Karriere | handfest 03 2009 „Ich musste nicht auf dem Tisch tanzen, ich war für den Nachtisch verantwortlich.“ Stefanie Sauels 08
Abenteuer bildung Wer eine Lehre beginnt, wird die nächsten 50 Jahre nichts anderes mehr machen als Torten backen oder Steine klopfen. Denkste. Wie eine Ausbildung im Handwerk gepaart mit Wissensdurst ungewöhnliche Lebensläufe produziert. Oder auch plakativ: Aufstieg durch Bildung. Stefanie Sauels (30) studiert im vierten Semester Ökotrophologie. Will heißen: Haushalts- und Ernährungswissenschaften. Heißt aber nicht: reines Zuckerschlecken. „Ich musste sogar lernen, wie man eine Waschmaschine zusammenbaut.“ Das Studium ist Teil ihres Karriereplans, der mit der Ausbildung zur Konditorin begann. Ihr Handwerk hat sie in einer Konditorei in Kempen erlernt, angefangen von der Obst- bis hin zur Buttercremetorte. Nichts aus der Tüte „Das Kaffeehaus haben Vater und Sohn betrieben, die waren mit dem ganzen Herzen dabei und da wurde nichts aus der Tüte gemacht.“ Das beschauliche Kempen aber sollte nur die erste Station ihrer umtriebigen Wanderlust sein. Für eine Saison ging es nach Norderney („Ist wie Kitzbühel für die Köche.“) und anschließend nach München, in den altehrwürdigen Bayerischen Hof. Dort heuerte sie als Patissier an und erfüllte die Nachtisch-Wünsche verwöhnter Kundschaft mit variantenreichen Pfannkuchen bis hin zum selbst gemachten Eis. „1.100 Essen wurden bisweilen an nur einem Tag geschickt und die Patisserie war größer als in vielen Restaurants die ganze Küche.“ Den Meister und die Schweiz Dummerweise nur attestierte ihr die Medizin, dass sie mal aufhören solle, mit dem Finger in der Sahne rumzurühren, da sie eine Milch- Allergie habe. Was machen? Den Meister! Ein halbes Jahr wurde gebüffelt, alle Prüfungen wurden bestanden und dann hat sie, weil es gerade so schön lief, den Betriebswirt noch mit drangehängt. Die Medizin hatte mittlerweile herausfinden können, dass es doch keine Milch-Allergie ist. „Ich weiß bis heute nicht, was es war.“ Also wieder zurück in den geliebten Beruf, aber nicht irgendwohin, nein, direkt ins Mekka für Patisserie, in die Schweiz. In einer kleinen, exquisiten Schokoladenmanufaktur erlernte sie die ganzen Kniffe und kleinen Geheimnisse der alpinen Pralinen- und Schokoladenherstellung. Eine schöne Zeit, wie sie sagt, die Schweizer seien ein liebenswertes Volk und die Landschaft gleiche einer Postkarte, jedes Dorf habe seinen eigenen See und seinen eigenen Berg. Hübsch, aber nach einem Jahr wurde das Heimweh größer als jeder Berg. Und so nahm sie die Stelle als Chef-Patissier im Lido in Düsseldorf an. Freiraum und Ideen „Ich musste nicht auf dem Tisch tanzen, ich war für den Nachtisch verantwortlich.“ Großen Spaß habe es gemacht, man habe ihr Freiraum für die Umsetzung eigener Ideen gewährt und das Team sei rundum klasse gewesen. Nur kommt es auch in der gehobenen Gastronomie bisweilen vor, dass der Arbeitstag 16 Stunden hat und gehörig auf die Knochen geht. Und so beschloss Stefanie Sauels nach anderthalb Jahren den Küchenplatz gegen die Schulbank einzutauschen. Sie bewarb sich bei der Stiftung Begabtenförderungswerk berufliche Bildung, kam ins Auswahlverfahren und wurde genommen. ... ständig ausgebucht handfest 03 2009 | Karriere „Es ist eine unglaubliche Entlastung, ich kann mich auf mein Studium konzentrieren und mir auch die notwendigen Bücher leisten.“ Ihr Ziel ist eine Ernährungsberatung, sie möchte eine eigene Praxis eröffnen, auch Menschen mit Allergien zeigen, welche Alternativen möglich sind. Ihr Handwerk aber bleibt ihre Leidenschaft und wenn sie einen Wunsch frei hätte, würde sie gerne bei der New Yorkerin Colette Peters einen Lehrgang belegen, denn die sei eine Künstlerin voll wagemutiger und schriller Ideen. „Sie gestaltet unglaubliche Hochzeitstorten, nur leider sind ihre Workshops ständig ausgebucht.“ 09