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Organisierter Pazifismus in der Endphase der Weimarer Republik ...

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Spaltung und Rekonstruktion des organisierten <strong>Pazifismus</strong> 235<br />

Dieser Unterschied f<strong>in</strong>det sich wie<strong>der</strong> - zweitens - <strong>in</strong> den Arbeitsformen, und zwar<br />

nach <strong>in</strong>nen wie nach außen: In <strong>der</strong> bürgerlichen Friedensbewegung hatte die pazifistische<br />

Arbeit weitgehend <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>tellektuellen Kommunikation <strong>der</strong> Individuen bestanden,<br />

erbaulich und abgehoben. Se<strong>in</strong>e unabhängige Magdeburger Kriegsgegnergruppe<br />

habe - berichtete etwa ihr Führer Schümer bei <strong>der</strong> Gründung des Allgeme<strong>in</strong>en<br />

Deutschen Friedensbundes - zunächst „weiter nichts" gewollt, „als ihre Mitglie<strong>der</strong><br />

zusammenhalten, ihnen pazifistische Vorträge bieten und gelegentlich e<strong>in</strong>e größere<br />

Versammlung abhalten" 185 . Küster karikierte <strong>der</strong>lei schon 1925 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schlagabtausch<br />

mit Quidde: Die DFG sei bislang „e<strong>in</strong> Häufle<strong>in</strong> Intellektueller (gewesen), das<br />

alljährlich mal irgendwo zusammenkam, dort sich an sentimentalen Ideen berauschte<br />

und dann das lange Jahr - da von Natur aus gute Menschen - niemandem etwas zuleide<br />

tut" 186 . Auch E<strong>in</strong>fluß nach draußen nahm <strong>in</strong> diesem Konzept grundsätzlich die<br />

Persönlichkeit und ihr Argument. Demgegenüber wollten die neuen Pazifisten Küsters<br />

ke<strong>in</strong>e aufklärenden Vorträge hören, sie suchten und Küster bot ihnen die aktivistische,<br />

emotionale Erlebnisform - den Appell, die Feier, das Fest, den Aufmarsch 187 ,<br />

begeisternd nach <strong>in</strong>nen und bee<strong>in</strong>druckend, „imponierend" für die Außenstehenden<br />

188 .<br />

Drittens: Aus den Arbeitsformen ergab sich die Stellung zum L<strong>in</strong>ienproblem: Jener<br />

herkömmlichen <strong>in</strong>dividualistisch-<strong>in</strong>tellektuellen Arbeitsform hatte <strong>in</strong>haltliche Liberalität<br />

entsprochen. Man war pluralistisch, weitherzig, <strong>in</strong> gewissem S<strong>in</strong>ne auch immer<br />

etwas distanziert. Ob im nächsten Krieg alle den Kriegsdienst verweigern sollten -<br />

um e<strong>in</strong> praktisches Beispiel zu nennen -, ob unbed<strong>in</strong>gt o<strong>der</strong> unter welchen Kautelen,<br />

darüber ließ sich zunächst e<strong>in</strong>mal vorzüglich und immer wie<strong>der</strong> diskutieren. Dagegen<br />

engte sich für die neuen Pazifisten <strong>der</strong> Bereich des Zulässigen e<strong>in</strong>, ihre emotionale Erlebnisform<br />

verlangte nach Bekundung und Bekenntnis, hier galt es zu formieren, jetzt<br />

wurde e<strong>in</strong>e „L<strong>in</strong>ie" überhaupt erst notwendig.<br />

Schließlich folgte - viertens - aus alledem e<strong>in</strong> unterschiedliches Organisationsmodell:<br />

Dem Honoratiorenpazifismus gemäß waren die örtlichen Vere<strong>in</strong>e gewesen,<br />

185<br />

Georg Schümer, Was will <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>e Deutsche Friedensbund? <strong>in</strong>: Deutsche Zukunft 10 (1933),<br />

Nr.2v. 15.1.33.<br />

186<br />

Küster, Nochmals: Vergleichende Kongreße<strong>in</strong>drücke, Generalanzeiger, Dortmund, 271, 2.10. 25.<br />

187<br />

Im Gegenzug kam dann prompt die Kritik an den „doch versammlungstechnisch so prachtvoll aktiven<br />

westdeutschen Pazifisten", die Friedensbewegung erschöpfe sich unter ihrem E<strong>in</strong>fluß <strong>in</strong> „Trommeltaktik"<br />

und „Protestpolitik" (so Harald Fed<strong>der</strong>sen, Heran an neue Aufgaben! Was wir an <strong>der</strong><br />

deutschen Friedensbewegung vermissen, Generalanzeiger, Dortmund, 192, 15.7. 30), ja sie sei <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e „geistig-politische Krise" geraten (so <strong>der</strong>s., Die dreifache Krise <strong>der</strong> Friedensbewegung, Generalanzeiger,<br />

Dortmund, 270, 1.10. 30).<br />

188<br />

E<strong>in</strong> bemerkenswerter Parallelkonflikt entwickelte sich im sozialdemokratisch-republikanischen Bereich<br />

: Den traditionell-aufklärerischen Werbeformen <strong>der</strong> Sozialdemokratie setzten das Reichsbanner<br />

unter Höltermann und schließlich die Eiserne Front e<strong>in</strong>en neuen, s<strong>in</strong>nfälligen Agitationsstil entgegen;<br />

vgl. Wolfram Wette, Mit dem Stimmzettel gegen den Faschismus. Das Dilemma des<br />

sozialdemokratischen Antifaschismus <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Endphase</strong> <strong>der</strong> <strong>Weimarer</strong> <strong>Republik</strong>, <strong>in</strong>: Frieden, Gewalt,<br />

Sozialismus. Studien zur Geschichte <strong>der</strong> sozialistischen Arbeiterbewegung, hrsg. v. Wolfgang Huber/Johanna<br />

Schwerdtfeger, Stuttgart 1976, S. 358-403.

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