
wirklich einen Sinn macht, Dinge,<br />
die ursächlich der Ernährung<br />
von Mensch und Tier dienen, zu<br />
Treibstoff umzuwandeln.<br />
Die BMW unter mir interessiert<br />
das alles nicht, sie braucht<br />
Bleifrei Super, das in Bad Langensalza<br />
gebunkert wird. Beim<br />
Absteigen merke ich erst, wie<br />
lange ich schon wieder auf der<br />
Kiste gesessen bin. Jetzt doch<br />
nicht absteigen, es läuft ja gerade<br />
so gut – mein leidiges Gebrechen<br />
beim Motorradfahren.<br />
In Gotha wird gebaut, der Stau<br />
ist gigantisch, unter dem Helm<br />
wird es an diesem frühen Nachmittag<br />
ohne Fahrtwind ungemütlich<br />
warm. Die Route bei der<br />
Durchquerung der Stadt ähnelt<br />
eher der eines Segelbootes, das<br />
gegen den Wind kreuzen muss.<br />
Wie schön, dass genau in dem<br />
Augenblick, als mein Magen<br />
vom leichten Murren in heftiges<br />
Gemaule übergeht, so ein amerikanisches<br />
…. Ja genau, schon<br />
wieder. Während ich mich noch<br />
über mich selbst wundern muss,<br />
fällt mir ein, dass ich vorher mit<br />
McDonalds irgendeine Flatrate<br />
hätte vereinbaren sollen.<br />
Perfekt gemacht: Der durchgeschmolzene Motor an dieser BMW.<br />
Achterbahn nach Oberhof<br />
Frisch gestärkt und voller Tatendrang<br />
freue ich mich auf den<br />
letzten fahrerisch interessanten